Stölzl: Es ist ja erstaunlich, dass dieser neue Nationalstaat Bundesrepublik, aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs entstanden und durch die glückliche Einigung soweit möglich komplett geworden, die Frage der Hauptstadt im Grunde eher nebenher entschieden hat, mit einem großen Kampf darum in der Entscheidung von 1991, aber weder die Hymne, noch die Fahne, noch die Hauptstadt soweit ich das sehe, sind ausreichend im Grundgesetz, das heißt in der Verfassung dieses Landes benannt. Das Bundesland Berlin ist ja eine Schöpfung des Kalten Krieges, ein Notbehelf, um auf diese Berlinfrage eine Antwort zu geben. Und dieser Notbehelf ist 1990/91, also in der Einigung und in der ersten Diskussion danach nicht geändert worden.
Schossig: Ist das auch der Hintergrund des Vorstoßes von Berlins regierendem Bürgermeister, Klaus Wowereit, der ist ja eher auf geteiltes Echo gestoßen. Geht es ihm anscheinend auch um diese Dinge oder mehr um eine wasserdichte Hauptstadtfinanzierungs- und Umleitungsgarantie?
Stölzl: Wir haben gelernt, alle Berliner Parteien gemeinsam, dass der Zustand der Beziehungen, ich sag das bewusst, der seelischen Beziehungen, der Zustimmungsbeziehungen eben unzulänglich ist. Mich wundert es nicht, dass natürlich jeder sofort sagt, dass ist schon wieder so eine Maske, hinter der wieder diese Berliner mit ihrem Bettelsack daher kommen. Aber das ist eine unzulängliche Beschreibung, unsere Finanzprobleme sind teils nur von Berlin selber zu lösen, das ist das Eine. Aber, die Frage des preußischen Erbes, des DDR-Erbes und des Erbes West-Berlins aus der Zeit der Teilung gerade auf dem kulturellen Gebiet, auf dem wissenschaftlichen Gebiet, die Frage stellt sich einfach. Man muss sagen: eine riesige Kommune, bettelarm, hat ein gewaltiges Erbe übernommen, das ehrt sie, aber man kann nicht sagen, ihr könnt den Kragen nicht voll kriegen, denn wir haben das geerbt, wir haben uns das nicht selbst ausgedacht.
Schossig: Aber, Herr Stölzl, reicht dafür nicht ein wirklich gut formulierter Hauptstadtkulturvertrag? Sollte der Verfassung doch nicht besser nur die Regelung von, sagen wir einmal, Grundzügen vorbehalten sein, wie es Frau Zypris ja gefordert hat, statt eben Finanzierungsbeziehungen detailliert zu regeln.
Stölzl: Nein, ich bin nicht dafür, dass die Finanzierungsbeziehungen in der Verfassung geregelt sind, das kann man ja gar nicht, das ist Haushaltshoheit, jedes Parlament würde uns etwas husten. Nein, aber die Rolle, welche dienende Rolle muss diese Hauptstadt haben, die eben neu, sozusagen, gemeinschaftlich erfunden und bekräftigt worden ist? Das ist ja ganz was anderes als 1870/71, da haben das die herrschenden Klassen getan, jeder weiß das, dass keine demokratische Abstimmung in Deutschland der Wahl Berlins vorausgegangen ist. Das ist ja nun wirklich total neu gewesen und anders nach der Deutschen Einigung. Und ich finde, welche Rolle Berlin hat, was sollen die tun, repräsentieren wir das Land oder ist es nur ein Zufall, dass die Bundesregierung und das Parlament in einer angenehmen, großen Stadt mit viel Kultur zufällig zu Gast sind, das kann es nicht sein. Andere Länder, wie die Franzosen, die Österreicher, die Briten haben das, wenn nicht gesetzlich verankert, so jedenfalls im Konsens mal ausgeredet. Wenn Sie bedenken, dass der jetzige Hauptstadtkulturvertrag nicht einmal im Bundesparlament und im Berliner Landesparlament diskutiert werden durfte, weil weder Bundesregierung noch Senat das nicht wollten. Die Bundesregierung vor allem. Dann sieht man, so kann es nicht sein. Eine Hauptstadt ist ein extremes Produktionsmittel einer demokratischen Nation, was hier gelingt, gelingt fürs ganze Deutschland und was hier misslingt, missrät, strahlt eben negativ auch auf das ganze Land ab.
Schossig: Die Union scheint gespalten. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat sich sehr positiv geäußert zu dem, wie Sie es eben sagen, während Roland Koch sagt, wir werden Berlin nicht zum Paris Deutschlands machen.
Stölzl: Darum geht es ja auch nicht. Es ist ja keine Sorge, dass Berlin irgendjemanden unterdrückt. Der Föderalismus ist in Wahrheit ja etwas, was bei uns zu einer Art Vereinigten Staaten von Deutschland geführt hat. Wer einmal die Wirtschaftskraft anschaut von Nordrhein-Westfalen, ich glaube, zwölfte Industrienation, ich sage es in Anführungsstrichen im globalen Wettbewerb. Bayern, glaube ich, zwölfter Wettbewerber bei den Industriestandorten, da muss keiner Angst haben, dass Berlin irgendjemanden erdrückt. Preußen ist weg und zwar für immer. Nur kann nicht sagen, hurra, hurra, Berlin ist jetzt ganz allein, Gott sei Dank, wir sind einen Konkurrenten los, weil, wie gesagt niemand etwas davon hat, dass eine schäbige, notleidende, ewig mit sich selbst ringende und im Grunde sendungs- und aufgabenlose Hauptstadt ohne Solidarität der anderen leben muss. Etwas, was 1990 in der Eiligkeit der Geschäfte nicht gemacht worden ist, muss jetzt nachgeholt werden, nämlich zu sagen: wozu brauchen wir Berlin?
Schossig: Ist das auch der Hintergrund des Vorstoßes von Berlins regierendem Bürgermeister, Klaus Wowereit, der ist ja eher auf geteiltes Echo gestoßen. Geht es ihm anscheinend auch um diese Dinge oder mehr um eine wasserdichte Hauptstadtfinanzierungs- und Umleitungsgarantie?
Stölzl: Wir haben gelernt, alle Berliner Parteien gemeinsam, dass der Zustand der Beziehungen, ich sag das bewusst, der seelischen Beziehungen, der Zustimmungsbeziehungen eben unzulänglich ist. Mich wundert es nicht, dass natürlich jeder sofort sagt, dass ist schon wieder so eine Maske, hinter der wieder diese Berliner mit ihrem Bettelsack daher kommen. Aber das ist eine unzulängliche Beschreibung, unsere Finanzprobleme sind teils nur von Berlin selber zu lösen, das ist das Eine. Aber, die Frage des preußischen Erbes, des DDR-Erbes und des Erbes West-Berlins aus der Zeit der Teilung gerade auf dem kulturellen Gebiet, auf dem wissenschaftlichen Gebiet, die Frage stellt sich einfach. Man muss sagen: eine riesige Kommune, bettelarm, hat ein gewaltiges Erbe übernommen, das ehrt sie, aber man kann nicht sagen, ihr könnt den Kragen nicht voll kriegen, denn wir haben das geerbt, wir haben uns das nicht selbst ausgedacht.
Schossig: Aber, Herr Stölzl, reicht dafür nicht ein wirklich gut formulierter Hauptstadtkulturvertrag? Sollte der Verfassung doch nicht besser nur die Regelung von, sagen wir einmal, Grundzügen vorbehalten sein, wie es Frau Zypris ja gefordert hat, statt eben Finanzierungsbeziehungen detailliert zu regeln.
Stölzl: Nein, ich bin nicht dafür, dass die Finanzierungsbeziehungen in der Verfassung geregelt sind, das kann man ja gar nicht, das ist Haushaltshoheit, jedes Parlament würde uns etwas husten. Nein, aber die Rolle, welche dienende Rolle muss diese Hauptstadt haben, die eben neu, sozusagen, gemeinschaftlich erfunden und bekräftigt worden ist? Das ist ja ganz was anderes als 1870/71, da haben das die herrschenden Klassen getan, jeder weiß das, dass keine demokratische Abstimmung in Deutschland der Wahl Berlins vorausgegangen ist. Das ist ja nun wirklich total neu gewesen und anders nach der Deutschen Einigung. Und ich finde, welche Rolle Berlin hat, was sollen die tun, repräsentieren wir das Land oder ist es nur ein Zufall, dass die Bundesregierung und das Parlament in einer angenehmen, großen Stadt mit viel Kultur zufällig zu Gast sind, das kann es nicht sein. Andere Länder, wie die Franzosen, die Österreicher, die Briten haben das, wenn nicht gesetzlich verankert, so jedenfalls im Konsens mal ausgeredet. Wenn Sie bedenken, dass der jetzige Hauptstadtkulturvertrag nicht einmal im Bundesparlament und im Berliner Landesparlament diskutiert werden durfte, weil weder Bundesregierung noch Senat das nicht wollten. Die Bundesregierung vor allem. Dann sieht man, so kann es nicht sein. Eine Hauptstadt ist ein extremes Produktionsmittel einer demokratischen Nation, was hier gelingt, gelingt fürs ganze Deutschland und was hier misslingt, missrät, strahlt eben negativ auch auf das ganze Land ab.
Schossig: Die Union scheint gespalten. Der bayerische Ministerpräsident Stoiber hat sich sehr positiv geäußert zu dem, wie Sie es eben sagen, während Roland Koch sagt, wir werden Berlin nicht zum Paris Deutschlands machen.
Stölzl: Darum geht es ja auch nicht. Es ist ja keine Sorge, dass Berlin irgendjemanden unterdrückt. Der Föderalismus ist in Wahrheit ja etwas, was bei uns zu einer Art Vereinigten Staaten von Deutschland geführt hat. Wer einmal die Wirtschaftskraft anschaut von Nordrhein-Westfalen, ich glaube, zwölfte Industrienation, ich sage es in Anführungsstrichen im globalen Wettbewerb. Bayern, glaube ich, zwölfter Wettbewerber bei den Industriestandorten, da muss keiner Angst haben, dass Berlin irgendjemanden erdrückt. Preußen ist weg und zwar für immer. Nur kann nicht sagen, hurra, hurra, Berlin ist jetzt ganz allein, Gott sei Dank, wir sind einen Konkurrenten los, weil, wie gesagt niemand etwas davon hat, dass eine schäbige, notleidende, ewig mit sich selbst ringende und im Grunde sendungs- und aufgabenlose Hauptstadt ohne Solidarität der anderen leben muss. Etwas, was 1990 in der Eiligkeit der Geschäfte nicht gemacht worden ist, muss jetzt nachgeholt werden, nämlich zu sagen: wozu brauchen wir Berlin?