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Fünfteilige Sendereihe: Hochschulpolitik im Bundestagswahlkampf

Nele Hirsch ist hochschulpolitische Sprecherin der Linkspartei auf Bundesebene, seit August aber im Mutterschutz. Vertreterin ist Dr. Karin Kaschuba, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Thüringer Landtag. Zentrale Forderung: Keine Studiengebühren - und mehr Mitspracherechte, auch für Lehrkräfte.

Von Hilde Weeg |
    Am Rand der Fußgängerzone hat sich die Linkspartei aufgebaut. Hier werden Argumente, vor allem aber Kugelschreiber unters Volk gebracht, auch von Dr. Karin Kaschuba. Sie ist hier so etwas wie ein Platzhirsch und kennt die 100.000-Einwohner-Stadt Jena mit ihrer Universität seit mehr als 40 Jahren, als sie zum Studium hierher kam. Mit nun 60 Jahren, eher von kompakter Statur und offenem Gesicht, wirkt sie bürgernah und resolut. Den Zusammenbruch der DDR hat sie – durchaus systemtreu - erlebt als Germanistin und Diplom-Philosophin an der Uni. Viele Um- und Aufbrüche seitdem hat sie mitgestaltet, seit sie 1991 für die PDS und jetzige Linkspartei im Stadtrat und im Landtag arbeitet, dort als stellvertretende Fraktionsvorsitzende. Um reden zu können, gehen wir in ihr Büro. Ihre Erklärungen zur Hochschulpolitik der Linkspartei kommen kurz und knapp. Thema Studiengebühren:

    "Wir haben in den letzten zehn Jahren, solange wie ich für die Hochschulpolitik verantwortlich bin, grundsätzlich gegen die Erhebung von Studiengebühren argumentiert. Und in unserem Regierungsprogramm haben wir uns klar artikuliert, weil Studiengebühren nicht erhoben werden sollen."

    In Thüringen will keine Partei Studiengebühren einführen, aber die CDU hat eine Verwaltungsgebühr von 50 Euro durchgesetzt, die von der Linkspartei ebenfalls abgelehnt wird. Weitere Punkte: Zahlung von elternunabhängigem BAföG, mehr Mitbestimmung für die Studierenden, aber auch für Lehrbeauftragte und Privatdozenten:

    "Wir wollen darüber hinaus die Menschen, die in sogenannten prekären Beschäftigungsverhältnissen arbeiten – das ist ein hoher Prozentsatz derjenigen, die Lehre an den Hochschulen machen – dass die in reguläre Beschäftigungsverhältnisse übernommen werden und dann aber auch Mitbestimmungsrechte erhalten an den Hochschulen."

    Während Nele Hirsch gerne marxistische Wissenschaft an den Hochschulen fördern würde, lehnt Kaschuba jeden direkten Einfluss der Politik auf die Wissenschaft ab:

    "Die Freiheit von Wissenschaft und Forschung muss den Hochschulen gewährt werden.""

    Die schärfste Kritik der Linken betrifft aber die zunehmende Ökonomisierung von Studium und Ausbildung, nicht nur in Thüringen:

    ""Bei der Novellierung des Hochschulgesetzes wurde formuliert, dass sie das Ziel haben sollen, möglichst schnell Studierende für den Markt auszubilden. Das ist für mich nicht das Ziel einer Hochschule, Hochschulen sind keine Betriebe im ökonomischen Wettbewerb."

    Der Vorsitzende der Thüringer Landesrektorenkonferenz und Präsident der TU Ilmenau, Prof. Peter Scharff, stimmt Kaschuba vor allem in diesem Punkt zu:

    "Einführung von Hochschulräten quasi als Aufsichtsrat, Einführung wettbewerblicher Prinzipien auch in der Lehre – da könnte man einen ganzen Strauß von Maßnahmen nennen, die letztlich eine unternehmensähnliche Struktur zum Ziel haben. Das ist nicht meine Idee einer Universität. Ich bin schon dafür, dass wir im Sinne des Humboldt'schen Ideals weiter arbeiten und dass wir uns auch bestimmte Dinge leisten müssen, die mit Ökonomie und Effizienz nichts zu tun haben."

    Scharff fordert ebenfalls die Abschaffung von Verwaltungs- oder Studiengebühren, aber mit Ausnahmen:

    "Ich bin ein absoluter Gegner von Studiengebühren. Was die Langzeit-Studiengebühren betrifft, kann man geteilter Meinung sein. Wenn es denn über einen gewissen Zeitraum hinaus geht, fände ich es nicht schlecht, wenn es beibehalten würde ..."

    Eine Forderung, die sowohl die Linke als auch viele Hochschulpraktiker, Studierende und Politiker aller Parteien stellen, ist die dringende Reform des Bologna-Prozesses:

    "Ich denke, wir müssen auf jeden Fall die Bologna-Reform reformieren – das ist auf jeden Fall notwendig – und ich fordere nach wie vor, dass es auch wieder einzügige Master-Studiengänge geben muss, wie sie es in anderen Ländern, die ebenfalls am Bologna-Prozess teilnehmen, durchaus gibt. "



    Fünfteilige Sendereihe: Hochschulpolitik im Bundestagswahlkampf
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