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Fünf Weltreligionen - fünftausend Meinungen

Ethik. – Die modernen Lebenswissenschaften stürzen mit ihren Möglichkeiten die Gesellschaften in gewaltige Debatten, deren Ende noch nicht absehbar ist. So stark die Unterschiede innerhalb der Gesellschaften sind, so stark sind sie auch zwischen ihnen. Auf einer Tagung der DFG-Forschungsgruppe für kulturübergreifende Bioethik in Bochum wurde dennoch versucht, einen gemeinsamen Weg zu finden.

    Ethische Fragen unterliegen den individuellen Einstellungen. Daher machen sich in der Diskussion gravierende Meinungsunterschiede bemerkbar, sowohl zwischen Individuen wie auch zwischen Nationen. Gerade auf dem Feld der Biopolitik wird diese Einsicht seit einigen Jahren auf den unterschiedlichen Ebenen vorgeführt. So ist im vergangenen Herbst ein weiterer Vorstoß auf UN-Ebene gescheitert, das Klonen zum Zweck der Menschenerzeugung und zu therapeutischen Zwecken zu ächten. In dieser Woche konnten sich auf EU-Ebene die Forschungsminister nicht auf einen gemeinsamen Ansatz zur Forschung mit embryonalen Stammzellen einigen und auch die Diskussion in der Bundesrepublik über beide Aspekte der modernen Biowissenschaften zeichnet sich durch extreme und unüberbrückbare Meinungsunterschiede aus.

    Dennoch werden immer wieder Versuche gestartet, auch kulturübergreifend zu einer gemeinsamen Haltung in derart grundlegenden Fragen der Bioethik zu gelangen. Auf einer Veranstaltung der DFG-Forschergruppe für kulturübergreifende Bioethik versuchten jetzt Experten aus der ganzen Welt, zumindest die Ursachen für die bisher immer unüberbrückbaren Meinungsunterschiede zu ergründen. So wird die Diskussion um Klonen und Stammzellforschung in vielen Ländern eher als biopolitische denn als bioethische Debatte gesehen, bei der es um die Ausgestaltung eines Rechtsrahmens geht. Die intensive ethische Debatte, die in vielen Industriestaaten ähnlich heftig geführt wird wie in Deutschland, wird in den Schwellen- oder in den Entwicklungsländern als Luxusdebatte empfunden, die man angesichts der materiellen Probleme lieber zurückstellt.

    Die Religionen lehnen dagegen das reproduktive Klonen unisono ab. Gemeinsam ist ihnen die Sorge um Beeinträchtigungen der familiären Strukturen, die sie durch die Existenz von geklonten Menschen fürchten. Über die anderen Aspekte der Bioethik gibt es allerdings in nahezu allen Religionen ähnlich starke Debatten wie im Christentum. Im Islam findet sich eine ähnlich breite Meinungspalette wie im Christentum, in dem ja nicht einmal die katholische Konfession eine einheitliche Meinung aufweist, obwohl sie die am stärksten zentralisierte, auf der Deutungshoheit des Papstes beruhende Struktur aufweist.

    [Quelle: Grit Kienzlen]