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Für den Erhalt der biologischen Vielfalt

Der Artenschwund wurde in den 70er-Jahren immer deutlicher sichtbar, und so einigten sich am 3. März 1973 die ersten Länder auf den Schutz gefährdeter Arten freilebender Tiere und Pflanzen. Das sogenannte Washingtoner Artenschutzabkommen wirkt aber an vielen Stellen nicht.

Von Mathias Schulenburg | 03.03.2013
    Die 70er-Jahre des vorigen Jahrhunderts waren in den sogenannten entwickelten Ländern von einem eigentümlichen Fortschrittswahn geprägt, der sich in dem allgemeinen Wunsch nach "höher, schneller, weiter" äußerte. Zugleich wurden mehr und mehr Menschen die Nachteile der Entwicklung klar, was sich unter anderem in einem - nicht nur für Fachleute erkennbaren - Artenschwund bei Pflanzen und Tieren äußerte. Als ein wichtiger Grund hierfür wurden die internationalen Handelsströme ausgemacht, in denen sich in wachsender Zahl schreckliche Souvenirs bewegten: Papierkörbe, Barhocker, Regenschirmständer aus Elefantenfüßen; Gehörne aller Größen, Formen und Farben; Schnaps, in dessen Flaschen Schlangen schwebten, Schmetterlinge aller Arten, Hauptsache groß und bunt.

    Als Reaktion auf diese Bedrohung der Artenvielfalt, die durchaus auch wirtschaftliche Sektoren betraf - neue pflanzliche Pharmaka sind häufig nur in wilden Habitaten zu finden - wurde schließlich am 3. März 1973 in Washington D.C. das Übereinkommen über den internationalen Handel mit gefährdeten Arten freilebender Tiere und Pflanzen, abgekürzt CITES, meist "Washingtoner Artenschutzabkommen" genannt, unterzeichnet. Zunächst von den USA, der Schweiz, Nigeria, Tunesien und Schweden. Inzwischen gehören ihm mehr als 175 Staaten an. Dieses Abkommen, so Theo Pagel, Direktor des Kölner Zoos,

    "hat auf jeden Fall Erfolge zu verzeichnen, denn man hat mittlerweile ja auch Tiere wieder von Listen herunter geführt. Das Problem, das ich sehe, ist, dass es eben nur Tiere betrifft, die gehandelt werden. Und alles, was nicht gehandelt wird, wird somit nicht kontrolliert, und unterliegt somit auch mehr oder weniger nur geringem bis keinem Schutz."

    Aber auch für gehandelte Tiere oder Tierteile ist der Schutz durch das Abkommen nicht unbedingt gewährleistet: Wenn die Verdienstmöglichkeiten der Händler groß genug sind, wirken die vorgesehenen Sanktionen - Beschlagnahme oder Geldstrafen - nicht mehr. Nashorn-Horn wird schwungvoll am Gesetz vorbei gehandelt. Zu Pulver zerrieben, soll es medizinische Wunder vollbringen. Das ist ausgesprochen unwahrscheinlich, denn es besteht aus Keratin, wie Fingernägel oder Wasserbüffelhorn, was findige Fälscher auch schon herausgefunden haben. Artenschutz könne man nur wirksam betreiben, erklärt Pagel, wenn man die Menschen vor Ort einbeziehe:

    "Man muss denen Alternativen bieten. Also, wenn jemand rausgeht und Tiere wildert, sie verkauft, hat er ja einen Grund. Er will Geld verdienen. Das will er in der Regel für sich und seine Familie verdienen und hier sind insbesondere die Politiker aus meiner Sicht gefordert, hier Alternativen darzustellen, dass Menschen vor Ort nachhaltig mit der Natur leben können."

    Mittlerweile sind die Zoologischen Gärten weltweit immer stärker am Artenerhalt beteiligt:

    "Also, es gibt sicherlich so um die 200 Arten, wo Zoos erfolgreich waren. Ganz prominent ist sicherlich das Przewalski-Pferd, das Ur-Wildpferd, das ja wieder in der Mongolei und in China frei vorkommt, aber es sind auch zu nennen der Luchs, der europäische Biber, der Wanderfalke, der Uhu, der Bartgeier. Sind Tiere aus Menschenhand, aus Zoologischen Gärten zur Wiederaufstockung des Bestandes oder zur Wiederausbürgerung genutzt worden. Das Hauptproblem für uns und alle anderen Natur- und Artenschützer, die sich daran beteiligen, sind immer die politischen Verhältnisse und die Sicherheit in den Gegenden vor Ort."

    Aber die Lebensraumvernichtung für Flora und Fauna schreitet selbst im sicheren Mitteleuropa fort. Obwohl die Bevölkerungszahl schrumpft, wird weiter planiert, begradigt, schiffbar gemacht, erweitert – immer noch schneller, höher, weiter. In Schwellenländern hat diese Entwicklung auch längst eingesetzt.

    "Also man weiß, dass das Artensterben in der Relation zu normalen Aussterberaten irgendwo zwischen Hundert- und dem Tausendfachen liegt, was über die Jahrhunderte normal war. Ich würde soweit gehen wollen, dass man das Ausmaß der Katastrophe erst dann abschätzen kann, wenn es zu spät ist. Denn das ist immer so im Leben: Sie wissen erst, was sie an etwas haben, wenn sie es nicht mehr haben."

    Namhafte Wissenschaftler fürchten ein "Ende der biologischen Vielfalt", ein Artensterben von erdgeschichtlicher Dimension, woran auch das Washingtoner Artenschutzgesetz wenig ändern wird. Der Gesang der Vögel wird vom Lärm der Motoren abgelöst, den viele Menschen ohnehin für bedeutsamer halten.