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Für das Kino der Zukunft
UFA eröffnet erstes Virtual-Reality-Studio

Hölzerne Bewegungen und unecht wirkende Mimik: Bisher gestaltete sich die virtuelle Darstellung von Menschen oft schwierig. Das soll sich jetzt ändern. Die UFA in Potsdam nimmt jetzt das erste volumetrische Studio in Betrieb, das nicht nur Filmemachern völlig neue Möglichkeiten bietet.

Von Silke Ballweg | 11.06.2018
    Studiotor Babelsberg
    Während Dinosaurier im Kino mittlerweile täuschend echt aussehen, gestaltet sich die Darstellung von Menschen bisher noch schwierig. Ein volumetrisches Studio in Babelsberg soll das jetzt ändern (Studio Babelsberg AG)
    Der Schauspieler Herbert Knaup sitzt auf einem Regiestuhl und gibt der jungen Frau vor ihm Anweisungen für die Filmaufnahmen. Die Personen in dieser Demonstration bewegen sich natürlich, wirken beinahe normal und lebendig. Echt ist die Situation jedoch nicht. Sie existiert nur in der virtuellen Welt. Um sie zu betrachten, braucht man eine sogenannten VR-Brille, also ein interaktives Display vor den Augen, das den Benutzer in die virtuelle Wirklichkeit eintauchen lässt. Die Erfahrung ist viel plastischer und intensiver als etwa das Anschauen eines 3D-Kino-Films. Doch die Darstellung von Personen in den virtuellen Welten war bislang schwierig. Die am Computer generierten Charaktere wirkten oft hölzern, künstlich und seelenlos, sagt Oliver Schreer vom Fraunhofer Heinrich Hertz Institut in Berlin:
    "In der klassischen Animation von virtuellen Charakteren werden Avatare gebaut und die werden in der Regel animiert, das ist ein sehr komplexer Vorgang und führt zu einer sehr unnatürlichen Darstellung in vielerlei Hinsicht."
    Bisher gab es viele Schwachstellen
    Unechte Bewegungen und ausdruckslose Mimik waren Schwachstellen. Und so hat sich Schreer während der vergangenen Monate schwerpunktmäßig damit beschäftigt, wie man menschliche Körper im Computer möglichst realitätsgetreu dreidimensional modellieren kann. Am Heinrich Hertz Institut hat er das sogenannte volumetrische Studio mit-entwickelt. Das kann nun detailgetreue Aufnahmen von Charakteren erstellen, die man in der virtuellen Welt einsetzen kann, etwa im Museumsbereich.
    "Es gibt hervorragende 3D-Modellierungen von Palmyra, der Stadt in Syrien. Da gibt es ein exzellentes 3D-Modell der Stadt, aber die Stadt ist leblos im Moment - und die Idee ist, durch unsere Technologie die Stadt zu beleben."
    Virtuelles Kultur- und Geschichtserlebnis
    In dem volumetrischen Studio könnten Schauspieler, die syrische Händler, Passanten oder Kinder mimen, aufgenommen werden. Das aus den Daten berechnete 3D-Hologramm könnte dann in die virtuelle Stadt eingefügt werden – sodass beim Betrachter der Eindruck entsteht, sie würden gerade durch die Straßen flanieren.
    "Sodass der Nutzer diese zerstörte Stadt erleben kann, das ist eine neue Erfahrung von kulturellem Erbe, die weit über alles hinausgeht, die es bisher gab."
    Auch 3D-Hologramme von berühmten Personen oder Aufnahmen von Zeitzeugen, etwa den letzten Holocaust-Überlebenden, sind für Schreer denkbar. Die Besucher einer virtuellen Welt könnten sie dann dreidimensional und täuschend echt erleben.
    Das dafür notwendige Studio nimmt morgen in Potsdam seinen Betrieb auf. Den Prototypen hat Schreer während der vergangenen Monate entwickelt. Der sieht aus wie eine mit einer weißen dünnen Plane bespannte Kuppel, die einen Durchmesser von fünf Metern und eine Höhe von knapp 2,50 Meter hat. Auf Bodenhöhe, Brusthöhe und über Kopf durchstoßen insgesamt 32 Kameras die dünne Plane und richten ihre Linsen auf das Innere der halbrunden Konstruktion. So nehmen die Kameras den im Zentrum befindlichen Schauspieler aus allen Richtungen auf, sagt Frank Govaere, Leiter der Visual-Effects-Abteilung bei der UFA.
    "Der Drehtag gestaltet sich nicht anders als ein normaler Drehtag. Die Schauspieler gehen in Kostüm und Maske und liefern ihre Leistung ab."
    Das ist erst der Anfang
    Aus den simultanen Filmaufnahmen der 32 Kameras entsteht am Computer ein räumliches Abbild der Schauspieler. Pro Minute kommen dabei 1,6 Terabyte zusammen. Eine gewaltige Datenmenge. Das Ergebnis kann sich sehen lassen. Bereits jetzt wirken die Szenen in der virtuellen Realität erstaunlich realistisch.