Wenn einer von der Straße kommt, dann verschafft ihm das beim Establishment Aufmerksamkeit, wenn nicht Bewunderung. Mit Jean-Michel Basquiats Street Credibility ist es aber so eine Sache: zwar hat er als 16-Jähriger, zusammen mit einem Freund, in Downtown antirassistische Botschaften an die Hauswände gesprüht und selbstbemalte T-Shirts verkauft; aber er war dann bald Mitglied der hippen New Yorker Disko-Szene, turtelte mit Madonna, spielte in der Band "Grey", drehte einen Film – und malte und zeichnete, was er seit seiner Kindheit manisch tat.
Wahr ist offenbar auch, dass Basquiat als Kind von seiner Mutter ständig durch die Museen geschleift wurde; er war im MoMa mindestens so zu Hause wie später in den Clubs. Als er Anfang der 1980er-Jahre mit dem Malen begann, hatte er eine seriöse Seh-Schule hinter sich – sagt der Basler Kurator Dieter Buchhart; Basquiats Bezug auf Wand-Malerei und Straßenkunst ist also durchaus strategisch gewählt.
"Das Thema Wand ist ja ein Thema, das sich auch weiterhin durchzieht. Immer wieder in unterschiedlicher Form: indem er Bretter verwendet, die auch ein Zaun sein könnten, indem er die Leinwand so markiert, als wenn sie eine Wand wäre, das bleibt ein Thema. Und doch war Basquiat nie ein Straßenkünstler oder Graffiti-Künstler. Die Graffiti-Künstler haben seine Graffiti nie als solche akzeptiert, und die Kunst-Community in New York dachte damals, bevor man wusste, wer das machte, dass das ein White Conceptual Artist ist."
Es ist in der chronologisch gehängten Ausstellung in der Fondation Beyeler relativ leicht, die kunsthistorischen Bezüge zu benennen: natürlich ist Basquiat fasziniert von Picassos verdrehten Körpern und Dubuffets kindlich konzipierten Figuren, natürlich hat er Cy Twomblys Kratzspuren und Wortmalereien gesehen und Rauschenberg Combine-Paintings gekannt.
Und trotzdem hat diese Malerei eine ganz eigene, archaische Kraft, die mit den seit den 80igern modischen Vokabeln des Samplings und Scratchings nur unzureichend beschrieben ist. Es ist eine Mischung aus Naivität und Verzweiflung, die aus diesen Bildern spricht; und der in den USA damals allpräsente Rassismus spielt darin eine Hauptrolle.
Die bestens bestückte Retrospektive konzentriert sich vor allem auf Basquiats Kreativitäts-Schub im Jahr 1982; vorher hatte er Kühlschränke bemalt und Cadillacs und Musiktitel auf Leinwand gebracht. Dann aber setzt eine surreale figurative Expressivität ein, die Köpfe als Landschaften begreift, Horrorgestalten vor Häuserschluchten, schwarze Gerippe, Uniformen. Es ist, als hätten alte Stammeskulturen von New York Besitz ergriffen: ein manisches, mäanderndes Zeichnen (meist mit Acryl und Ölkreide), Täter und Opfer in einem Bild, Anbetung der schwarzen Box-Weltmeister als Leitfiguren der Emanzipation.
Natürlich kann man stilistische Phasen unterscheiden: Es gibt relativ leere und dann übervolle Bilder; ab 1983 drängt die Schrift in den Raum, naive Anatomien verschaffen sich Platz, riesige Leinwände wölben sich skulptural auf, Fensterläden werden bemalt und zu Triptychen und Altären zusammengesetzt. Wir befinden uns hier in einem Spielzeugladen der Brutalgesellschaft –die Bildaufteilung ist die von Underground-Comics, die Farben aber wirken ungebrochen optimistisch und schrill. Es ist ungewiss, ob das mit Basquiats ansteigendem Drogenkonsum zusammenhängt; seine Arbeitsweise war offenbar äußerst reflektiert.
"Das war ein sehr lässiger, gar nicht so explosiver Arbeitsprozess, wo er sozusagen langsam das Bild aufgebaut hat. Viele dieser Bilder haben 10, 15 Schichten übereinandergelegt, wobei er immer die untenliegende Schicht sichtbar lässt."
Die Ausstellung bevorzugt eine weite, schöne Hängung und verdichtet einzelne Themen in Kabinetten. Basquiat, der erste farbige Maler mit Welterfolg, zeigt uns den geschundenen Schwarzen, der irgendwann ertrinkt in einem Aquarium von kryptischen Worten. Seine Zusammenarbeit mit Warhol, kurz gestreift am Ende der Ausstellung, ist dann weniger überzeugend: es sind Hybrid-Bilder zwischen Konsum-Pop und Basquiats expressiver Kraft. Schließlich hebt der Tod den Finger: in den letzten Bildern, 1988, fliegen schon die Knochen aus dem Körper heraus. Jean-Michel Basquiat hat teuer bezahlt: ein kurzes, intensives Leben. Er wäre jetzt erst 50 Jahre alt.
Wahr ist offenbar auch, dass Basquiat als Kind von seiner Mutter ständig durch die Museen geschleift wurde; er war im MoMa mindestens so zu Hause wie später in den Clubs. Als er Anfang der 1980er-Jahre mit dem Malen begann, hatte er eine seriöse Seh-Schule hinter sich – sagt der Basler Kurator Dieter Buchhart; Basquiats Bezug auf Wand-Malerei und Straßenkunst ist also durchaus strategisch gewählt.
"Das Thema Wand ist ja ein Thema, das sich auch weiterhin durchzieht. Immer wieder in unterschiedlicher Form: indem er Bretter verwendet, die auch ein Zaun sein könnten, indem er die Leinwand so markiert, als wenn sie eine Wand wäre, das bleibt ein Thema. Und doch war Basquiat nie ein Straßenkünstler oder Graffiti-Künstler. Die Graffiti-Künstler haben seine Graffiti nie als solche akzeptiert, und die Kunst-Community in New York dachte damals, bevor man wusste, wer das machte, dass das ein White Conceptual Artist ist."
Es ist in der chronologisch gehängten Ausstellung in der Fondation Beyeler relativ leicht, die kunsthistorischen Bezüge zu benennen: natürlich ist Basquiat fasziniert von Picassos verdrehten Körpern und Dubuffets kindlich konzipierten Figuren, natürlich hat er Cy Twomblys Kratzspuren und Wortmalereien gesehen und Rauschenberg Combine-Paintings gekannt.
Und trotzdem hat diese Malerei eine ganz eigene, archaische Kraft, die mit den seit den 80igern modischen Vokabeln des Samplings und Scratchings nur unzureichend beschrieben ist. Es ist eine Mischung aus Naivität und Verzweiflung, die aus diesen Bildern spricht; und der in den USA damals allpräsente Rassismus spielt darin eine Hauptrolle.
Die bestens bestückte Retrospektive konzentriert sich vor allem auf Basquiats Kreativitäts-Schub im Jahr 1982; vorher hatte er Kühlschränke bemalt und Cadillacs und Musiktitel auf Leinwand gebracht. Dann aber setzt eine surreale figurative Expressivität ein, die Köpfe als Landschaften begreift, Horrorgestalten vor Häuserschluchten, schwarze Gerippe, Uniformen. Es ist, als hätten alte Stammeskulturen von New York Besitz ergriffen: ein manisches, mäanderndes Zeichnen (meist mit Acryl und Ölkreide), Täter und Opfer in einem Bild, Anbetung der schwarzen Box-Weltmeister als Leitfiguren der Emanzipation.
Natürlich kann man stilistische Phasen unterscheiden: Es gibt relativ leere und dann übervolle Bilder; ab 1983 drängt die Schrift in den Raum, naive Anatomien verschaffen sich Platz, riesige Leinwände wölben sich skulptural auf, Fensterläden werden bemalt und zu Triptychen und Altären zusammengesetzt. Wir befinden uns hier in einem Spielzeugladen der Brutalgesellschaft –die Bildaufteilung ist die von Underground-Comics, die Farben aber wirken ungebrochen optimistisch und schrill. Es ist ungewiss, ob das mit Basquiats ansteigendem Drogenkonsum zusammenhängt; seine Arbeitsweise war offenbar äußerst reflektiert.
"Das war ein sehr lässiger, gar nicht so explosiver Arbeitsprozess, wo er sozusagen langsam das Bild aufgebaut hat. Viele dieser Bilder haben 10, 15 Schichten übereinandergelegt, wobei er immer die untenliegende Schicht sichtbar lässt."
Die Ausstellung bevorzugt eine weite, schöne Hängung und verdichtet einzelne Themen in Kabinetten. Basquiat, der erste farbige Maler mit Welterfolg, zeigt uns den geschundenen Schwarzen, der irgendwann ertrinkt in einem Aquarium von kryptischen Worten. Seine Zusammenarbeit mit Warhol, kurz gestreift am Ende der Ausstellung, ist dann weniger überzeugend: es sind Hybrid-Bilder zwischen Konsum-Pop und Basquiats expressiver Kraft. Schließlich hebt der Tod den Finger: in den letzten Bildern, 1988, fliegen schon die Knochen aus dem Körper heraus. Jean-Michel Basquiat hat teuer bezahlt: ein kurzes, intensives Leben. Er wäre jetzt erst 50 Jahre alt.