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Führer durch den Daten-Dschungel

Informationstechnik. - Einmal im Jahr zieht es Geisteswissenschaftler wie auch Ingenieure und Informatiker nach Karlsruhe zur "Learntec". In diesem Jahr präsentiert die Bildungs- und Informationsmesse unter anderem eine Methode, um große Informationsmengen anschaulich zu verwalten.

Gerd Pasch im Gespräch mit Peter Welchering |
    Gerd Pasch: Herr Welchering, in diesem Jahr stellen Entwickler der Fraunhofer Gesellschaft auf der Learntec 2006 so genannte elektronische Wissenskarten vor. Was verbirgt sich denn hinter diesem Konzept?

    Peter Welchering: "Mit einer Wissenskarte wollen die Wissenschaftler vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung in Darmstadt (IGD) genau aufzeigen, wo in einem Unternehmen oder Forschungsinstitut Wissensbestände liegen. Dabei orientierten sie sich daran, was EDV-Abteilungen bereits machen: sie haben zum Beispiel Karten, auf denen die vollständigen Datennetzwerke mit allen Servern, Arbeitsplatzrechnern und Festplatten aufgezeichnet sind. Von diesem Ansatz gingen die Fraunhofer-Forscher aus und entwickelten eine Wissenskarte, die darstellt, wo welche Mitarbeiter mit welchem Wissen sind. Kommt etwa eine besonders anspruchsvolle Kundenanfrage oder wird beispielsweise ein neues Forschungsprojekt wie etwa die Gesundheitskarte aufgesetzt, stellt sich sofort die Frage, wer weiß dazu was, wer kann dazu beitragen, vielleicht sogar, wer weiß dazu am meisten? Das lässt sich dann mit einem Blick auf eine solche Wissenskarte beantworten, die quasi die Wissensbestände kartiert - also nicht nur aufzeigt, welcher Mitarbeiter über welches Wissen verfügt, sondern auch, was insgesamt in einem Unternehmen oder Institut an Wissen überhaupt da ist. Die Karte selbst wird von einem Computerprogramm gezeichnet, das alle Wissensdaten einer Organisation aufsaugt, verschlagwortet und dann in einem Katalog als Landkarte des Unternehmens darstellt."

    Pasch: Wie kommen denn die Wissensmanager an die Daten für eine Wissenskarte?

    Welchering: "Idealerweise, indem die Mitarbeiter ihre laufenden Berichte, Forschungsergebnisse und Projektskizzen ständig in dieses System einpflegen, also dafür sorgen, dass die Wissenskarte mit allen Texten, Tabellenkalkulationen, Artikeln, elektronischen Dokumenten und Präsentationen versorgt wird, an denen ein Mitarbeiter gerade arbeitet oder an denen er beteiligt war. Das ist die Variante, die auch die Fraunhofer-Forscher bevorzugen. Jeder Mitarbeiter setzt dann bei allen Dokumenten die Wissenskarte quasi als Empfänger mit auf die Verteilerliste. Aber hier in Karlsruhe wurde auch noch eine andere Variante diskutiert, die indes sehr, sehr kritisch gesehen wird - nicht nur von Fraunhofer-Entwicklern. So fragte etwa ein mittelständischer Software-Unternehmer: 'Was hindert mich denn, in regelmäßigen Abständen alle Festplatten und Datenträger der Mitarbeiter scannen zu lassen und diese Daten dann in eine Wissenskarte einzupflegen, die nur mir zur Verfügung steht?' Das wird hier auf der Learntec sehr kontrovers diskutiert, ob das nicht so eine Art Verfremdung oder vielleicht sogar eine Enteignung von Wissen ist. Die Frage, wem das Wissen in einem Unternehmen gehört, ist zwar rechtlich ganz klar gelöst und beantwortet, aber man hat bei der Diskussion auch gesehen, dass sie im betrieblichen Alltag hilft, wenn es um Wissenskarten geht, nicht so viel weiter."

    Pasch: Wie wird aus den eingelesenen Daten dann Wissen? Ist dieser Vorgang völlig automatisiert?

    Welchering: " Noch nicht völlig. Aber der Vorgang wird zunehmend automatisiert. Je größer so eine Wissenskarte wird, desto automatischer läuft das auch. Es gibt beispielsweise eine kleine Firma, die hier eine Software zeigt, die mit einem Expertensystem arbeitet. Dabei werden Daten über bestimmte Lernrichtlinien, die dieses Programm besitzt, in Wissen umgewandelt. Man muss allerdings auch sehen, und das zeigen die Expertengespräche auf der Learntec auch sehr deutlich, dass eben am Anfang, wenn eine Wissenskarte aufgebaut wird, die menschlichen Experten, die die Daten verschlagworten, oder jene Personen, die zumindest Regeln für die Verschlagwortung und für die Verknüpfung der Daten - also Lernregeln - aufstellen, unentbehrlich sind. Und je größer eine solche Wissenskarte wird, desto stärker kann dann auch automatisiert von den Daten über Verknüpfungen zu Wissen hingearbeitet werden."

    Pasch: Wie flexibel kann denn das System einer Wissenskarte auf ältere Datensätze oder gar Speichermedien zugreifen?

    Welchering: "Wenn die auf Papier vorliegen, ist das überhaupt kein Problem. Darunter liegt die Extensible Markup Language, also die erweiterte Sprache des Webs, die wir benutzen. Sie kann sehr flexibel und universell eingesetzt werden. Probleme gibt es, das hat etwa ein Forscher, der einen großen Münchener Konzern mit einer solchen Wissenskarte versorgen wollte, gemerkt: Wenn es alte Datenträger gibt wie etwa 8-Zoll-Disketten oder Computerbänder, dann müssen die häufig erst den Umweg des Ausdruckens und anschließenden optischen Einscannens gehen."