Montag, 20. Mai 2024

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"Für exakt die gleiche Arbeit"

Laut Werner Müller verdienen angestellte Lehrer etwa 500 Euro netto weniger als ihre verbeamteten Kollegen. Der Vorsitzende der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer fordert gerechtere Entlohnung - sonst drohe in NRW Abwanderung von Lehrkräften in andere Bundesländer.

Heinz-Werner Müller im Gespräch mit Ulrike Burgwinkel | 04.05.2010
    Ulrike Burgwinkel: Gestern Leipzig und Schwerin, heute Chemnitz, Karlsruhe, Magdeburg, Essen, Bielefeld und viele weitere Stationen – die Lehrer gehen auf die Straße. Nicht alle. Die angestellten Lehrer. Sie protestieren gegen die Ungleichbehandlung und beziehen sich dabei auf die verbeamteten Lehrer. Heinz-Werner Müller ist Erster Vorsitzender der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer, kurz SchaLL, und gerade von der Demo zurück. Guten Tag, Herr Müller!

    Heinz-Werner Müller: Guten Tag, Frau Burgwinkel!

    Burgwinkel: Herr Müller, wo waren Sie denn unterwegs und was war los?

    Müller: Wir waren in Duisburg vom Gewerkschaftshaus unterwegs zum Dellplatz, haben zwischenzeitlich auf dem Weg die CDU-Zentrale in Duisburg, wenn man das Zentrale nennen kann, aufgesucht und sind dann den Weg weitergegangen, nicht wahr, runter bis zum Dellplatz, da war eine Abschlusskundgebung.

    Burgwinkel: Und, waren viele Leute da, war das Interesse groß?

    Müller: Also wir waren überrascht, wie wir in der Kürze der Zeit das noch auf die Reihe bekommen haben. Wir hatten also weniger befürchtet, also es waren doch, denke ich mal, so circa 250, 300 Leute da, dann machte das schon einen beeindruckenden Zug durch die Innenstadt.

    Burgwinkel: Ja, und Sie wollten auf die Ungleichbehandlung hinweisen, dass angestellte Lehrer Lehrer zweiter Klasse sind. Können Sie ganz konkret mal ein Beispiel nennen, wie sich das bemerkbar macht?

    Müller: Ja, wir haben uns als SchaLL natürlich, weil wir nur ein Verein und keine Gewerkschaft sind, an den Protestzug der GEW und die Aufforderung zum Streik, nicht wahr, der GEW, angeschlossen. Wir haben zusammen mit der dbb tarifunion eine Forderung, die geht dahin, nicht wahr, dass alle tarifbeschäftigten Lehrer bei EG 14 eingestuft werden sollen. Wir dagegen, nicht wahr, haben da zusätzlich jetzt, also diese Forderung kommt uns auf jeden Fall auch entgegen, aber wir haben zusätzlich natürlich auch Forderungen, die uns tagtäglich am Herzen liegen, nicht wahr, und das fängt dann damit an, nicht wahr, dass es einfach eine Ungleichbehandlung gibt, nicht wahr, zwischen Lehrer, die verbeamtet sind, und solchen, die tarifbeschäftigt sind. Und da hatten wir auch ein großes Banner vorbereitet, da stand dann eben drauf, wir machen es auch für 500 Euro weniger und hatten dahintergeschrieben, EG 13. Denn wir hatten so einen öffentlichen Tarifrechner genommen und hatten einfach mal verglichen, wie sieht das aus, wenn man A 13 kriegt und wenn man EG 13 bekommt. Und das ist also zum Beispiel ein Kollege, der bei mir in der Realschule neben mir sitzt, nicht wahr, der kriegt A 13, und ich bekomme EG 13, und dann haben wir einfach mal verglichen, was so der Tarifrechner ausrechnet, und da kommen dann locker 500 Euro weniger netto raus, selbst wenn man schon berücksichtigt, dass der beamtete Lehrer ja noch seine Krankenversicherung privat absichern muss.

    Burgwinkel: Ganz konkret 500 Euro weniger für genau die gleiche Arbeit?

    Müller: Für exakt die gleiche Arbeit. Der Kollege ist auch Englischlehrer, genau wie ich, und der hat auch eine Klasse, genau wie ich, er ist auch in etwa so alt wie ich, also von daher sehr vergleichbar.

    Burgwinkel: Mal ganz hypothetisch gefragt, Herr Müller: Sparen ist nötig wegen leerer Kassen, sehen wir wahrscheinlich alle ein – wäre denn die ungleiche Behandlung für Sie kein Thema mehr, wenn die Beamten jetzt mal weniger Geld bekämen?

    Müller: Es geht nicht darum, nicht wahr, dass die Beamten weniger kriegen, denn ich sag jetzt mal, schließlich steht da ja auch eine Ausbildungszeit hinter, nicht wahr, die also eine akademische Laufzeit beinhaltet und so weiter. Das heißt, Sie müssen ja davon ausgehen, dass wir ja auch sehr spät erst anfangen, Geld zu verdienen, das ist ja bei jedem Akademiker so. Und insofern, nicht wahr, ist das Gehalt, was der beamtete Lehrer kriegt, schon angemessen. Es ist einfach nur unangemessen, nicht wahr, zu sagen, nicht wahr, der Angestellte bekommt weniger netto raus.

    Burgwinkel: Wie könnte man die ins Stocken geratenen Tarifverhandlungen zum Beispiel dann wieder ans Laufen kriegen – durch Ihre Proteste vielleicht?

    Müller: Selbstverständlich, das ist, glaube ich, der einzige Ansatzpunkt, nicht wahr, den wir dann da haben, nicht wahr. Wir müssten theoretisch 37.000 angestellte Lehrer in Nordrhein-Westfalen auf die Straße bekommen, das wäre ideal, aber davon ist nicht unbedingt auszugehen. Es geht einfach darum, nicht wahr, dass man sieht, man muss diesen Arbeitsplatz für uns attraktiv machen, sonst gehen auch Leute einfach aus Nordrhein-Westfalen weg. Das heißt also, die Attraktivität, die wir jetzt hier bei uns sehr verkümmern lassen, die sorgt dann dafür, dass Leute, die einfach eins und eins zusammenzählen können, nicht wahr, sagen, ich gehe lieber nach Hessen, ich gehe lieber nach Rheinland-Pfalz, ich gehe lieber sonst wo hin, da bekomme ich dann also von vornherein oder überhaupt noch eine Verbeamtung hin, weil die also nicht nur bis 40 verbeamten – was ja bei uns schon verbessert worden ist –, aber ich sag jetzt mal, in anderen Bundesländern wird sogar bis 50 verbeamtet.

    Burgwinkel: Ja, und Lehrer gibt es doch sowieso zu wenig, sonst hätte man nicht so viele Seiteneinsteiger.

    Müller: Ja, ich sag mal, das ist sowieso das Problem, nicht wahr, dass die Stellen ja gar nicht alle besetzt werden können, nicht wahr, die die jetzt ausschreiben. Und wenn sie sie dann ausschreiben, werden sie mit Seiteneinsteigern besetzt, die eigentlich von der Lehrerausbildung zumindest zunächst mal nichts vorweisen können. Wird manchen Leuten angeboten, dass sie noch nachträglich eine Lehrerausbildung machen können, und diejenigen, die jetzt keinen Oberarzt mehr machen können, die können dann auf jeden Fall noch so eine einjährige Berufsbegleitung bekommen. Aber ich sage jetzt mal, das ist alles nicht das Gleiche, nicht wahr, als wenn man von vornherein auf Lehrer studiert hat. Also die Leute sind natürlich dann sagen wir mal von der Qualität eines Erfüllers, der also alle Voraussetzungen erfüllt, ja, doch noch ein Unterschied.

    Burgwinkel: Danke für das Gespräch. Heinz-Werner Müller, der Erste Vorsitzende von SchaLL, der Schutzgemeinschaft angestellter Lehrerinnen und Lehrer war das. Morgen sind weitere Aktionen geplant, zum Beispiel in Dresden. Außerdem wird es eine zentrale Demonstration geben in Düsseldorf zu den Bildungsperspektiven. Viele Schüler, Azubis und Studenten werden dort erwartet.