Beatrix Novy: Dass wir allesamt unserer Kultur aus Afrika kommen, ist Gemeingut geworden. Es ist schon vergessen, dass diese Erkenntnis doch mal einen gewissen Perspektivwechsel für eurozentrische Weltbild bedeutet hat. Ein Kontinent, in dem die menschliche Geschichte so äonentief hineingeschrieben ist, muss auch ein Eldorado der Archäologie sein. Andererseits ist kein anderer Kontinent in seiner Geschichtlichkeit so wenig bekannt wie der afrikanische. Für Afrika-Archäologen trifft das natürlich nicht zu. Sie haben in den letzten Jahrzehnten eine Vielfalt kultureller Entwicklungen aufgedeckt, von denen man zuvor kaum etwas wusste. Ab morgen treffen sie sich in Frankfurt, 250 von ihnen aus 30 Ländern und drei Tage dauert diese Weltkonferenz. Wir haben im unbekannten Terrain erst mal ganz bescheiden angefangen und fragten Peter Breunig von der Universität Frankfurt nach den Arbeitsgebieten der Afrika-Archäologie.
Peter Breunig: Das fächert sich weit auf, in Afrika weiter auf als in jedem anderen Kontinent. Wenn Sie bedenken, die Neue Welt wurde vielleicht ein bisschen vor 10.000 Jahren gerade besiedelt, Australien immerhin schon vor 50.000 Jahren. Und im Vergleich dazu hat Afrika Spuren menschlicher Kultur, die bis zweieinhalb Millionen Jahre zurückreichen. Wenn man die Entstehung der Menschheit oder die Urform des Menschseins erforschen will, dann muss man nach Afrika gehen. Und ein anderer wichtiger Einschnitt in der Geschichte Afrikas, die Entstehung unserer eigenen Art, mit großer Wahrscheinlichkeit war das so. Es gibt auch andere Theorien, die meinen, überall hat die moderne Menschheit sich aus denen entwickelt, die schon mal früher aus Afrika ausgewandert sind. Aber genetisch spricht vieles dafür, dass der anatomisch moderne Mensch, der Homo sapiens auch in Afrika entstanden ist und dass er dort bestimmte Verhaltensweisen entwickelt hat, die wir heute als unsere ureigensten Verhaltensweisen betrachten, symbolisches Verhalten beispielsweise, ein Gespür für Kunst kommt in der Zeit auf.
Das ist momentan ein sehr aktuelles Thema, auch hier in Europa, weil traditionell man immer noch glaubte, dass das Erwachen des menschlichen Geistes oder des menschlichen Bewusstseins eine Angelegenheit sei, die sich hier so im Beginn des Jungpaläolithikums, als der anatomisch moderne Mensch in Europa ankam, sich hier entfaltet hat. Man sprach dann von jungpaläolithischer Revolution, dann kommen die bekannten Höhlenbilder dazu, neuerdings hat man sogar Funde von Musikinstrumenten. Wenn man sich in Afrika weiter umschaut, dann entdeckt man, dass es auch dort Hinweise auf ein solch modernes kulturelles Verhalten gibt, es nur viel weiter zurück in die Zeit reicht.
Novy: Mit welchen Funden, mit welchen konkreten Funden verbinden sich denn Ihre Erkenntnisse zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, wie Ihnen zum Beispiel über die Entstehung von komplexen Gesellschaften, Entstehung unseres Bewusstseins, die Entstehung der Urform und der Kunst Auskunft geben?
Breunig: Wir suchen nach Siedlungsformen, nach Spuren im Boden, die einen Hinweis darauf geben, wie die Menschen sich in verschiedenen Zeiten organisiert hatten im Raum, wie ihre Siedlungen angelegt waren, wo sie im Raum angelegt waren, wie groß sie waren. Dazu hat man hier in Europa Verfahren entwickelt, die bislang in Afrika jetzt gerade so allmählich zum Einsatz kommen. Dazu gehören beispielsweise magnetische Prospektionen, die wir seit einigen Jahren, ich glaube, soweit ich es überblicke, als einzige in Afrika anwenden. Das ist wie eine Art Röntgenbild im Boden. Wir können auf die Weise zum Beispiel feststellen, dass in einer bestimmten Zeit Siedlungen plötzlich mit einem Graben umgeben waren, mit einem Graben, der ist mehrere Meter breit, mehrere Meter tief und bis zu einem Kilometer lang und umschließt ein Areal von zehn Hektar und mehr, dass plötzlich Siedlungen sehr groß werden, dass wir hier so eine Art kommunale Leistungen oder kommunale Arbeiten feststellen wie das Ausheben eines Grabens, was nicht in einer sehr kleinen Gemeinschaft gewesen sein kann, sondern hier muss eine koordinierte Arbeit von sehr vielen Menschen erfolgt sein, sodass man dann weiter spekulieren könnte, dass dahinter bereits eine Art von sozialer Differenzierung sich abgespielt hat. Soziale Unterschiede, die wir auch durch Spezialisierung in der Zeit erkennen. Manche Leute machen bestimmte Dinge eben besser als andere und spezialisieren sich darauf und leben dann von den Produkten ihrer Arbeit. Da gräbt man oft in Höhlen aus, in denen sich solche sensiblen Spuren eben besser erhalten haben. Und dort findet man Ablagerungen, in denen dann beispielsweise kleine Broteisenstückchen im Boden liegen, die bestimmte Abreibespuren zeigen, von denen man weiß, hier hat man Farbpigmente hergestellt, die man zur Fertigung von Farbe gebraucht hat, die Bedeutung insbesondere der roten Farbe lässt sich auf diese Weise erschließen.
Novy: Bei dieser Tagung treffen sich 250 Wissenschaftler aus aller Welt. Was werden denn wohl dieses Jahr, dieses Tagung findet ja regelmäßig statt, die heißen Themen, die an der vorderen Front sein?
Breunig: Das sind wahrscheinlich die, über die wir gerade sprachen. Ob das kulturelle moderne Verhalten des anatomisch modernen Menschen, ob das in Afrika seine Wurzeln hat, oder ob es sich in Mitteleuropa praktisch in Form einer Revolution eingestellt hat. Das ist eine relativ starke Truppe und wir haben hier auch mehrere Sektionen, die sich mit diesem Thema befassen. Aber eigentlich ist die Forschung in Afrika überall im Fluss.
Novy: Es gibt viele Möglichkeiten, Afrika anders zu sehen als in Katastrophenschlagzeilen. Das war Peter Breunig von der Frankfurter Uni über die Weltkonferenz der Afrika-Archäologen.
Peter Breunig: Das fächert sich weit auf, in Afrika weiter auf als in jedem anderen Kontinent. Wenn Sie bedenken, die Neue Welt wurde vielleicht ein bisschen vor 10.000 Jahren gerade besiedelt, Australien immerhin schon vor 50.000 Jahren. Und im Vergleich dazu hat Afrika Spuren menschlicher Kultur, die bis zweieinhalb Millionen Jahre zurückreichen. Wenn man die Entstehung der Menschheit oder die Urform des Menschseins erforschen will, dann muss man nach Afrika gehen. Und ein anderer wichtiger Einschnitt in der Geschichte Afrikas, die Entstehung unserer eigenen Art, mit großer Wahrscheinlichkeit war das so. Es gibt auch andere Theorien, die meinen, überall hat die moderne Menschheit sich aus denen entwickelt, die schon mal früher aus Afrika ausgewandert sind. Aber genetisch spricht vieles dafür, dass der anatomisch moderne Mensch, der Homo sapiens auch in Afrika entstanden ist und dass er dort bestimmte Verhaltensweisen entwickelt hat, die wir heute als unsere ureigensten Verhaltensweisen betrachten, symbolisches Verhalten beispielsweise, ein Gespür für Kunst kommt in der Zeit auf.
Das ist momentan ein sehr aktuelles Thema, auch hier in Europa, weil traditionell man immer noch glaubte, dass das Erwachen des menschlichen Geistes oder des menschlichen Bewusstseins eine Angelegenheit sei, die sich hier so im Beginn des Jungpaläolithikums, als der anatomisch moderne Mensch in Europa ankam, sich hier entfaltet hat. Man sprach dann von jungpaläolithischer Revolution, dann kommen die bekannten Höhlenbilder dazu, neuerdings hat man sogar Funde von Musikinstrumenten. Wenn man sich in Afrika weiter umschaut, dann entdeckt man, dass es auch dort Hinweise auf ein solch modernes kulturelles Verhalten gibt, es nur viel weiter zurück in die Zeit reicht.
Novy: Mit welchen Funden, mit welchen konkreten Funden verbinden sich denn Ihre Erkenntnisse zu dem, was Sie vorhin gesagt haben, wie Ihnen zum Beispiel über die Entstehung von komplexen Gesellschaften, Entstehung unseres Bewusstseins, die Entstehung der Urform und der Kunst Auskunft geben?
Breunig: Wir suchen nach Siedlungsformen, nach Spuren im Boden, die einen Hinweis darauf geben, wie die Menschen sich in verschiedenen Zeiten organisiert hatten im Raum, wie ihre Siedlungen angelegt waren, wo sie im Raum angelegt waren, wie groß sie waren. Dazu hat man hier in Europa Verfahren entwickelt, die bislang in Afrika jetzt gerade so allmählich zum Einsatz kommen. Dazu gehören beispielsweise magnetische Prospektionen, die wir seit einigen Jahren, ich glaube, soweit ich es überblicke, als einzige in Afrika anwenden. Das ist wie eine Art Röntgenbild im Boden. Wir können auf die Weise zum Beispiel feststellen, dass in einer bestimmten Zeit Siedlungen plötzlich mit einem Graben umgeben waren, mit einem Graben, der ist mehrere Meter breit, mehrere Meter tief und bis zu einem Kilometer lang und umschließt ein Areal von zehn Hektar und mehr, dass plötzlich Siedlungen sehr groß werden, dass wir hier so eine Art kommunale Leistungen oder kommunale Arbeiten feststellen wie das Ausheben eines Grabens, was nicht in einer sehr kleinen Gemeinschaft gewesen sein kann, sondern hier muss eine koordinierte Arbeit von sehr vielen Menschen erfolgt sein, sodass man dann weiter spekulieren könnte, dass dahinter bereits eine Art von sozialer Differenzierung sich abgespielt hat. Soziale Unterschiede, die wir auch durch Spezialisierung in der Zeit erkennen. Manche Leute machen bestimmte Dinge eben besser als andere und spezialisieren sich darauf und leben dann von den Produkten ihrer Arbeit. Da gräbt man oft in Höhlen aus, in denen sich solche sensiblen Spuren eben besser erhalten haben. Und dort findet man Ablagerungen, in denen dann beispielsweise kleine Broteisenstückchen im Boden liegen, die bestimmte Abreibespuren zeigen, von denen man weiß, hier hat man Farbpigmente hergestellt, die man zur Fertigung von Farbe gebraucht hat, die Bedeutung insbesondere der roten Farbe lässt sich auf diese Weise erschließen.
Novy: Bei dieser Tagung treffen sich 250 Wissenschaftler aus aller Welt. Was werden denn wohl dieses Jahr, dieses Tagung findet ja regelmäßig statt, die heißen Themen, die an der vorderen Front sein?
Breunig: Das sind wahrscheinlich die, über die wir gerade sprachen. Ob das kulturelle moderne Verhalten des anatomisch modernen Menschen, ob das in Afrika seine Wurzeln hat, oder ob es sich in Mitteleuropa praktisch in Form einer Revolution eingestellt hat. Das ist eine relativ starke Truppe und wir haben hier auch mehrere Sektionen, die sich mit diesem Thema befassen. Aber eigentlich ist die Forschung in Afrika überall im Fluss.
Novy: Es gibt viele Möglichkeiten, Afrika anders zu sehen als in Katastrophenschlagzeilen. Das war Peter Breunig von der Frankfurter Uni über die Weltkonferenz der Afrika-Archäologen.