Auf der Werkbank liegt ein Blech, das behutsam die Form einer Motorhaube annimmt. In der Mitte der Halle ist der dazugehörige Kabinenroller aufgebockt – mit allem drum und dran 250 Kilogramm schwer. Noch fehlen Reifen und Motor.
Angefangen hat Oliver Herbolzheimer 1992. Im alten Oldenburger Bundesbahn-Ausbesserungswerk übernahm er die Halle, in der früher die Radsätze der
Eisenbahnwaggons überholt wurden. So ist die Firma zu ihrem Namen gekommen: Radsatzwerkstatt.
Herbolzheimer hielt noch daran fest, als er ein paar Jahre später in den Oldenburger Stadthafen umzog, in die Rohrschlosserei einer ehemaligen Werft.
Oliver Herbolzheimer ist Jahrgang 1957. In seinen Kindheitstagen gehörten die urigen Vehikel noch zum Straßenbild. Damals ging das Gerücht, man habe aus der Not eine Tugend gemacht und die Restbestände der Flugzeugproduktion zu Kabinenroller umfunktioniert:
"Die Anekdote macht immer die Runde und lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Aber es stimmt so nicht. Messerschmidt, Heinkel, Dornier, die durften nach dem Krieg keine Flugzeuge bauen. Sie mussten sich irgendwelche anderen Produkte suchen, wo sie ihre Fertigungsanlagen mit auslasteten. Heinkel hat eine Kabine gebaut, auch einen Motorroller, Dornier hat sich auch versucht an der Entwicklung des Dornier Delta, wo ja dann der Zündapp Janus daraus entstanden ist. Die Ähnlichkeit resultiert aus der ähnlichen Problemstellung. Sie wollten einen möglichst geringen Luftwiderstand haben, eine möglichst leichte Kabine und große Helligkeit. Da kommt man auf die Lösung mit dieser Plexiglaskuppel."
Seit 1953 wurden die Kabinenroller in Regensburg gebaut. Zunächst mit einem 175-Kubikzentimeter-Motor. 1955 folgte der Kabinenroller 200 mit stärkerem Motor und ein wenig größeren Reifen. Höchstgeschwindigkeit immerhin 90 Kilometer pro Stunde. Die Krönung war die Halbliter-Maschine auf vier Rädern, 20 PS stark, hydraulische Bremsen und 130 Kilometer pro Stunde schnell. Ein Porsche 356 war damals mit 145 Kilometer pro Stunde zugelassen. Von dem Tiger, wie der schnelle Kabinenroller hieß, wurden allerdings nur 320 Stück gebaut. Einige davon hat Oliver Herbolzheimer schon in seiner Werkstatt gesehen. 80.000 Euro zahlen Liebhaber heute für ein gut restauriertes Exemplar.
Oliver Herbolzheim trägt grüne Latzhose und blauen Kapuzenpulli. Der grau melierte Dreitage-Bart und die ein wenig zersausten Haare runden das Bild des leidenschaftlichen Restaurator ab. Gegenüber dem englischen Sportwagen mit Rechtslenkung steht ein Maybach-Coupe – Baujahr 1938, sechs Zylinder, 3,8 Liter Hubraum, 140 PS, zwei Tonnen Leergewicht. Eine mächtige, ausladende Karosse mit zwei Türen:
"Maybach hat nur zwei Coupes gebaut, zwei Zweitürer. Das ist der kleinste Maybach, den Sie kriegen können. Und der ist so groß, dass er ganz schön im Weg steht."
Seit einem drei viertel Jahr parkt das Auto in der Werkstatt von Oliver Herbolzheimer. Der Besitzer hat den Oldtimer in Lettland aufgetrieben. Das Pedalwerk musste nachgebaut werden; Tank und die komplette Auspuffanlage fehlen noch. Konstruktionsunterlagen und Schaltpläne bringt in der Regel der Kunde mit. Andernfalls, meint Herbolzheimer, müsste er sich selbst auf die Suche machen. Das könnte Wochen dauern. Wer will das schon bezahlen?
"Das ist ein Zündapp Janus. Der Janus, der so heißt, weil er eben dieses Janusköpfige hat, vorne wie hinten. Da geht vorne die Tür auf und hinten auch. Und die Leute sitzen Rücken an Rücken. Die Mitfahrer gucken nach hinten raus."
Oliver Herbolzheimer hat eine Vorliebe für die fahrbaren, skurrilen Untersätze aus den Anfängen der bundesdeutschen Erfolgsgeschichte. Die ersten Wohlstandsblüten ließen damals das karge Leben in Trümmern, Not und Hunger der unmittelbaren Nachkriegsjahre langsam vergessen. Billig mussten die ersten Rollermobile sein, und sie basierten auf Motorradtechnik. Das Dach über dem Kopf nahm mitunter eigenwillige Formen an. Wie beim Zündapp Janus – Vorder- und Hinterteil sind spiegelgleich. Der Motor liegt in der Mitte, zwischen Vorder- und Rücksitzbank, und hüllt die Kabine in lautes Dröhnen. Vorführen kann es Oliver Herbolzheimer nicht. Der Zündapp Janus mit stilechten Weißwandreifen und zweifarbiger Lackierung steht wegen Motorschadens in seiner Werkstatt.
Auf leisen Sohlen kam keines der kleinen Autos aus den 50er-Jahren daher. Man hatte sich aufs Wesentliche beschränkt – der Messerschmitt Kabinenroller machte da keine Ausnahme. Seinen Einzylinder-Zweitakter-Motor hörte man von Weitem. Bei den späteren Modellen gab es zumindest Pedalen für Kupplung, Bremse und Gas. Statt eines Lenkrades blieb es jedoch beim Steuerhorn:
"Die haben auch das Lenkgetriebe gespart. Die haben gar kein Lenkgetriebe, das ist eine ganz direkte Lenkung, das geht über einen Hebel direkt auf die Spurstange und die Vorderräder. Ich muss das Lenkrad nicht drehen, sondern nur einschlagen links und rechts. Letztendlich wie eine Lenkstange am Motorroller."
Es ging noch genügsamer und anspruchsloser. Vor der Zeit der Kleinstwagen, von dem der Messerschmitt Tiger das Nonplusultra darstellt, stand die Ära der Zweiräder. Der Vorläufer des Goggomobils war der Goggoroller. Ganz hinten in der Werkstatt von Oliver Herbolzheimer ist einer zu sehen, ein Prachtexemplar mit Beiwagen und kleinem Anhänger:
"Wenn man jetzt mit dem Roller mit Frau, Kind und Zelt und Luftmatratze nach Italien fuhr, dann wurde der Platz knapp und da war man um so einen Anhänger ganz glücklich. Da fehlen jetzt ein paar Teile. Der Gasdrehgriff fehlt, der Tachometer, der Scheinwerfer, das Zündschloss fehlt, die Reserveradhalterung fehlt. Ich habe eine ganz lange Liste, was da fehlt. Das meiste ist zu beschaffen. Und was es nicht gibt, muss man eben haltmachen. Dafür sind wir denn da."
Angefangen hat Oliver Herbolzheimer 1992. Im alten Oldenburger Bundesbahn-Ausbesserungswerk übernahm er die Halle, in der früher die Radsätze der
Eisenbahnwaggons überholt wurden. So ist die Firma zu ihrem Namen gekommen: Radsatzwerkstatt.
Herbolzheimer hielt noch daran fest, als er ein paar Jahre später in den Oldenburger Stadthafen umzog, in die Rohrschlosserei einer ehemaligen Werft.
Oliver Herbolzheimer ist Jahrgang 1957. In seinen Kindheitstagen gehörten die urigen Vehikel noch zum Straßenbild. Damals ging das Gerücht, man habe aus der Not eine Tugend gemacht und die Restbestände der Flugzeugproduktion zu Kabinenroller umfunktioniert:
"Die Anekdote macht immer die Runde und lässt sich nicht aus der Welt schaffen. Aber es stimmt so nicht. Messerschmidt, Heinkel, Dornier, die durften nach dem Krieg keine Flugzeuge bauen. Sie mussten sich irgendwelche anderen Produkte suchen, wo sie ihre Fertigungsanlagen mit auslasteten. Heinkel hat eine Kabine gebaut, auch einen Motorroller, Dornier hat sich auch versucht an der Entwicklung des Dornier Delta, wo ja dann der Zündapp Janus daraus entstanden ist. Die Ähnlichkeit resultiert aus der ähnlichen Problemstellung. Sie wollten einen möglichst geringen Luftwiderstand haben, eine möglichst leichte Kabine und große Helligkeit. Da kommt man auf die Lösung mit dieser Plexiglaskuppel."
Seit 1953 wurden die Kabinenroller in Regensburg gebaut. Zunächst mit einem 175-Kubikzentimeter-Motor. 1955 folgte der Kabinenroller 200 mit stärkerem Motor und ein wenig größeren Reifen. Höchstgeschwindigkeit immerhin 90 Kilometer pro Stunde. Die Krönung war die Halbliter-Maschine auf vier Rädern, 20 PS stark, hydraulische Bremsen und 130 Kilometer pro Stunde schnell. Ein Porsche 356 war damals mit 145 Kilometer pro Stunde zugelassen. Von dem Tiger, wie der schnelle Kabinenroller hieß, wurden allerdings nur 320 Stück gebaut. Einige davon hat Oliver Herbolzheimer schon in seiner Werkstatt gesehen. 80.000 Euro zahlen Liebhaber heute für ein gut restauriertes Exemplar.
Oliver Herbolzheim trägt grüne Latzhose und blauen Kapuzenpulli. Der grau melierte Dreitage-Bart und die ein wenig zersausten Haare runden das Bild des leidenschaftlichen Restaurator ab. Gegenüber dem englischen Sportwagen mit Rechtslenkung steht ein Maybach-Coupe – Baujahr 1938, sechs Zylinder, 3,8 Liter Hubraum, 140 PS, zwei Tonnen Leergewicht. Eine mächtige, ausladende Karosse mit zwei Türen:
"Maybach hat nur zwei Coupes gebaut, zwei Zweitürer. Das ist der kleinste Maybach, den Sie kriegen können. Und der ist so groß, dass er ganz schön im Weg steht."
Seit einem drei viertel Jahr parkt das Auto in der Werkstatt von Oliver Herbolzheimer. Der Besitzer hat den Oldtimer in Lettland aufgetrieben. Das Pedalwerk musste nachgebaut werden; Tank und die komplette Auspuffanlage fehlen noch. Konstruktionsunterlagen und Schaltpläne bringt in der Regel der Kunde mit. Andernfalls, meint Herbolzheimer, müsste er sich selbst auf die Suche machen. Das könnte Wochen dauern. Wer will das schon bezahlen?
"Das ist ein Zündapp Janus. Der Janus, der so heißt, weil er eben dieses Janusköpfige hat, vorne wie hinten. Da geht vorne die Tür auf und hinten auch. Und die Leute sitzen Rücken an Rücken. Die Mitfahrer gucken nach hinten raus."
Oliver Herbolzheimer hat eine Vorliebe für die fahrbaren, skurrilen Untersätze aus den Anfängen der bundesdeutschen Erfolgsgeschichte. Die ersten Wohlstandsblüten ließen damals das karge Leben in Trümmern, Not und Hunger der unmittelbaren Nachkriegsjahre langsam vergessen. Billig mussten die ersten Rollermobile sein, und sie basierten auf Motorradtechnik. Das Dach über dem Kopf nahm mitunter eigenwillige Formen an. Wie beim Zündapp Janus – Vorder- und Hinterteil sind spiegelgleich. Der Motor liegt in der Mitte, zwischen Vorder- und Rücksitzbank, und hüllt die Kabine in lautes Dröhnen. Vorführen kann es Oliver Herbolzheimer nicht. Der Zündapp Janus mit stilechten Weißwandreifen und zweifarbiger Lackierung steht wegen Motorschadens in seiner Werkstatt.
Auf leisen Sohlen kam keines der kleinen Autos aus den 50er-Jahren daher. Man hatte sich aufs Wesentliche beschränkt – der Messerschmitt Kabinenroller machte da keine Ausnahme. Seinen Einzylinder-Zweitakter-Motor hörte man von Weitem. Bei den späteren Modellen gab es zumindest Pedalen für Kupplung, Bremse und Gas. Statt eines Lenkrades blieb es jedoch beim Steuerhorn:
"Die haben auch das Lenkgetriebe gespart. Die haben gar kein Lenkgetriebe, das ist eine ganz direkte Lenkung, das geht über einen Hebel direkt auf die Spurstange und die Vorderräder. Ich muss das Lenkrad nicht drehen, sondern nur einschlagen links und rechts. Letztendlich wie eine Lenkstange am Motorroller."
Es ging noch genügsamer und anspruchsloser. Vor der Zeit der Kleinstwagen, von dem der Messerschmitt Tiger das Nonplusultra darstellt, stand die Ära der Zweiräder. Der Vorläufer des Goggomobils war der Goggoroller. Ganz hinten in der Werkstatt von Oliver Herbolzheimer ist einer zu sehen, ein Prachtexemplar mit Beiwagen und kleinem Anhänger:
"Wenn man jetzt mit dem Roller mit Frau, Kind und Zelt und Luftmatratze nach Italien fuhr, dann wurde der Platz knapp und da war man um so einen Anhänger ganz glücklich. Da fehlen jetzt ein paar Teile. Der Gasdrehgriff fehlt, der Tachometer, der Scheinwerfer, das Zündschloss fehlt, die Reserveradhalterung fehlt. Ich habe eine ganz lange Liste, was da fehlt. Das meiste ist zu beschaffen. Und was es nicht gibt, muss man eben haltmachen. Dafür sind wir denn da."