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Früher Ausbruch

Archäometrie. – Das Verhältnis zwischen den frühen griechischen Kulturen der minoischen Zeit und der damals schon jahrtausendealten ägyptischen Hochkultur ist dunkel. Bislang benutzten die Archäologen den Ausbruch des Vulkans auf Santorin zur Datierung der frühgriechischen Kulturen und verlegten sie in die Zeit des beginnenden Mittleren Reiches in Ägypten. Neue Datierungen zeigen jetzt jedoch, dass die Zivilisation auf Santorin unterging, als Ägypten noch im Chaos der Zwischenzeit zwischen Altem und Mittlerem Reich verharrte. In der aktuellen "Science" berichten Forscher über ihre Erkenntnisse.

Von Michael Stang |
    So paradox es klingen mag, aber ein Vulkanausbruch kann ein Glücksfall sein - zumindest für Archäologen, da er einen Zeitpunkt exakt konserviert. Wann die Eruption auf der griechischen Insel Santorin aber genau war, darüber streiten seit Jahrzehnten Archäologen und Naturwissenschaftler. Die Archäologen datieren den Vulkanausbruch mit historischen Königslisten und astronomische Daten und grenzen ihn auf einen Zeitraum zwischen 1530 und 1500 vor Christus ein. Walter Friedrich von der Universität von Aarhus in Dänemark zweifelte seit langen an diesem Datum, aber erst jetzt kann er mit Daten seine Zweifel untermauern.

    "”Wir können jetzt zum ersten Mal den Vulkanausbruch exakt datieren, da wir direkt im Vulkangestein auf Santorin den Ast eines Olivenbaums gefunden haben, der lebend bei der Eruption verschüttet wurde. Damit hatten wir zum ersten Mal exzellent erhaltenes Material, an dem wir unsere Datierungen vornehmen konnten, denn alle bislang gefundenen organischen Materialien waren verrottet.""

    Mithilfe der Radio-Karbonmethode bestimmten die Geologen den C14-Gehalt, einer natürlichen Variante des Kohlenstoffs, mit der sich organische Materialien über den Zerfall der Kohlenstoffatome datieren lassen. Zudem konnten die Forscher über die Jahresringe im Holz die Zeit noch genauer eingrenzen. Friedrich:

    "Die ersten Messungen haben wir hier in Dänemark gemacht und sahen sofort, dass wir im Bereich der Eruption der späten Bronzezeit lagen. Da der Olivenbaum 72 Jahresringe hatte, konnten wir präzise Daten ermitteln. Dabei sahen wir, dass der Vulkan 100 Jahre früher ausbrach, als dies die ägyptische Zeitfolge angibt."

    Walter Friedrich konnte mit seinen Kollegen den Vulkanausbruch auf die Zeit zwischen 1627 und 1600 vor Christus datieren. Stimmen die Daten, die die Forscher mit einer Sicherheit von 95 Prozent angeben, so hätte dies Auswirkungen auf das bisherige Geschichtsbild der Archäologie, sagt auch Sturt Manning von der Cornell Universität in Ithaca:

    "”Bislang gingen eben viele Forscher davon aus, dass die kulturelle Entwicklung auf Santorin vom Mittleren Reich Ägyptens beeinflusst wurde. Wenn die neuen Daten tatsächlich stimmen, dann gab es den kulturellen Wandel auf der Insel aber schon vorher, das heißt der Einfluss kann nicht aus Ägypten gekommen sein, sondern aus der Levante. Damit müssen wir die Anfänge der griechischen Zivilisation überdenken.”"

    Demnach spielt Ägypten für Griechenland doch nicht so eine große Rolle, wie viele Archäologen bislang vermuteten, da die archäologischen Datierungen nicht mehr mit der kulturellen Entwicklung Santorins übereinstimmen. Die neuen Beweise werden viele Archäologen wahrscheinlich nicht so einfach hinnehmen, vermutet Sturt Manning.

    "”Da gibt es verschiedene Positionen: die einen sagen jetzt, es kann doch nicht sein, dass unsere Forschung der vergangenen 150 Jahre falsch war, nur weil ein paar Wissenschaftler neue Daten haben. Andere sehen, dass die Daten sauber sind, wissen aber, dass die neuen Daten auch neue Probleme bedeuten, die erst noch gelöst werden müssen.”"

    Überrascht hatte Sturt Manning und seine Kollegen jedoch nicht die Tatsache, dass die Zivilisation früher als gedacht einsetzte. Überrascht waren sie, wie exakt sie den Vulkanausbruch datieren konnten. Einen solchen Glücksfall - der Fund des gut erhaltenen Olivenbaums - hatten sie bislang für unmöglich gehalten. Manning:

    "”Natürlich bleiben noch ein paar Fragen offen. Das Spannende hier jedoch war, dass wir Annahmen widerlegen konnten, die im Laufe der letzten 100 Jahre zu vermeintlichen Fakten geworden sind. Ich denke, dass unsere Ergebnisse einen Anstoß geben, viele der alten Daten zu überprüfen.""