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Früher jagten wir die Energie zum Fenster raus

40 Prozent der weltweiten Energie werden in Gebäuden verheizt. Sie verbrauchen mehr Energie als Verkehr oder die Industrie, sagt eine Studie der Vereinten Nationen. Erst langsam beginnt man, das Energieeinsparpotenzial in diesem Bereich anzuzapfen.

Von Susanne Grüter |
    Speer: "Zurzeit wird ein Prozent des Bestandes pro Jahr saniert oder energieeffizient nachgerüstet, und wenn wir so weitermachen, brauchen wir dafür 100 Jahre, und dann stehen die Niederlande schon längst unter Wasser. Da müssen wir das Tempo bedeutend erhöhen."

    Albert Speer, weltweit renommierter Städteplaner und Architekt in Frankfurt.

    Künzel:"Die Baustandards, die wir haben, die müssen wir ganz klar verlassen, wir müssen einfach lernen, dass nicht das, was der Gesetzgeber vorgibt, das Beste ist, sondern dass wir noch viel mehr erreichen können, dass es auch wirtschaftlich ist."

    Kay Künzel, Architekt in der Nähe von Bonn, baut Plusenergiehäuser.

    Seo: "Der deutsche Normalbürger sieht das Energieeinsparpotenzial meistens in anderen Dingen, in kürzer Duschen zum Beispiel und denkt bei Energieeinsparung nicht direkt an das Haus, nicht an Wärmedämmung von Häusern."

    Hyewon Seo, kümmert sich beim Bundesverband der Verbraucherzentralen in Berlin um nachhaltiges Wohnen. Trotz aller Missstände - es herrscht Aufbruchstimmung bei Wissenschaftlern und Architekten. Das Bundesbauministerium fördert Forschungsprojekte. Verordnungen werden verschärft. Überall geben Energieberatungsstellen Tipps. Wer sein Haus sanieren will, bekommt günstige Kredite. Es gibt viele Ansätze, wie energieeffizientes Bauen in Zukunft aussehen könnte. Das A und O aber ist, Dach, Keller und Fassaden zu dämmen. Je nachdem, wie effizient Gebäude gebaut werden, unterscheidet man zum Beispiel zwischen Niedrig- und Nullenergiehäusern. Architekt Kay Künzel baut sogar Plusenergiehäuser, die nicht nur auf Öl und Gas verzichten. Dank Fotovoltaik auf dem Dach produzieren sie sogar soviel Strom, dass sie zusätzlich ins öffentliche Netz einspeisen können. Von außen sieht so ein Haus aus wie jedes andere. Kay Künzel:

    "Was die inneren Werte angeht, kann man sich so ein Gebäude vorstellen wie eine Thermoskanne, bedeutet: hoch isoliert, kaum noch Wärme, die nach außen verloren geht, bedeutet also auch kaum Energieverlust, und wenn ich keinen Verlust mehr habe, dann brauche ich auch keine großen Heizsysteme mehr, sondern ich komme mit kleinsten, einfachen Dingen aus, das heißt also Körperwärme, die Abwärme von elektronischen Geräten, beispielsweise auch von wenigen Kerzen, um das Gebäude im Winter auf angenehme Temperaturen zu bringen."

    Künzel dämmt mit Holz, baut spezielle Fenster ein, die dreifach verglast sind. Manchmal isoliert er den Keller auch mit einer 50-Zentimeter-Schicht aus aufgeblähtem Altglas, sogenanntem Glasschaumschotter. Doch auch die perfekteste Dämmung könnte nicht verhindern, dass Räume im Winter auskühlen, wenn jemand ein Fenster öffnet.

    "Also haben wir eine Wärmerückgewinnungsanlage, eine Lüftungsanlage, die die schlechte Luft absaugt und die Energie aus dieser abgesaugten Luft entzieht und einer gefilterten frischen Zuluft wieder zuführt, also wir verwenden unsere Energie, die einmal im Haus drin ist, zu 80 maximal 95 Prozent wieder zurück, und das führt natürlich dazu, dass wir sehr, sehr effiziente Gebäude haben, die nur einen ganz geringen Heizenergiebedarf haben."

    Klingt alles gut, aber wie steht es ums Geld? Man sollte nicht allein auf die Anschaffungskosten schauen, rät Kay Künzel.

    "Der entsprechende Verbraucher muss sich einfach nur überlegen, möchte er einen Vertrag abschließen mit einem Energieversorger, wo er nicht weiß, was ihm im nächsten Jahr an Stromrechnung ins Haus flattert, oder sagt er, ich investiere in eine Anlage, die den Strom selbst produziert, und schließt dafür beispielsweise einen Bankkredit ab. Der ist langfristig vernünftig planbar, das kann man kalkulieren, was da auf einen zukommt. Und irgendwann ist die Anlage bezahlt, und damit ist natürlich der entsprechende dritte Lebensabschnitt, nämlich die Rente umso mehr versüßt, weil man sich dann um seine Energiekosten keine Gedanken machen muss."

    Energiekosten senken dank guter Isolierung, die nicht nur die Wärme im Haus hält, sondern auch vor Hitze schützt. Ein Forscherteam des Fraunhofer Instituts für Solare Energiesysteme in Freiburg hat zum Beispiel eine Art Öko-Klimaanlage entwickelt. "Mikronal" heißt der Baustoff. Diese Erfindung hat beim Zukunftspreis 2009 am 2. Dezember zwar nicht den ersten Platz geholt, aber viel Beachtung gefunden. Dem Zement oder Mörtel werden winzige Kügelchen aus Acrylglas beigemischt. Der Clou: Darin haben die Forscher Wachströpfchen, also Paraffin eingepresst. Volker Wittwer vom Fraunhofer Institut:

    "Wenn jetzt die Temperatur steigt, dann fängt das Paraffin zu schmelzen an, und es bleibt konstant auf 23 Grad, das ist die Schmelztemperatur, und der Raum bleibt auf dieser Temperatur. Mit der Nachtluft wird es heruntergekühlt, das Paraffin wird wieder fest, und die Wand ist sozusagen für den nächsten Tag präpariert."

    Das Wachs absorbiert also tagsüber die Wärme und gibt sie nachts wieder ab, sorgt für ein ausgeglichenes Klima - ohne Strom, ohne CO2-Ausstoß. Grünes Bauen findet langsam immer mehr Anhänger. Hyewon Seo vom Bundesverband der Verbraucherzentralen bestätigt das:

    "Die Kommunen engagieren sich mittlerweile sehr für Klimaschutz und Energieeinsparung. Manche Kommunen haben sich ja schon ein konkretes Ziel gesetzt, bis zum Jahr 2030 CO2-frei zu werden. Das nenne ich schon sehr ambitioniert."

    Die Stadt Frankfurt zum Beispiel lässt alle neuen Gebäude nur noch energieeffizient bauen. Städteplaner Albert Speer erwartet, dass das bald Standard sein wird:

    "Die Stadt selbst wird, was den öffentlichen Raum angeht und das Aussehen der Gebäude, sich nicht wesentlich von dem unterscheiden, was wir heute haben. Es wird wieder mehr in den Städten gewohnt werden. Es wird eine Mischung unterschiedlicher Funktionen geben. Und es wird auch eine Aufwertung des öffentlichen Raumes dabei sein."

    Man wird die Ressourcen für einen Hausbau bewusster einsetzen und hauptsächlich Baustoffe nutzen, die recycelfähig sind. Nachhaltiges Bauen heißt die Devise, und dazu müssen alle an einen Tisch. Albert Speer:

    "Wir arbeiten mit Universitäten zusammen, wir arbeiten mit Instituten zusammen, wir haben unterschiedliche Fachleute auch selber hier im Büro, und selbstverständlich ist es so, dass man in einer Stadt wie Köln oder auch in Frankfurt auch die Bürger mitnehmen muss, denn ein großer Teil der Veränderungen betrifft ja privates Eigentum."