Dienstag, 21. Mai 2024

Archiv


Für Bachelor und Master zum Nachbarn

Ein internationales Studium und nicht weit weg von Zuhause. Niederländische Universitäten sind eine Alternative zu deutschen Massenunis. Das große Interesse an einem Studium bei den Nachbarn wird dort inzwischen kritisch gesehen.

Von Vanessa Kern | 02.11.2011
    "Ok, also wir sind jetzt hier bei einem der Studentenwohnheime."

    Tag der offenen Tür an der Universität im niederländischen Nimwegen. Von Deutschen für Deutsche ist heute das Motto. Patrizia, Jan, Anna und vier ihrer Kommilitonen führen jeweils eine Gruppe Schüler über den Campus - Schüler und Schülerinnen aus Deutschland, die sich nach ihrem Abitur im kommenden Jahr vielleicht nicht für eine deutsche, sondern für eine niederländische Universität entscheiden. Inge van Dijk von der Studienberatung der Universität wirbt mit den Vorteilen:

    "Den NC gibt es in den Niederlanden nicht. Es gibt Studiengänge, die es in Deutschland nicht gibt und die Gruppen im Unterricht sind sehr klein, da ist man mit 20, 25 Leuten in einer Gruppe."

    Nicht nur Nimwegen, auch andere niederländische Universitäten wie Maastricht, Groningen oder Leiden werben um die Deutschen. Ein internationaler Abschluss in der Tasche und vor allem Studiengänge, die es in Deutschland so nicht gibt, wie Physiotherapie oder Spezialisierungen innerhalb eines Faches, bieten den Studierenden neue Möglichkeiten. So studiert Anna eine Kombination aus BWL, Kultur- und Kommunikationswissenschaften, Jan studiert nicht einfach allgemeine Informatik, sondern das Spezialgebiet ‚künstliche Intelligenz‘ und Patrizia studiert molekulare Lebenswissenswissenschaften, ein Bereich aus der Chemie mit viel Praxisangebot. Alle drei sind überzeugt vom niederländischen Uni-System:

    "Ich hab im ersten Jahr zwei komplette Tage direkt im Labor gestanden, super modern ausgestattet. Das zeichnet das sicher aus."

    "Wenn ich mir ansehe, dass eine deutsche Informatikervorlesung überrannt ist mit 400 Leuten in einem Audimax, verglichen hier vielleicht ein Zehntel davon. Das ist ganz anderes Niveau."

    "Es gibt keinen NC, bei den meisten Studiengängen ist es so, dass man hier anfangen kann zu studieren, da gibt es keine Studienvoraussetzungen."

    Die Vorteile haben sich in Deutschland längst rumgesprochen. Von den rund 54.000 ausländischen Studierenden in den Niederlanden kommen bereits jetzt 21.000 aus Deutschland – in drei Jahren rechnet man schon mit 40.000 deutschen Studenten. Doch geht es nach der niederländischen Politik, könnte sich das ändern. Ferdinand Mertens vom niederländischen Bildungsministerium äußerte sich kürzlich in der Fachzeitung "transfer" kritisch: Das aktive Anwerben von deutschen Studenten müsse verboten werden, wird Mertens zitiert. Die Begründung: Der niederländische Staat bezahle die Ausbildung der Deutschen. Und das stimmt, erklärt Ton Nijhuis, Leiter vom Duitsland Instituut Amsterdam:

    "Weil die Universitäten in den Niederlanden pro Student bezahlt werden, also jeder deutsche Student bringt Geld. In manchen Fachbereichen ist der Prozentsatz deutscher Studenten mehr als 50 Prozent, so sind die niederländischen Studenten in einer Minderheit. Aber auf politischer Ebene in Den Haag wird dies noch nicht als ein sehr großes Problem angesehen."

    Hingegen interessiert sich die Politik viel mehr für die Finanzierung.

    "Die Frage ist, wieso niederländisches Steuergeld bezahlt werden muss, um so viel deutsche Studenten auszubilden, denn wenn man das Diplom hat, geht man wieder zurück nach Deutschland und da bekommen wir eigentlich nicht so viel davon zurück."

    Doch in einem Verbot sieht Nijhuis keine Lösung. Vielmehr müssten die Niederlande darüber nachdenken, wie man die gut ausgebildeten Deutschen im eigenen Land behält. Die Uni Nimwegen macht es vor. Anders als in Maastricht oder Groningen, wo das Studium überwiegend auf Englisch, teils sogar auf Deutsch läuft, sind hier alle Kurse auf Niederländisch, erklärt Studienberaterin Inge van Dijk. Ein Sprachkurs vor Studienbeginn ist Pflicht.

    "Und wenn man die Sprache beherrscht, bleibt man auch. Sie sind ja völlig integriert, weil sie die Sprache kennen. 60 Prozent von unseren Alumni bleibt in den Niederlanden."

    Das hat eine Umfrage aus diesem Jahr ergeben und auch Anna und Patrizia können sich schon jetzt ihre Zukunft in den Niederlanden vorstellen:

    "Ich bin sehr überzeugt von den Arbeitsbedingungen hier und wenn es sich anbietet dann bin ich da sicherlich für zu haben."

    "Ich fühl mich hier super wohl, ich spreche die Sprache mittlerweile fließend, hab keine Probleme mehr und wenn ich einen guten Job finde, der mir Spaß macht, werd ich definitiv hier bleiben."