Lange: Eine ganz einfache Frage am Anfang: Sind Sie dafür oder dagegen?
von Bressensdorf: Da schlagen zwei Seelen in unserer Brust. Wir sind nicht dagegen, aber wir haben Sorge, ob dieses Programm, so wie es angedacht ist, von den Jugendlichen angenommen wird.
Lange: Dies soll ja ein Weg sein, um die Unfallzahlen besonders von Fahranfängern zu senken. Das ist ja auch sicher nötig. Aber ist es wirklich der richtige Weg?
von Bressensdorf: Das wird sicher kontrovers diskutiert. Die Fahrlehrer haben gesagt, dass sie sich hier auf keinen Fall verweigern. Die Wissenschaftler, die mitbeteiligt waren, haben uns klargemacht, dass es einen entscheidenden Punkt bei der Unfallhäufigkeit gibt, nämlich die fehlende Praxis. Die möchte man hier mit Begleitung stützen. Das könnte ein Weg sein, die Unfallzahlen zu senken. Allerdings sind wir nicht so optimistisch, dass wir den Zahlen glauben, dass die Unfallzahlen der Jugendlichen um 40 bis 50 Prozent gesenkt werden können.
Lange: Es gibt ja ähnliche Regelungen, zum Beispiel in Österreich oder Frankreich oder Schweden. Welche Erfahrungen hat man denn dort gemacht?
von Bressensdorf: Also, Schweden hat ein ganz anderes Ausbildungssystem. Schweden hat eine viel ausgedünntere Straßenverkehrsbelastung. Das kann man nicht eins zu eins auf Deutschland übertragen. Das sind unsere Hauptsorgen, dass man das eins zu eins übertragen will oder zumindest glaubt, das übertragen zu können.
Lange: Nun zielt das Ganze ja auf die Unfallbilanz von 18- bis 25-Jährige, also nicht nur der 18-Jährigen, sondern auch der nicht mehr ganz jungen Erwachsenen. Brächte da ein Jahr mehr Fahrpraxis wirklich so viel?
von Bressensdorf: Also, ich denke, die Fahrpraxis, die weniger gefährlich werden wird, könnte die Unfallzahlen senken. Das große Fragezeichen wird sein: Genügt dieses eine Jahr? Kann genügend gefahren werden? Da sehen wir übrigens einen zweiten Punkt. Man sagt: 5.000 Kilometer sollten begleitet gefahren werden. Ich denke, bei der hohen Beanspruchung auch der Erwachsenen wird es nicht ganz einfach sein, für Jugendliche Begleiter zu finden, die 5.000 Kilometer Fahrten zur Verfügung stellen können, um hier Fahrpraxis zu erwerben.
Lange: Wie hoch schätzen Sie denn die Versuchung ein, im Zweifel doch mal alleine zu fahren? Man hat ja einen Führerschein, man kann es doch, und auf dem Land wird nicht so viel kontrolliert.
von Bressensdorf: Ja, die Versuchung ist sicher relativ hoch. Man muss jedoch wissen, dass, wenn man dieser Versuchung unterliegt und erwischt wird, der Führerschein weg ist.
Lange: Eine Unfallursache ist Draufgängertum und Überschätzung, eine andere, dass junge Leute die Übersicht verlieren und ihr Fahrzeug einfach nicht beherrschen. Könnte denn da ein Beifahrer in kritischen Situationen wirklich eingreifen?
von Bressensdorf: Also, eingreifen darf er auf keinen Fall, aber er könnte durch seine Fahrerfahrung auf sich zuspitzende Situationen bei Gefahrenanbahnungen vielleicht darauf hinweisen und zu einer günstigeren Fahrweise anweisen. Das ist eigentlich die Philosophie. Es gibt hier eine wissenschaftliche Untersuchung zu den Begleitern und deren Wirkung, die durchgängig nachweist, dass ein Begleiter immer zu einer etwas verhalteneren Fahrweise führt. Daran knüpfen sich die Hoffnungen.
Lange: Wie würde so etwas denn am Ende versicherungsrechtlich gerechnet werden, wenn da jemand dabei sitzt und da passiert trotzdem was?
von Bressensdorf: Ich denke, da der Fahrer eine volle Ausbildung hat und eine uneingeschränkte Prüfung abzulegen hat, ist er schon verantwortlicher Führer. Es gibt noch die ein oder andere versicherungsrechtliche Frage, die zu klären ist. Da sind wir in der Expertengruppe gerade dabei, dies abschließend aufzuarbeiten, aber ich denke, das kann nicht anders bewertet werden als bei den 16- und 17-Jährigen, die heute alleine Motorräder oder Leichtmotorräder fahren. Da haben wir bisher auch keine Probleme gehabt.
Lange: Sie verfolgen diese Diskussionen in Goslar, sprechen auch mit vielen Experten darüber. Zu welcher Empfehlung wird sich denn der Verkehrsgerichtstag am Ende nach Ihrer Einschätzung durchringen?
von Bressensdorf: Ich nehme an, dass der Verkehrsgerichtstag eine Empfehlung ausspricht, erstens die zweiphasige Ausbildung einzuführen, zweitens das begleitete Fahren.
Lange: Was heißt die zweiphasige Ausbildung?
von Bressensdorf: Die zweiphasige Ausbildung ist praktisch schon fast vom Tisch, das heißt, dass auf freiwilliger Basis nach der ganz normalen Führerscheinausbildung der 18-Jährigen ein Angebot nach ungefähr einem halben Jahr kommt, das Erlebte, das eigene Erfahren noch einmal in einer Fahrschule auszuarbeiten, und da sind wir in ein europäisches Objekt eingebunden, und auch in Österreich hat man sehr gute Erfahrungen damit gemacht, dass die Jugendlichen die Probleme, die sie in er Anfangsphase haben, noch einmal in einer Fahrschule aufbereiten können. Dazu wird es ein eindeutiges Votum geben. Als zweites wird es die Empfehlung geben, darüber hinaus das begleitende Fahren mit Modifikationen auf den Weg zu bringen. Da fehlt allerdings noch der Verordnungsentwurf, und ich denke, dass wir erst in der zweiten Jahreshälfte mit den gesetzlichen Grundlagen rechnen können, wenn denn politisch ein Ja dazu gesagt wird.
Lange: In den Informationen am Vormittag war das Gerhard von Bressensdorf. Er ist Vorsitzender der Bundesvereinigung der Fahrlehrerverbände. Dankeschön für das Gespräch und auf Wiederhören.
Link: Interview als RealAudio
