Donnerstag, 16. Mai 2024

Archiv


Führen auf Distanz

31.08.2000
    Telearbeit, bei der Arbeitnehmer per Telefon, Fax oder E-Mail von zu Hause aus ihren Job erledigen, kann eine Chance für eine flexiblere Gestaltung der Arbeitszeit sein. Auf der anderen Seite ist sie eine Herausforderung zu sensibleren Umgangsformen im Betrieb und bedeutet für alle Seiten eine Umstellung. "Man muss auch diszipliniert sein, Sie haben ja eine freie Zeiteinteilung", so die Erfahrung der Personalsachbearbeiterin Andrea Breuer. Sie hat zwei Arbeitsplätze: einen im Büro der Firma und einen zuhause. Diesen Kompromiss hat sie zusammen mit ihrem Chef ausgearbeitet. Der wollte sie nach der Geburt ihrer zwei Kinder nicht verlieren und bot ihr deshalb an, die Hälfte ihrer Arbeitszeit außerhalb des Büros zu verbringen. Laut Vertrag soll Andrea Breuer zehn Stunden vor dem eigenen Computer sitzen. Ob sie das genau einhält, ist ihrem Vorgesetzten Hans-Josef Blatt aber egal, solange das Ergebnis stimmt. Vertrauen statt Kontrolle. "Das erfordert ein ganz neues Führungsverhalten von den Vorgesetzten", so Blatt.

    Manche Dinge werden durch Telearbeit auch schwieriger, zum Beispiel die Kommunikation. Das Teamgefüge leidet unweigerlich, und die neuen Medien, die eine virtuelle Zusammenarbeit erst ermöglichen, erfordern eine gehörige Portion Feingefühl. Die Management-Trainerin Ursula Oppermann-Weber ist spezialisiert auf die Probleme von Telearbeitsplätzen. Sie bietet ratlosen Chefs Nachhilfe in der virtuellen Personalführung an. Ihrer Erfahrung nach ist es die Regel, dass die Teams sich sehr intensiv bemühen müssen, miteinander in Kontakt zu bleiben, eine Herausforderung besonders für die Chefs: "Es geht darum, dass die Vorgesetzten die Wertschätzung den Mitarbeitern gleichwertig überbringen, denn damit steht und fällt die Zusammenarbeit. Das ist durch die Distanz sehr viel sensibler zu handhaben, als wenn man sich jeden Tag begegnet." Der Austausch von Informationen, Termine für Versammlungen und Treffen müssten bei Telearbeit wesentlich disziplinierter organisiert werden, so Oppermann-Weber. "Auf der anderen Seite müssen die Chefs darauf achten, dass es Möglichkeiten zum persönlichen Austausch und Kontakt gibt." E-Mail oder Telefongespräche können den "kleinen Dienstweg", also die kurze Absprache von Angesicht zu Angesicht, nur bedingt ersetzen.

    Related Links

    Das Forschungs- und Beratungsunternehmen empirica hat umfangreiche Studien zur Telearbeit angestellt und die Ergebnisse auch im Internet veröffentlicht.

    Das Forum für Telekooperation an der Technischen Universität München will den interdisziplinären Austausch und Wissenstransfer auf dem Gebiet der Telekooperation fördern.

    In Baden-Württemberg hat sich die Anwenderplattform Telearbeit, ein Projekt von Wirtschaft, Handwerk, Verbänden, Gewerkschaften, Forschung und Politik des Themas angenommen.

    Eine Broschüre zur "Basisinformation Telearbeit" ist über die Webseiten des Gewerkschaftsprojekts OnlineForumTelearbeit erhältlich.