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Frühe Kunstfertigkeit

Paläoanthropologie. - Archäologen haben spanische Faustkeile neu datiert. Statt 500.000 Jahren, berichten sie in "Nature", seien diese 800.000 und 900.000 Jahre alt. Damit bezeugen sie, dass die Urmenschen dieser Zeit in Europa technisch versierter waren und vermutlich über die Straße von Gibraltar Austausch mit Afrika pflegten.

Von Michael Stang | 03.09.2009
    In den 1970er Jahren stießen Archäologen bei Ausgrabungen im Südosten Spaniens auf beidseitig bearbeitete Steinäxte. Ihrer filigranen und vergleichsweise modernen Form wegen schätzen die Forscher ihr Alter auf rund 100.000 Jahre. Genauer ging es damals nicht. Das Problem war jedoch, dass ähnliche Faustkeile in Afrika gefunden wurden, die mit Sicherheit wesentlich älter waren, sagt Luis Gibert aus dem kalifornischen Berkeley.

    "Es gab eine zeitliche Fundlücke zwischen den ersten Faustkeilen in Afrika und Europa von rund einer Million Jahren. Während die afrikanischen Werkzeuge bereits vor 1,5 Millionen Jahren entstanden, konnten die Funde in Europa nur auf maximal 500.000 Jahre datiert werden. Das ist unlogisch, irgendwo muss es einen Fehler gegeben haben. Wir haben uns daher die beiden Fundstellen in Spanien angeschaut, die bislang als 100.000 Jahre alt galten."

    Die vorliegenden indirekten Datierungen der Archäologen überzeugten den US-amerikanischen Geologen nicht. Klar war nur, dass die Forscher vor rund 40 Jahren nicht akkurat den zeitlichen Ursprung bestimmen konnten, weil es in Europa im Gegensatz zu Afrika kaum vulkanisches Gestein gibt, das sich zum Datieren mit Hilfe von radiometrischen Methoden eignet. Ein anderes Verfahren sollte es richten. Luis Gibert entschied sich für den so genannten Paläomagnetismus. Bei dieser Methode wird Gestein untersucht, das das einstige Erdmagnetfeld archiviert hat. Da sich dieses vor rund 800.000 Jahren umgepolt hat kann man leicht feststellen, ob das untersuchte Gestein einer Fundstelle älter oder jünger als 800.000 Jahre ist. Gibert:

    "Unsere Ergebnisse zeigen nun, dass beide Fundstellen wesentlich älter sind, nämlich knapp 800.000 bzw. 900.000 Jahre alt. Damit können wie die zeitliche Fundlücke der Faustkeile in Afrika und Europa auf eine halbe Million Jahre verringern."

    Also haben die Frühmenschen in Europa schon sehr viel länger mit Äxten gearbeitet als bislang angenommen. Der Fall müsse eine Warnung sein, bei Fundstellen nur anhand archäologischer Hinterlassenschaften vorschnell ein Alter festzulegen, mahnt der US-Forscher,

    "Wir sollten bei den Datierungen sehr vorsichtig sein, vor allem bei Fundstellen aus dem Mittelpleistozän, also vor knapp 800.000 Jahren, zumal die meisten nur über archäologische Fundstücke indirekt datiert werden. Bei unseren Fundstellen gab es diese tollen Faustkeile, aber das tatsächliche Alter wurde von den Archäologen gar nicht hinterfragt. Ihre Argumentation war einfach: die Werkzeuge sind so technisch versiert gefertigt, da können sie gar nicht älter sein. Aber das muss nicht zwangsläufig stimmen."

    Deshalb sei es auch wahrscheinlich, dass weitere Fundstellen in Europa älter sind als bislang gedacht. Da nun die ältesten Handäxte aus dem Südosten Spaniens stammen gebe dies Raum für neue Interpretationen, was frühe Migrationen und Werkzeugnutzung in Europa betrifft, sagt Luis Gibert. Bisher waren solche antiquierten Steinwerkzeuge nur aus Afrika, dem Nahen Osten und Asien bekannt.

    "Diese Ergebnisse könnten die Vermutung bestärken, dass die ersten Auswanderer von Afrika nach Europa vor allem über die Straße von Gibraltar gekommen sind. "

    Anhand der neuen Ergebnisse sind damit nicht nur Wanderungen zwischen den beiden Kontinenten über Gibraltar wahrscheinlicher, sondern auch schon der frühe Transfer von wichtigen Kulturgütern wie Faustkeile.