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Fünf im Formelfieber

Zur Zeit läuft in Seoul in Südkorea das internationale Turnier junger Physiker, das 20. International Young Physicists' Tournaments. Zwei Wochen lang sind 30 Nationen mit jeweils fünf Nachwuchsforschern am Start, mit dabei auch ein Team aus Deutschland. Das Fünferteam, vier Männer und eine Frau hat sich im Schülerforschungszentrum Bad Saulgau bei Ravensburg auf den Wettbewerb vorbereitet.

Von Andreas Gottschalk |
    Die fünf Schüler haben in den letzten Monaten jede freie Minute in die Forschung gesteckt, übernachten im Schlafsack zwischen Lasermessgeräten und Stromtransformatoren und essen morgens Müsli mit einer Tafel Schokolade.
    Forscher eben, schließlich geht die Aufgabenstellung in Seoul weit über die Schulphysikkenntnisse hinaus:

    "Die Bewegung eines Projektils in einem Blasrohr untersuchen und das Blasrohr auf die maximale Austrittsgeschwindigkeit des Projektils optimieren."

    Also baut Teamchef Benedikt Stegmaier aus Riedlingen ein Blasrohr.

    "Ein einfaches Rohr, möglichst aus Aluminium oder Kupfer, ein bis zwei Meter Länge, und als Munition kann man viele verschiedene Dinge verwenden, zum Beispiel Kugeln oder ich habe hier so Pfeile gebaut. Holzstäbe, die hinten einen Ring aus Schaumgummi draufhaben und der ganze Schussvorgang dauert nur ein paar hundertstel Millisekunden."

    Und jetzt die Antwort auf die Frage: Wie schnell ist der Pfeil und wie wird er schneller?:

    "Man baut ja mit der Lunge einen Druck auf und die Druckdifferenz zwischen den beiden Seiten des Geschosses bewirken eine Beschleunigung. Verluste kriegt man zum Beispiel durch die Rohrreibung. Für den Lungendruck: pmax mal vl hoch xi= pl von t mal Klammer auf vl+ a mal x von t Klammer zu hoch xi."

    Solche Formeln haben die Forscher im Schülerforschungszentrum Bad Saulgau gebaut. Rudolf Lehn ist Physiklehrer am Gymnasium und betreut das Forschungszentrum. Die Versuche kann er schon lange nicht mehr nachvollziehen. Das ist Hochschulphysik, betont er:

    "Hier kommen nur Jugendliche her, die selber die Leidenschaft schon haben:
    forschen. Und da sind sie zusammen, da finden sie auch ihresgleichen, da ist keine Anstrengung zu groß."

    Das bringt deutliche Vorteile beim anschließenden Physikstudium. Im zweiten oder gar erst im dritten Semester einsteigen oder ganz einfach schneller fertig sein, das ist für diese Schüler durchaus realistisch. Herbert Myther ist Prorektor an der Uni Tübingen und Professor für theoretische Physik. Er arbeitet eng mit dem Schülerforschungszentrum zusammen und bezeichnet die Ergebnisse von Seoul als professionelle wissenschaftliche Arbeiten:

    "Das kann sich an der Studienlänge bemerkbar machen, aber wir versuchen diese meistens sehr hochbegabten jungen Leute nicht pauschal zu behandeln, sondern wirklich sehr individuell zu betreuen, dass man bereits zu Beginn des Studiums anspruchsvollere Vorlesungen vorschlägt, die einfach ihren Interessen entsprechen. So dass sie sehr zügig gefordert werden. Das kann dann natürlich indirekt auch schon dazu führen, dass sie dann sehr schnell an Forschungsthemen hier an der Universität herangeführt werden, und so dann auch insgesamt ihr Studium schneller abschließen, als Andere."

    Auf 17 Aufgaben haben sich die fünf Tüftler intensiv vorbereitet. Darunter
    auch: Warum versinkt ein Mensch im Moor, wenn er panische Bewegungen
    macht? oder: Wann gleitet ein Wasserski. Das deutsche Team muss in der Vorrunde nach fünf Aufgaben unter den ersten drei sein. Im Finale entscheidet dann die Antwort auf eine Frage über Sieg oder Niederlage. Max Grönke aus Schramberg:

    "Dort ist es so, dass drei Teams immer einen Wettkampf haben. Ein Team ist der Reporter, der ein Problem vorträgt. Ein anderes Team ist der Opponent, das danach in der Diskussion versucht, Schwachstellen dieser Theorie aufzuzeigen. Das dritte Team ist noch der Reviewer, der abschließend den Fight bewertet."

    Danach entscheidet eine Fachjury, wer das weltbeste Physikteam ist. Aber warum dieser gigantische Forschungsaufwand für zwei Wochen Wettkampf?

    "Ganz nach Aristoteles: Die Freude an der Erkenntnis!"

    Das alles entscheidende Finale in Seoul ist am kommenden Mittwoch. Letztes Jahr wurde das deutsche Team Zweiter.