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Frust bei der Linkspartei

Die Linken sind aufgebracht. Vor allem in den ostdeutschen Landesverbände ist der Unmut gegen das Führungsduo und die Politik groß. Die Mitglieder denken nun über die Gründung einer "Landesgruppe Ost" nach.

Von Blanka Weber | 23.12.2010
    "Also diese Debatte zurzeit um eine Landesgruppe Ost halte ich für so überflüssig wie irgendetwas. Wir brauchen keine Landesgruppe Ost."

    Bodo Ramelow ist Fraktionschef der Linken in Thüringen. Die Diskussion um eine Ost-Gruppe seiner Partei ärgert ihn, vielmehr ginge es nun um den gemeinsamen Blick nach vorn:

    "Wir brauchen einen Prozess des wechselseitigen Zuhörens, des gemeinsamen Debattierens, die Diskussion darüber, was für eine Partei wir sein wollen."

    Klare Worte des 54-Jährigen, gerichtet vor allem an die Parteispitze. Denn gerade in den ostdeutschen Landesverbänden wächst der Unmut über das Führungsduo und ihre Politik. Grund dafür ist die umstrittene Satzungsänderung im Saarland: Darin heißt es, dass "parteischädigendes Verhalten" sanktioniert werden darf und selbst mit dem Parteiausschluss gedroht werden kann. Nicht nur Bodo Ramelow ist entsetzt über die Wortwahl in einer Landesparteisatzung und darüber, dass sich der Bundesvorstand bislang nicht davon distanzierte:

    "Wenn ich mit einem Begriff arbeite, der hoch besetzt ist im Osten, weil parteischädigendes Verhalten in der SED faktisch zum Berufsverbot geführt hat, das war nicht einfach nur, dass man sich gegen die Partei verhalten hat. Man hat sich gegen die Staatspartei verhalten. Und das war mehr als nur Majestätsbeleidigung."

    Kritiker attestieren ein "offenkundig mangelhaftes Demokratieverständnis", sprechen von einem Maulkorb-Erlass, um unbequeme Stimmen zu blockieren. Auf die Befindlichkeiten innerhalb der Partei werde dagegen kaum Rücksicht genommen, klagen nicht nur Thüringer Mandatsträger. Ost und West in der Partei müsse gerade jetzt besser moderiert werden – vor allem von der Parteispitze:

    "Ich hatte gehofft, dass Klaus Ernst ein Gespür entwickelt, dass man, zumindest wenn man Reaktionen erlebt, aus dem Osten, noch'mal zweimal nachfragt, wo ist das Problem, denn wir können Lösungen finden, dann müssen wir uns aber zuhören."

    Die Sollbruchstelle zwischen Ost und West scheint marode. Eine Abspaltung Ost käme jedoch nicht infrage, sagt der Thüringer Landesvorsitzende, Knut Korschewsky:

    "Es gibt in den Kreisverbänden darüber große Unruhe und Unverständnis, wir haben darum gekämpft, dass wir eine gesamtdeutsche Partei werden. Wir haben als gesamtdeutsche Partei auch nur eine Existenzberechtigung. Und wir können froh und glücklich sein, dass es uns gelungen ist, 2007 die gesamte Partei zu gründen. Wir sind in die westlichen Parlamente eingezogen. Das ist uns als PDS nie gelungen und wäre auch nie gelungen, wenn es nicht die Gründung der Linken gegeben hätte."

    Ein pragmatischer Ansatz, der von vielen - nicht nur im Osten - getragen wird. Will die Partei erfolgreich sein, so muss sie gute Politik machen, ohne innere Zerreißproben:

    "Ich glaube, dass wir in einer Situation sind, da wir noch eine junge Partei sind mit der Gründung aus der WASG und aus der Linkspartei im Jahr 2007, wo wir uns immer noch nicht gefunden haben. Wir haben noch kein endgültiges Programm. Wir haben aber zwei völlig unterschiedliche Sozialisationen, eine westliche und eine östliche Sozialisation."

    Bodo Ramelow kennt beides. Er, der Gewerkschafter West, kam vor 20 Jahren in den Osten und habe bitter lernen müssen, Fettnäpfchen zu erkennen, aber auch Dinge zu hinterfragen:

    "Weil wir zwar die gleiche Sprache sprechen, aber bestimmt Begriffe was völlig Unterschiedliches meinen. Es ist so lustig gesagt: Plastiktüte und Plastikbeutel, Führerschein und Fahrerlaubnis, Inspektion und Durchsicht. Das meint eine bestimmte Sozialisation, das meint nichts Politisches, das meint einfach nur, da sind Menschen aus völlig anderen Lebenssphären, die aufeinandertreffen und ich habe das Gefühl, das Klaus Ernst als westdeutscher Gewerkschafter zurzeit mit Begriffen hantiert, die im Osten Alarmsignale auslösen und er merkt es nicht."

    Ein klassisches Übersetzungsproblem oder fehlende Nähe zu den Mitgliedern Ost? Es rumort an der Basis und nicht nur Bodo Ramelow fordert mehr Engagement der Bundes-Ko-Parteichefin Gesine Lötzsch, die derzeit eher im Schatten ihres bayrischen Kollegen steht:

    "Deswegen ist meine große Hoffnung, dass wir zu einem Schmelztiegel der gesamtdeutschen Entwicklung werden. Das bedeutet, dass jeder die Fähigkeit entwickeln muss, auch die Ohren zu öffnen, wo Brüche sich zeigen. Dann würde ich mir wünschen, dass Klaus Ernst ein bisschen deutlicher hinhört und ich würde mir wünschen, dass Gesine Lötzsch sehr deutlich ihre Erfahrung mit einbringt und auch wahrnehmbar sie formuliert."

    Der politische Auftakt Anfang Januar könnte dafür eine gute Gelegenheit sein.