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Früh erkannt, Gefahr gebannt

Die Bestimmung des sogenannten PSA-Wertes soll Prostatakrebs frühzeitig erkennen. Das Problem: Der Test schlägt zu häufig auch bei Gesunden an. Forscher aus der Schweiz haben eine neue Strategie für die Entwicklung von Krebstests entworfen und am Beispiel des Prostatakarzinoms erprobt.

Von Volkart Wildermuth |
    Der herkömmliche PSA-Test misst nur ein einziges Eiweiß im Blut. So ein Einzelbefund ist nicht sonderlich spezifisch für einen aggressiven Prostatakrebs. Hohe Werte können auch auf langsam wachsende Varianten oder sogar auf die normale altersbedingte Vergrößerung der Prostata zurückgehen. Ein positiver PSA-Befund macht deshalb vielen Männern Angst vor einem Krebs, den sie gar nicht haben. Kein Wunder, dass Forscher versuchen nicht nur ein Eiweiß zu untersuchen, sondern gleichzeitig viele Tausende. Doch dieser Ansatz hat seine eigenen Probleme, meint Dr. Wilhelm Krek:

    "Jedoch hat man realisiert, dass die ermittelten Proteinmuster eigentlich nicht unbedingt Krebserkrankung widerspiegeln, sondern vielleicht Essgewohnheiten von Patienten oder andere Symptome. Und deshalb braucht es gezielte neue Verfahren um hier Krebsentstehungen nachweisen zu können."

    Vergleicht man einfach die biochemischen Signaturen von Gesunden und Kranken, dann macht gerade die Masse der Daten ihre Interpretation fast unmöglich. Als Ausweg schlägt der Zellbiologe von der ETH Zürich vor, von bekannten Krebsgenen auszugehen. Eines davon ist Pten. Normalerweise reguliert Pten das Zellwachstum. Bei vielen aggressiven Prostatatumoren ist es aber defekt, sodass sich der Krebs ungebremst vermehrt. Diesen Gendefekt haben Forscher in der Maus nachgebildet. Die Versuchstiere mit Pten Mutation entwickeln Prostatakrebs. Und der verändert nicht nur den PSA-Wert der Mäuse, sondern insgesamt die Eiweißmuster in ihrem Blut, wie Wilhelm Krek feststellte.

    "Wir verglichen dann darauf die Proteinsätze der gesunden Mäuse mit denen der krebskranken Mäuse und daraus ermittelten wir ein Muster von Proteinen, das für die mutierte Version von Pten und somit auch für Prostatakrebs typisch ist."

    Unter den über Tausend untersuchten Eiweißen fanden sich 126 Proteine, die sich zwischen den beiden Mäusegruppen deutlich unterschieden. Und weil Labormäuse anders als Menschen unter standardisierten Bedingungen leben, hat dieser Unterschied wohl tatsächlich etwas mit dem Prostatakrebs zu tun. Von der Maus ging Wilhelm Krek zurück zum Menschen. Das Kantonspital St. Gallen sammelt schon seit Jahren in einer Biobank Blut- und Gewebeproben von Männern mit ganz unterschiedlichen Prostataproblemen. An diesem Material suchte Krek nicht ganz allgemein nach Veränderungen, sondern gezielt nach den 126 aus der Maus bekannten Proteinen.

    "Und aus diesen Kandidaten von Proteinen konnten wir in Zusammenarbeit mit Informatikern Modelle entwickeln und vier Proteine identifizieren, die eine zuverlässige Diagnose darstellen."

    Aber auch der neue Bluttest unterscheidet nicht immer zuverlässig zwischen gutartigen und bösartigen Prostataveränderungen. Er kann den PSA-Wert also nicht ersetzten. Wird das neue Muster der vier Proteine aber mit dem alten PSA-Test kombiniert, steigt die Trefferquote erheblich. Nicht nur werden etwas mehr Prostatakarzinome richtig erkannt. Die Kombination ist auch verlässlicher. Beim alten PSA-Test haben von fünf positiv getesteten Männern zwei in Wahrheit gar keinen bösartigen Tumor, sind also falsch positiv. Bei der Kombination sinkt die Falsch-Positiven-Rate um die Hälfte auf eins zu fünf. Das sind vorerst aber nur Berechnungen aufgrund der alten Gewebeproben in der Biobank. Entscheidend ist nun, ob die Kombination aus altem und neuem Test bei einer großen Studiengruppe von älteren Männern tatsächlich verlässlich ein aggressives Prostatakarzinom feststellt.

    "Das bedeutet natürlich jahrelange Arbeit, aber ich glaube wir sind jetzt mit diesem Muster einen großen Schritt weiter um hier präzisere Voraussagen und Diagnosen zu stellen."