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Fündig geworden

Die Bewohner von Anholt werben mit dem besonders langen Sandstrand rund um die nur 10 km breite Insel, wo man Natur pur erleben kann. Doch für die Seehunde scheint das nicht zu gelten. Die Insel ist für diese Tiere in der Tat ein Problem. Wenn sie sich auf einem der wenigen Liegeplätze in diesem Gebiet aufhalten, dann liegen sie dicht an dicht, berichtet Jonas Teilmann, Forschungsleiter in Danmarks Miljöundersöglse:

Von Annette Eversberg |
    Deshalb, so der dänische Forscher, kann sich eine Viruserkrankung wie die Seehundstaupe an einem Ort wie diesem schneller ausbreiten. Auf einer Felseninsel liegen die Tiere weiter auseinander. Vielleicht fünf oder 10 Meter. Dann sind die Chancen einer Infektion gering. Denn die Robben müssen schon so nahe zusammenliegen, dass sie sich gegenseitig ins Gesicht niesen können.

    Die wichtigste Voraussetzung für die Entstehung der Epidemie war jedoch der Kontakt zu Tieren, die Virusträger sind, selber aber nicht erkranken. Deshalb schauten sich die Forscher einmal die Kegelrobben genauer an, die dort auf Anholt näher als anderswo mit den Seehunden zusammenkommen. Ob sie Virusträger sind, das wusste man bisher nicht. Schon gar nicht in der Nordsee, betont Dr. Thomas Borchardt, zuständig für die Meeressäuger im schleswig-holsteinischen Nationalparkamt in Tönning:

    Wir fangen immer mal Seehunde und analysieren Blutgruppen von den Seehunden. Aber Kegelrobben sind nicht dabei. Die sind auch etwas schwieriger zu fangen.

    Deshalb sind die dänischen Untersuchungen bisher die ersten, die Kegelrobben als Auslöser für die Seehundseuche erkannt haben. Thomas Borchardt:

    Die können mit diesem Virus leben, werden vielleicht auch krank. Aber sterben auf keinen Fall daran. Wir haben auch bei uns Kegelrobben, und bei uns ist kein Tier daran gestorben. Wir wissen das auch von den Sattelrobben z.B. um Grönland. Die sind auch Virusträger. Aber sie erkranken daran nur sehr gering und werden mit dem Virus fertig.

    Die Gründe sehen die dänischen Forscher darin, dass Kegelrobben, die in den nördlichen Meeren um Island und den Färöer-Inseln vorkommen, ständig dem Infektionsdruck ausgesetzt sind und wie bei einer Impfung immun werden. Denn Kegelrobben durchstreifen die Meere und kommen dabei mit vielen Viren in Kontakt. Anders als Seehunde, so Jonas Teilmann:

    Seehunde schwimmen keine großen Distanzen. Sie bleiben in einem Gebiet, und wenn sie dann auf für sie unbekannte Viren treffen, dann kommt es gleich zu einer Epidemie.

    Klarheit haben die Forscher nun auch über die Art des Seehundstaupevirus. Zunächst hatte man angenommen, dass der Erreger von Schlittenhunden in Grönland übertragen worden sei. Doch es ist kein Virus, das in Hunden vorkommt oder auf Hunde übertragbar ist, sagt Jonas Teilmann:

    Das Virus ist sehr stabil. Es wandelt sich zwar, doch sehr, sehr langsam. Die Erreger der Seuche von 1988 und der von 2002 weisen noch eine Identität von 99 Prozent auf. Deshalb sind sie auch nicht mit dem Hundestaupevirus oder vergleichbaren Viren identisch.

    Ein Ausbruch der Seehundstaupeepidemie ist jederzeit wieder möglich. Doch welche Ausmaße sie annehmen wird, hängt von den Abwehrkräften der Tiere in Nord- und Ostsee ab. Die scheinen aber besser zu werden, erläutert Thomas Borchardt:

    Es ist so, dass die Alttiere erst einmal immunisiert sind und sich nicht so leicht wieder neu anstecken können. Aber die Jungtiere können sich wieder anstecken. Aber es ist dann vermutlich so, dass der Prozentsatz der Toten immer niedriger werden wird, weil ein höherer Teil immer mehr immunisiert ist. Und wir hatten beim Seehundsterben 1988 eine Sterblichkeit von ca. 60 Prozent und im Jahre 2002 nur noch eine von 45 Prozent.