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Frühgeburt

Auch dieser Winter war deutlich zu warm, und die Tierwelt scheint sich allmählich an den Klimawandel zu gewöhnen. Zum Beispiel die Störche, die immer früher aus ihren Winterquartieren zurückkehren - und zum Teil weniger weit in den Süden fliegen. Im schleswig-holsteinischen Bergenhusen kümmert sich der Naturschutzbund darum, den Störchen gute Lebensbedingungen zu verschaffen, damit die in den vergangenen Jahrzehnten geschrumpften Bestände sich wieder erholen können.

Von Annette Eversberg |
    In Bergenhusen im Niederungsgebiet von Eider und Treene in Schleswig-Holstein dreht sich alles um den Storch. Helmut Schriever sorgt regelmäßig dafür, dass der Storch auf seinem Dach ein annehmbares Nest vorfindet:

    " Alle drei Jahre, je nach dem, wie das Nest aussieht, wird es restauriert. Trocken gemacht, neues Reisigmaterial kommt oben drauf, damit die Störche wieder Halt bekommen, wenn sie mit neuem Nistmaterial kommen. "

    15 Paare werden in diesem Jahr erwartet. Zwei sind bereits da. Ein leichter Aufwärtstrend, wie auch in Bayern. Dort wurden 2007 insgesamt 162 Storchenpaare gezählt. 20 mehr als im Jahr zuvor. Jeder Zuwachs ist für den Weißstorchschutz ein Gewinn. Denn der Bestand ist in Deutschland deutlich zurückgegangen. Der Naturschutzbund Deutschland hat eine Bestandsaufnahme der letzten 100 Jahre gemacht. Seit 1907, als der preußische Amtsvorgänger des heutigen Bundesamtes für Naturschutz mit den ersten Schätzungen begann. Genaue Bestandsaufnahmen gab es dann in den 30er Jahren. Kai Thomsen vom Michael-Otto-Institut in Bergenhusen:

    " Wir haben exakte Zahlen über den Weißstorchbestand von 1934 für Deutschland in den heutigen Grenzen. Und dann brüteten etwa 9000 Paare, und wir haben in den vergangenen Jahren etwa 4000 bis 4500 Paare. Also der Bestand hat sich mehr als halbiert. "

    Den Hauptgrund, warum sich der Storchenbestand in Deutschland halbiert hat, sehen die Naturschützer in der Veränderung der Landschaft:

    " Grünland wurde großräumig begradigt. Die Flussläufe wurden begradigt. Und das hat natürlich dazu geführt, dass der Lebensraum verloren ging, feuchte Wiesen, Flussauen, die sehr nahrungsreich sind. Und dort, wo wir das heute noch haben, in der Elbtalaue und im Spreewald haben wir sehr hohe Dichten des Weißstorchbestandes. So brüten allein mehr als 1000 Weißstorchenpaare in Brandenburg. "

    Das ist etwa ein Viertel des Gesamtbestandes. Auch in Schleswig-Holstein brüteten einmal 5 Prozent aller Weißstörche Deutschlands. Seitdem ist der Bestand sogar um ganze 90 Prozent gesunken. Gleichzeitig gab es in den Überwinterungsgebieten des Weißstorchs in Afrika immer wieder Probleme. Kai-Michael Thomsen:

    " So wissen wir, dass in den 80er Jahren eine große Dürre im Sahel herrschte. Und dieses hat dazu geführt, dass der west ziehende Bestand des Weißstorchs fast zusammengebrochen ist. Mittlerweile hat sich das wieder erholt. Wir haben vergleichsweise stabile Regenfälle im westlichen Sahel. Und darüber hinaus hat sich die Zugstrategie der west ziehenden Population geändert. Ein Großteil der Störche überwintert bereits in Spanien und Portugal und ernährt sich dort hauptsächlich von Reisfeldern und Mülldeponien. "

    Das Nahrungsangebot und der Lebensraum spielen bei den Weißstörchen die entscheidende Rolle. Überlegungen, die Elbe zu kanalisieren, weil die Binnenschifffahrt in Trockenzeiten Probleme bekommt, könnte den Bestand stark beeinträchtigen. Das hat die NABU-Studie der letzten 100 Jahre gezeigt. Auch Pläne, die Mülldeponien in Spanien abzudecken, könnte den Störchen die Nahrungsgrundlage entziehen. Andererseits verbessert sich die Situation, wenn die Lebensräume wiederhergestellt werden.

    Dass die Störche in Bergenhusen nicht nur gut, sondern auch sicher leben können, dafür haben Maßnahmen gesorgt, den Stromtod durch Oberleitungen zu verhindern. Eine der häufigsten Verlustursachen im Brutgebiet, betont Kai-Michael Thomsen:

    " Der NABU hat eine Bundesarbeitsgruppe, die sich mit diesem Thema befasst. Dort wurde erreicht, dass die Entschärfung von Stromleitungen als Verpflichtung in das Bundesnaturschutzgesetz aufgenommen worden ist. In Bergenhusen rundherum werden Sie keine freie Oberleitung mehr finden. Und das hat dazu geführt, dass wir hier kaum noch Stromtodverluste haben. "