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Für kleine Flaschen besser als Maschinen

Die EU-Osterweiterung hat aufs Neue die Diskussion um die europäische Agrarpolitik angefacht. Fehler, die hier in den 50er Jahren gemacht wurden und zu einem massiven Höfesterben führten, sollten in den neuen EU-Ländern nicht wiederholt werden. Deshalb dringen EU-Abgeordnete wie der Grünen-Politiker Friedrich Wilhelm Gräfe auf eine behutsame Annäherung an den europäischen Markt. Kleinbäuerliche Strukturen wie sie zum Beispiel in Polen noch weitläufig intakt sind, sollen nicht unter den Maßgaben von Effizienz und Ertragsmengen zerstört werden, statt einseitiger Förderung von Weizen oder Milch in bestimmten Regionen soll es eine breite Förderung geben, eine Förderung, die auch den Tourismus bedenkt und die Eigen- und Weiterverarbeitung vor Ort unterstützt. In diesem Sinne brachen im letzten Herbst zwei Befürworter des Arbeitspferdes aus dem Rheinland auf nach Ostpolen. Sie waren auf einer Tagung in Lublin eingeladen, um über die Chance des Arbeitspferdes in einem hochindustrialisiertem Land wie Deutschland zu berichten.

Von Mechthild Lanfermann | 10.01.2005
    Erhard Schroll und Reinhold Scharnhölz waren nicht mit leeren Händen nach Lublin gefahren. Sie präsentierten dort einen modernen Antriebswagen, der eine schwere Fräse nach sich zog. Der Wagen kann entweder mithilfe eines Motors angetrieben oder, und so wurde er vorgeführt, von zwei Hengsten gezogen werden. Die Landwirte aus Lublin und der Umgebung verfolgten die Präsentation mit großem Interesse, so Reinhold Scharnhölz.

    Das ist vielleicht auch eine moralische Unterstützung für die kleinen Landwirte, die sehen, auch Leute aus dem reichen Westen interessieren sich für Pferdearbeit und machen da mit.

    Gerade in Ost- und Süd-Ost-Polen gibt es noch viele landwirtschaftliche Familienbetriebe, auf denen mit einfachem Gerät gearbeitet wird. Bei der Durchfahrt sieht man häufig Bauern, die mit einem Pferdepflug die Felder bestellen. Der EU-Beitritt hat hier für Verunsicherung gesorgt. So mancher Landwirt fürchtet, auf dem großen Markt unterzugehen, andere wiederum hoffen mithilfe der europäischen Fördergelder endlich wirtschaftlich aufholen zu können. Schroll und Scharnhölz warnen vor einem übereilten Kauf von schweren Landmaschinen. Sie befürchten, dass die teure Technik viele polnische Landwirte in den Ruin treiben könnte. Erhard Schroll:

    In Polen ist es so, dass diese kleinen Betriebe eigentlich nur eine Chance haben, wenn sie auf Pferdekraft bauen. Wenn die sich technisieren müssen, geht es dann nur über mehr Land, über entsprechende Rationalisierungen und das würde die sozialen Strukturen, die dort noch intakt sind, Familienbetriebe, wo 2/3 Generationen auf einem Betrieb wohnen, kaputtmachen auf einen Schlag.

    Schroll und Scharnhölz setzen sich seit Jahren auch hierzulande für den Einsatz von Arbeitspferden in der Landwirtschaft ein. Erhard Schroll ist Herausgeber der Zeitschrift "Starke Pferde", Reinhold Scharnhölz ein renommierter Richter in Bewertungskommissionen und Züchter von Kaltblutpferden. Die beiden Männer sind wichtige Knoten in einem Netz von Betrieben, die in Deutschland noch mit Pferden arbeiten. Rund 1000 Pferde, so schätzen sie, werden in der Forstwirtschaft eingesetzt, zum Beispiel, um geschlagenes Holz aus dem Bestand zu ziehen. Manche Baumschulen arbeiten mit Pferden, auch Kommunen, Tourismusverbände oder Brauereien. In der Landwirtschaft setzen rund 150 Betriebe Arbeitspferde ein. Die Obergrenze für einen sinnvollen Einsatz sei hier 30 bis 40 Hektar, sagt Reinhold Schroll, alles darüber mache wirtschaftlich keinen Sinn mehr. Auf seinem Hof in Lemgo stehen drei Arbeitspferde, die er vor allem beim Grasmähen, beim Heuwenden und –pressen einsetzt.

    Für einen Kleinbetrieb ist das Pferd allemal konkurrenzfähig, wirtschaftlich ökonomischer, es kann durchaus moderner sein als ein Traktor mit gleichem Leistungsvermögen aber mit wesentlich weniger Energieverbrauch.

    Bei jedem Einsatz überlegt er, ob es wirtschaftlich Sinn macht, so Schroll. Doch selbst wenn es nicht so wäre, er wolle die Pferde auf dem Hof nicht missen. Die Arbeit mit den Pferden gehöre für ihn zum Leben als Landwirt .

    Die Maschinen laufen 8 Stunden durch, Pferde brauchen ihre Pausen, Ruhepausen, Futterpausen und da muss ich mich auch dran halten, da muss ich meinem eigenen Rhythmus anpassen und das ist ein natürlicher Rhythmus, eine viel angenehmere Sache, nicht so entfremdet.

    Und so lautet ihre Botschaft auch bei ihrem Besuch in Polen: Nicht der Arbeitseinsatz selber, sondern nur das Image des Arbeitspferdes sei rückständig. Der Kauf von schweren Landmaschinen würde viele polnische Landwirte in Schulden drängen, die sie in Generationen nicht wieder reinholen könnten, so Scharnhölz.

    Die Feldmark ist wirklich aufgeteilt in zig kleine Felder und da können sie keine teuren Maschinen einsetzen, also einmal ist die Finanzkraft nicht da und zum anderen können sie die Großmaschinen auch nicht vernünftig einsetzen, weil die Felder zu klein sind.

    Ob ihre Botschaft angekommen ist, können die beiden Deutschen nicht sagen Für sie war entscheidend, dass ein erster Kontakt hergestellt war, dass es zu Gesprächen gekommen ist und neue Einladungen hin und her gehen. Landwirte fühlten sich oft als Einzelkämpfer, sagt Erhard Schroll, da sei es wichtig, Foren zu schaffen.

    Das sind schon Sachen, die ich einfach wichtig finde, so ein Gefühl zu schaffen, wir sind nicht eine klitzekleine Minderheit, sondern da gibt es doch tatsächlich noch irgendwelche andere Verrückte, irgendwo in anderen europäischen Ländern, die ähnliche Gedanken, ähnliche Probleme haben, wo man sich auch austauschen, sich gegenseitig unterstützen, helfen kann.