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Für die Schule Sponsoren werben

In den niedersächsischen Dörfern gibt es viele Grundschulen mit nur wenigen Schülern. In Zeiten leerer Kassen werden immer mehr dieser Zwergenschulen geschlossen. In Hemeln entwickelten die Bürger eine Fülle an Ideen zum Erhalt ihrer Schule.

Von Susanne Schrammar |
    Die Glastür, die den Blick freigibt auf die ausgestellten bunten Bastelarbeiten, ist fest verschlossen. Die rote Rutsche auf der Schulwiese verwaist, kein einziges Kind weit und breit – im Moment sind nur Osterferien an der Grundschule in dem kleinen Weserort Hemeln in Südniedersachsen. Doch nach einem Beschluss der zuständigen Kommune Hannoversch Münden hätte es nach diesem Schuljahr für immer so ausgesehen. Die Grundschule Hemeln sollte dichtmachen. Zu wenig Schüler: 2015, lautete die Prognose, würde es statt der jetzt 34 nur noch 24 Schüler geben. Damit sei ein Grenzwert unterschritten, argumentierte damals die Schulbehörde.

    "Wir sehen das auch, dass das ein Grenzbereich ist, aber ein Grenzbereich, um den es sich lohnt, zu kämpfen."

    Bürgermeister Alfred Urhahn trommelte die Dorfgemeinschaft zusammen zum Protest. Ohne Schule, glaubt der 60-Jährige, würde es schwer werden, junge Familien nach Hemeln zu locken. Doch gegen die Entscheidung der Mitglieder des Stadtrates Hannoversch Münden im Sommer 2010 konnten die rund 1000 Einwohner nichts ausrichten. Der Schließungsantrag der Verwaltung wurde angenommen.

    "Der Rat wollte circa 30.000 bis 40.000 Euro im Jahr sparen",

    vermutet der Bürgermeister. Ab diesem Sommer sollten die Hemelner Kinder die Grundschule in dem neun Kilometer entfernten Nachbarort besuchen. Vorbei also die Zeit, in der Erst- und Zweitklässler beziehungsweise Dritt- und Viertklässler gemeinsam unterrichtet werden. "Wir mussten einfach was tun", sagt Elternratsvorsitzender Joachim Mundt:

    "Es ist ja gerade die PISA-Studie, die uns zeigt, wie diese kleinen Systeme in Finnland oder Norwegen funktionieren, wo die kleinen Schüler von den Großen lernen und die Großen dadurch ein ganz anderes Selbstwertgefühl entwickeln. Die kurzen Wege, man kriegt alles gleich mit – es gibt weniger Probleme. Schwänzen, sowas gibt's bei uns einfach gar nicht. Weil im Dorf da sieht man Einen rumstromern und dann spricht man darüber und dann kriegt man das einfacher in den Griff."

    Das Problem mit den kleinen Schulen ist im Flächenland Niedersachsen weit verbreitet: Mehr als ein Drittel der rund 1800 Grundschulen sind schon jetzt maximal ein- oder zweizügig, in den nächsten zehn Jahren wird die Zahl der Erstklässler rapide sinken. In einigen Orten wird derzeit bereits hitzig diskutiert, künftig werden sich immer mehr Kommunen die Frage stellen, ob sie sich kleine Grundschulen mit wenigen Dutzend Schülern wirklich noch leisten wollen. Niedersachsens Kultusminister Bernd Althusmann, CDU:

    "Ich rate immer sehr deutlich, bevor man überhaupt über eine Schulschließung nachdenkt, alle weiteren Möglichkeiten zunächst mal zu prüfen: Was ist mit einer Kooperation mit einer anderen Schule? Wo kann man zusammenarbeiten, wo können die Kolleginnen zusammenarbeiten? Wir werden alles versuchen, um gerade im ländlichen Raum auch kleine Standorte zu halten, aber es gilt der § 106 Schulgesetz – die Kommune ist dafür verantwortlich."

    "Die Verantwortung abzuschieben, damit macht es sich die schwarz-gelbe Landesregierung ein bisschen zu einfach", sagt Sabine Hohagen, Vorsitzende des Landeselternrates in Niedersachsen. Sie wünscht sich einen breiten, vom Land angeregten Diskussionsprozess für dieses Problem. Die Schließung von Zwergschulen dürfe zwar kein Tabu sein, heißt es bei der Elternvertretung, doch jeder Fall müsse genau betrachtet werden.

    "Also, ich denke, es ist ganz wesentlich, die Eltern frühzeitig mit einzubeziehen. Und weil es so ein emotionales Thema oft ist, wirklich zu versuchen, das auf einer Sachebene zu diskutieren und dann auch auf einer Sachebene zu entscheiden. Das vermisse ich im Moment auch ein bisschen. Weil es sich natürlich vortrefflich für jede Seite, je nach Gusta, Politik machen lässt. Das sollte nicht sein."

    Zurück in Hemeln an der Weser. Nach dem Ratsbeschluss, die kleine Grundschule zu schließen, initiierten Bürgermeister Urhahn und seine Mitstreiter ein Bürgerbegehren zum Erhalt der Schule.

    "Also, wir haben innerhalb von zehn Tagen 4600 Unterschriften gesammelt, statt der benötigten 2500. Das war eigentlich schon so 'n erster Fingerzeig, also da steht auch die Bevölkerung dahinter."

    Und es blieb nicht bei Lippenbekenntnissen. Die Hemelner wollten auch finanziell helfen, um ihre Grundschule zu retten, erzählt Elternratsvorsitzender Mundt.

    "Wir haben die Sache von zwei Seiten betrachtet: Einmal, was können wir selber am Haus tun – Kleinigkeiten wie Rasen mähen und solche Geschichten, um die Stadt zu entlasten. Und haben eine Spendensammlung gestartet. Nicht eine einzelne Spende, sondern kontinuierlich für fünf Jahre eine Summe. Und haben dann pro Jahr 10.000 Euro hingekriegt."

    Hinzu kam eine günstige Bevölkerungsentwicklung, Familien mit elf zusätzlichen Schulkindern zogen nach Hemeln. Und die Mehrheitsverhältnisse im Rat der Stadt Hannoversch Münden änderten sich nach der Kommunalwahl. Anfang März wurde in einer Sondersitzung der Erhalt der Grundschule Hemeln beschlossen. Jetzt müssen nur noch rechtliche Zweifel der Landesschulbehörde aus dem Weg geräumt werden.

    "Wir hoffen aber und sind sehr optimistisch, dass es klappt."