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Frühkindliche Sprachförderung bleibt Sorgenkind

Die Bundesregierung hat Integration zur "Schlüsselaufgabe" erklärt. Die Verbesserung frühkindlicher Sprachförderung stand dabei stets oben auf der Agenda. Doch die Programme greifen nicht.

Von Dorothea Jung |
    Zwei Diagnosen: Immer mehr Kinder leiden an Sprach- und Sprechstörungen. Das geht aus einer neuen Erhebung der Krankenkasse Barmer/GEK hervor. Besonders stark betroffen: Kinder aus Zuwandererfamilien. Und: Die Bundes-Programme zur frühkindlichen Sprachförderung greifen schlecht. Das ist das Fazit einer Studie des Berlin-Instituts. Dabei hatte sich Bundesfamilienministerin Kristina Schröder 2010 doch so viel vorgenommen.

    "Mit der Förderung von Kindern aus bildungsfernen Schichten müssen wir viel früher anfangen als bisher ... Deshalb werde ich die Offensive "Frühe Chancen" starten. Bis 2014 investieren wir rund 400 Millionen Euro in bis zu 4 000 Schwerpunkt-Kitas zur Sprach- und Integrationsförderung."

    Die Offensive "Frühe Chancen" war einer der Punkte, mit dem die Regierung Vorgaben aus dem Nationalen Integrationsplan umgesetzt hat.

    "Guten Morgen liebe Kinder, Guten Morgen, liebe Biggi … "

    Für 4000 Kindertagesstätten in sogenannten Brennpunktvierteln mit vielen Einwandererfamilien bedeutete die Offensive: Drei Jahre haben teilnehmende Kitas eine halbe Erzieher-Stelle zusätzlich – und außerdem wird eine Weiterbildung zur Sprachförderfachkraft finanziert.

    "Es ist gut, dass es das Programm gibt, aber es ist eben ein Tropfen auf den heißen Stein. Es ist zu wenig."

    So urteilt Ramona Bischert. Sie hat an der Weiterbildung teilgenommen und leitet die evangelische Silas-Tagesstätte in Berlin Schöneberg. Hier trifft man Kinder aus acht Nationen. Insgesamt kommen 60 Prozent aus Zuwandererfamilien. Die Kinder der Silas-Tagesstätte werden bei allen Alltagshandlungen sprachlich unterstützt, nicht nur in den Gruppenstunden, wenn Wochentage, Jahreszeiten oder die Uhr gelernt wird. Der Kita-Besuch soll den Kindern nach Möglichkeit ein "Sprachbad" in deutscher Sprache bieten. "Eine richtige Forderung der Erziehungswissenschaft", sagt Tagesstättenleiterin Ramona Bischert, "aber schwierig zu verwirklichen".

    "Momentan geht es bei uns. Wir hatten eben auch schon Zeiten, wo wir von Migrantenfamilien eben 70 Prozent türkische Familien haben, und dann ist natürlich auch kein Sprachbad mehr möglich, weil die dann natürlich in ihrer Muttersprache auch hier sprechen. Wir versuchen, dass Deutsch als unsere gemeinsame Sprache da ist. Das funktioniert aber nur, wenn viele verschiedene Nationalitäten oder überwiegend deutsche Kinder in der Einrichtung sind."

    Damit die frühkindliche Sprachförderung effektiver wird, müsste es nach Meinung von Ramona Bischert mehr Personal geben und mehr Fortbildung. Kompetenteres Kita-Personal mahnen die Autoren des Berlin-Instituts in ihrer Studie ebenfalls an. Und auch Eduard Heußen, der sich in Berlin mit Community-Coaching für Bildungsinstitutionen befasst.

    "Sie sind in Gruppen mit 20 Kindern, die fast alle kein Deutsch sprechen, und wenn sie da keine Spezialausbildung haben, wie sie den Kindern die deutsche Sprache beibringen können, dann haben die Kinder auch nicht viel davon."

    Der jetzt vorgestellte "Aktionsplan Integration" hat sich erneut vorgenommen, die Aus- und Fortbildung von Erzieherinnen und Erziehern zu fördern. Da diese Aufgabe aber in die Zuständigkeit der Länder fällt, kann der Bund nur unterstützende Maßnahmen offerieren. Sechs Millionen Euro sind dafür angesetzt. Legt man das Urteil der Fachleute zugrunde, dann ist das nicht genug.