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Für eine einheitliche Förderung

Über 16 Prozent des Stroms in Deutschland kommen aus erneuerbaren Quellen. Die Europäische Union will auch in anderen Mitgliedsländern den Erneuerbaren Energien auf die Sprünge helfen - was sich allerdings als schwierig erweist.

Von Philip Banse | 18.01.2011
    Die Aufregung basiert auf Überlegungen des EU-Energiekommissars Günther Oettinger, die Förderung von Ökostrom zu harmonisieren. Das sind Überlegungen, ein ausgearbeitetes Konzept gibt es dazu nicht und wird es wohl so bald auch nicht geben. Worum geht´s?

    Ökostrom wird heute in jedem EU-Land anders gefördert, das ist von einer EU-Richtlinie aus dem vergangenen Jahr auch ausdrücklich so verlangt. In Deutschland legt das Erneuerbare Energiegesetz EEG die Förderung fest. Danach ist Produzenten von Ökostrom garantiert: Ihr Strom muss ihnen abgekauft werden, für einen 20 Jahre lang garantierten Preis. Dieses System hat in Deutschland zu einem mächtigen Ausbau des Ökostroms geführt.

    Bezahlt wird die Förderung von allen Stromverbrauchern. Jeder zahlt derzeit rund drei Cent pro Kilowattstunde, um Ökostrom zu fördern – auch etwa Photovoltaik, die im relativ sonnenarmen Deutschland recht teuer ist. EU-Kommissar Oettinger hat jetzt eine uralte Forderung der Energieriesen ausgegraben: Danach soll Strom dort gefördert werden, wo billig zu produzieren ist: Sonnenstrom in Spanien, Windenergie in Dänemark. Dieser Ökostrom soll dann über Europa verteilt werden. Nach Berechnungen, die die deutschen Energiekonzerne gefördert haben, könnten so bis 2020 117 Milliarden Euro an Stromförderung gespart werden. Umweltminister Röttgen lehnt Oettingers Pläne jedoch ab. Dem WDR sagte der Umweltminister:

    "Eine Übertragung der nationalen Instrumente einer Energiepolitik auf eine EU-weite Harmonisierung wäre das Aus für unser Energiekonzept. Das könnten wir dann in die Papiertonne werfen. Und es wäre auch das Aus für die parallele Entwicklung von Technologien und Markt in Deutschland. Und darum wäre das eine Kampfansage an die deutsche Energiepolitik, an die Förderung zu unserem wirtschaftlichen Vorteil der erneuerbaren Energien in Deutschland. Darum lehne ich das strikt ab."

    Gestern haben sich Röttgen und Oettinger in Berlin getroffen. Der Streit um die Ökostrom-Förderung habe nur am Rande eine Rolle gespielt, sagte Röttgens Sprecherin eben am Telefon. Aus dem Umweltministerium ist auch zu hören, dass Energiekommissar Oettinger zurück gerudert ist. Er soll gesagt haben, dass seine Harmonisierungspläne nicht konkret seien und vorerst auch zu keinem echten Konzept würden. Allerdings hat sich die Bundeskanzlerin Merkel vergangene Woche mit den Chefs der vier deutschen Energieriesen getroffen, und Merkels Sprecher sagte anschließend, alle seien sich einig gewesen, dass Oettingers Gedankenspiele zur Harmonisierung eine gute Grundlage seien. Christian Hey, wissenschaftlicher Berater des Umweltministeriums und Chef aller europäischen Sachverständigenräte für Umweltfragen, fragt sich daher,

    "Ob das Energiekonzept der Bundesregierung tatsächlich noch ernst gemeint ist. Das ist sehr befremdlich und Besorgnis erregend."

    Das Ziel des Energiekonzepts – 80 Prozent Ökostrom bis 2050 – sei nur mit den deutschen Förderinstrumenten zu erreichen. Auch die Ökostrom-Branche ist alarmiert. Der Bundesverband Erneuerbare Energien ist zwar grundsätzlich für einen europaweiten Strommarkt, in dem vielleicht auch Ökostrom einheitlich gefördert wird, sagt BEE Geschäftsführer Björn Klussmann. Doch: billiger Sonnenstrom allein aus Spanien, Wasserstrom aus Norwegen und Strom aus polnischer Biomasse, dafür sei es zu früh:

    ""Erstens: Wir haben keine perfekte Energieinfrastruktur, die dann diesen Strom nahezu kostenfrei durch ganz Europa transportieren könnte. Und zweitens ist es auch aus Sicht der Energieversorgungssicherheit nicht sinnvoll. Wir brauchen auf regionaler, kleinräumiger Ebene einen vielfältigen Energiemix aus allen erneuerbaren Energien. Alles andere macht die Infrastruktur und die Versorgungssicherheit sehr anfällig, deshalb ist das zu kurz gesprungen."

    Vor jeder Harmonisierung müsse das europäische Stromnetz ausgebaut werden, fordert auch der Chef des wissenschaftlichen Beratergremiums des Umweltministeriums, Christian Hey. Bevor Europa Ökostrom einheitlich fördert, müsse sich die EU zudem erst einmal einig werden, wie viel Ökostrom sie denn haben möchte:

    "Was eigentlich Priorität wäre und was die Europäische Kommission vermeidet, ist, eine Zielperspektive über 2020 hinaus zu entwickeln. Denn richtige Instrumente kann man nur entwickeln, wenn man weiß, wo die Reise hingeht. Und solange das über 2020 hinaus nicht klar ist, ist auch eine Instrumenten-Debatte jetzt verfehlt."

    Beim Energiegipfel der EU am 4. Februar müssten sich die Regierungschefs auf das Ziel einer Kohlenstoff freie Energiewirtschaft festlegen: - 95 Prozent Co2 bis 2050. Ob das gelinge, sei jedoch fraglich.