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Früher als gedacht

Der Ausbau der erneuerbaren Energien ist eine Erfolgsgeschichte - alles geht schneller als erwartet. Der Umwelt-Sachverständigenrat der Bundesregierung hält bis zum Jahr 2050 eine Vollversorgung mit erneuerbaren Energien für möglich.

Von Verena Kemna |
    Um Deutschland bis zum Jahr 2050 zu hundert Prozent mit erneuerbaren Energien versorgen zu können, müssen die Laufzeiten für Atomkraftwerke nicht verlängert werden. Auch der Bau neuer Kohlekraftwerke ist nach den Berechnungen des Sachverständigenrates für Umweltfragen nicht notwendig. Olav Hohmeyer, Energieexperte des Rates, betont, dass das Potenzial an erneuerbaren Energien in Europa den Strombedarf heute und in Zukunft um ein Vielfaches übersteigt. Es gibt genug Strom aus erneuerbaren Energien, doch es fehlen die Speicherkapazitäten. Riesige Wasserkraftwerke in Norwegen zeigen, wie es funktionieren kann.

    "Das norwegische System ist insofern spannend, weil es nicht nur eine Talsperre gibt und dann gibt es einen Unterlauf und das Wasser läuft weg, sondern es gibt verbundene Talsperren, die untereinander verbunden sind und zwischen diesen Talsperren gibt es Fallrohre. Am Ende des Fallrohres ist die Turbine und dann geht das Wasser in die untere Talsperre. Den Prozess müssen sie nur rumdrehen. Sie müssen das Wasser nur einmal den Berg hoch pumpen wenn sie viel Wind haben und viel Sonne und dann haben sie den Wind und die Sonne gleich wieder im oberen See gespeichert."

    Das hochgepumpte Wasser wird im Wasserreservoir gesammelt. So lässt sich die Zeit, in der Wind und Sonnenenergie nicht zur Verfügung stehen überbrücken. In den Zukunftsszenarien für eine Stromversorgung in Deutschland setzt der Sachverständigenrat auf eine enge Zusammenarbeit mit Norwegen und Schweden.

    Olav Hohmeyer rechnet vor. Nur ein Drittel der norwegischen Kapazität würde ausreichen, um in Deutschland die größtmögliche Lücke bei der Stromversorgung durch Wind und Sonne zu füllen. Selbst wochenlange Windstille und Wintertage ohne Sonne wären dann kein Problem mehr. Damit dieses neue System funktionieren kann, muss Deutschland in neue Leitungen investieren, die mit Gleichstrom arbeiten, nicht wie derzeit üblich mit Wechselstrom. So ließen sich regenerative Energien viele hundert Kilometer weit transportieren.

    "Diese Leitungen brauchen sie von den norwegischen Wasserkraftwerken in Südnorwegen, die meisten sind in Südnorwegen, bis an die deutsche Küste und dann brauchen sie sowieso Leitungen, weil der große Teil der regenerativen Stromerzeugung in Deutschland kommt aus Windenergie. Für diese Windenergie brauchen sie dann wieder Leitungen um den Strom von der deutschen Nordseeküste ins Ruhrgebiet zu bringen, nach München zu bringen, nach Berlin zu bringen."

    Der Ausbau solcher Leitungsnetze und Speichersysteme ist die größte Herausforderung beim Übergang zu einer regenerativen Stromversorgung. Nach den Berechnungen des Sachverständigenrates, Investitionen die sich langfristig lohnen.

    "Insgesamt sprechen wir von Leitungskapazitäten in der Größenordnung von 40 Gigawatt. Das sind, sagen wir mal, 30/35 Kernkraftwerksgleichwerte. So viel Strom werden wir in den Zentren der regenerativen Erzeugung erzeugen können, und den müssen wir dann an jede Steckdose bringen. Dafür brauchen wir die Übertragungsleitungen."

    Mit einem gleichzeitigen Ausbau von Offshore-Windkraftanlagen könnte Deutschland schon in zehn Jahren die Hälfte des Strombedarfs mit regenerativen Energien erzeugen. Kleine Kraftwerke, die sich schnell hoch- und runter fahren lassen, sind die Zukunft. Verlängerte Laufzeiten für Atomkraftwerke, der Bau neuer Kohlekraftwerke sind für den Übergang zur erneuerbaren Stromversorgung nicht notwendig. Ein einstimmiges Ergebnis der Ratsmitglieder. Bei der Kostenrechnung punktet ein entsprechend erneuerter Kraftwerkpark in Deutschland langfristig. So steigen die Erzeugerkosten durch das neue System um etwa vier Cent pro Kilowattstunde. Vor dem Hintergrund, dass die Preise für konventionelle Energieträger wie Kohle, Öl und Gas ständig steigen, profitiert der Verbraucher von einer kompletten Umstellung auf regenerative Energien.

    "Wir gehen davon aus, dass wir zwischen 2030 und 2040 dauerhaft unter die Kosten der konventionellen Energie kommen mit dem neuen System."

    Kostengünstiger Klimaschutz ist technisch möglich, davon ist Energieexperte Olav Hohmeyer überzeugt.

    "Das größte Hindernis ist der mangelnde politische Wille, diese Entwicklung anzugehen und sich auf den Weg zu begeben."