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Führungslos und hoch verschuldet

Wenn es um den Rettungsschirm für Euro-Länder geht, dann fallen Namen wie Spanien und Portugal. Doch auch Belgien hat Probleme: Tatsächlich hat der Schuldenstand wieder die Marke von 100 Prozent der Wirtschaftsleistung erreicht. Erschwerend kommt das politische Vakuum hinzu.

Von Volker Finthammer |
    Selbst der Präsident des Europäischen Rates kommt in diesen Tagen nicht umhin, zur Lage in Belgien Stellung zu nehmen. Doch Herman van Rompuy nimmt es gelassen. Der Belgier, der vor einem Jahr selbst noch Regierungschef des Landes war, teilt die Unruhe nicht, die seit einer Woche, losgetreten vom britischen "Guardian" durch die Medien geistert, wonach das Land einer der nächsten Kandidaten für den Rettungsschirm der Eurozone sein könnte. In einem Interview mit dem flämischen Rundfunk wies van Rompuy alle entsprechenden Vermutungen zurück, die Voraussetzungen für Belgien seien gut, die Krise ohne die Hilfe von außen zu überstehen.

    "Hat Belgien gute Fundamente? Ja! Unser Haushaltsloch ist das kleinste in ganz Westeuropa, viel kleiner als das von Frankreich, den Niederlanden oder Großbritannien und genauso klein oder groß wie das von Deutschland. Wir haben in der Tat hohe Schulden. Wir haben traditionell einen hohen Schuldenberg, aber in den letzten Jahren ist diese Differenz zurückgegangen."

    Die Gesamtverschuldung des Landes wird bis 2012 auf 102 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und ist damit nach Griechenland und Italien eine der höchsten in der Eurozone. Allerdings zählt Belgien zu den Ländern, die bereits beim Start der gemeinsamen Währung eine hohe Gesamtverschuldung vorweisen mussten. Doch wie in keinem anderen Land der Gemeinschaftswährung konnten die wechselnden Regierungen im vergangenen Jahrzehnt die Gesamtverschuldung deutlich verringern. Von 135 Prozent 1995 auf 85 Prozent im Jahr 2007. Die Finanzkrise und teure Bankenrettungsprogramme haben die Gesamtverschuldung wieder über die 100 Prozentmarke getrieben. Da folgt die Kurve der gleichen Entwicklungen wie in allen anderen Länder der Eurozone. Insofern sei das Land kein Wackelkandidat, sagt der geschäftsführende Regierungschef Ives Leterme:

    "Belgien ist bis heute nicht ins Visier von Spekulanten geraten, auch wenn bestimmte Medien das vermuten. Ich bin darauf bis jetzt nicht angesprochen worden, auch nicht in London oder anderswo. Unsere Kontakte aus der Finanzwelt haben uns noch keine entsprechenden Meldungen gemacht."

    Von einer Immobilien oder Bankenkrise kann in Belgien keine Rede sein. Obwohl die Krise etwa auf dem Arbeitsmarkt deutliche Spuren hinterlässt, profitiert das Land vom starken Wachstum im Nachbarland Deutschland und vom Welthandel. Die EU-Kommission rechnet mit einem stabilen Wachstum von jeweils zwei Prozent in den kommenden beiden Jahren.

    Allein das politische Vakuum macht Belgien zu schaffen. Ohne neue Regierung gibt es kein neuen Haushalt, keine neuen Sparpläne. Ohne eine neue Regierung fehlen die Stabilisierungssignale auf die die Märkte so begierig sind. EU-Ratspräsident Hermann spricht von psychologischen Klima, das zur Gefahr werden könnte.

    "Ich möchte schon sagen, dass das Land eine Regierung braucht. Die Regierungskrise ist schuld an diesem psychologischen Klima. Diese Krise dauert bisher nicht länger als die von 2007, aber wir müssen uns beeilen."

    Das politische Vakuum will Ives Leterme gar nicht gelten lassen. Der flämische Christdemokrat der bislang zweimal für wenige Monate an der Spitze der Regierung stand und seit den Wahlen im Juni geschäftsführend im Amt ist, verweist lieber auf die Fakten, die sein von Teilung bedrohtes Land nicht so schlecht dastehen lassen:

    "Wichtiger als der politische Zustand des Lande ist der finanzielle Zustand. Wir sind im Gegensatz zu anderen Ländern Nettogläubiger im Ausland. Zudem zieht unser Wirtschaftswachstum besser an. Auch ist unser Haushalt günstiger als in den anderen Ländern, was in den aktuelle politische Debatte deutlich übersteigt."