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Für mehr Sicherheit und Rohstoffe

Vor Kurzem hat die deutsche Diplomatin Patricia Flor ihr neues Amt als Sonderbeauftragte der Europäischen Union für Zentralasien angetreten. Eine ihrer Herausforderungen: die Emanzipation der ehemaligen Sowjetrepubliken von Russland unterstützen.

Von Doris Simon | 06.08.2012
    "Ich war überzeugte deutsche Diplomatin. Ich glaube aber, dass wir im globalen Maßstab nur dann Einfluss haben werden, wenn wir als EU auftreten. Wo es darum geht, wer sitzt mit am Tisch mit den anderen Großen, da wird zunehmend die EU gefragt sein, und da bin ich überzeugt, dass es sich lohnt, in dieses Projekt EU-Außenpolitik zu investieren."

    Patricia Flor zweifelt nicht an ihrem Wechsel auf die europäische Ebene: Da liege am Ende doch die Zukunft, sagt die Spitzendiplomatin, die zuletzt deutsche Interessen in Osteuropa, dem Kaukasus und Zentralasien vertreten hat. Die Region liegt der zierlichen Frau mit kurzen braunen Haaren und randloser Brille, liegt Zentralasien schon lange am Herzen. Die 50-Jährige lernte schon im Studium russisch und arbeitete über die damalige Sowjetunion. Heute sieht sie die Länder Zentralasiens mitten in einem Prozess der Selbstfindung. Man sei sehr stolz auf die eigene Kultur und eigene Werte, erklärt Flor. Aus Sowjetzeiten habe man die Angst mitgenommen, von anderen dominiert zu werden, aber auch die Haltung, Religion und Staat zu trennen. Auf all das prallten nun die Ansprüche von außen.

    "Es ist ja eine ganz alte Kulturregion. Wenn sie zurückgehen, Hodschant zum Beispiel, eine Oasenstadt in Tadschikistan, ist von Alexander dem Großen gegründet, da gibt es Wurzeln, die reichen in die Antike zurück, Blütezeit der islamischen Zeit, Buchara, Samarkand, Überlagerung durch sowjetisches System, deshalb finde ich es besonders herausfordernd, zu sehen, wie diese Region Zukunft gestalten kann einmal mit Transformation von Sowjetsystem zu unserem System macht und damit auch islamische Religion und diese eigene Tradition und Kultur verbindet."

    Europa will Gas, Öl, Rohstoffe aus Zentralasien, aber es will auch Sicherheit: Die Region grenzt an Afghanistan, an den Iran, an Pakistan. Ob Drogen, religiöser Extremismus oder atomare Aufrüstung, Europa muss ein Interesse daran haben, Zentralasien weniger anfällig zu machen für die Bedrohungen seines instabilen Umfeldes. Die Zusammenarbeit der fünf Staaten ist aus Sicht der EU-Sonderbeauftragten die erste Voraussetzung für mehr Stabilität in Zentralasien. Das fängt mit der Infrastruktur an: In der Region, die viele Jahrhunderte von großen Handelswegen durchkreuzt wurde, fehlt es heute überall an grenzüberschreitenden Straßen und Bahntrassen. Große Probleme sind auch ethnische Auseinandersetzungen, der Streit um ungeklärte Grenzen, um Wasserressourcen und fruchtbare Böden. Deshalb will die Europäische Union die Regierungen der Region in einem Sicherheitsdialog zusammenbringen:

    "Wo alle fünf zentralasiatischen Staaten mit der EU an einem Tisch sprechen und über die regionalen Herausforderungen sprechen. Und da sieht man, das ist aus unserer Sicht unerlässlich, und obwohl es in der Region immer Vorbehalte gibt gegen rege Zusammenarbeit, bleibt es notwendig, dass sich die EU einsetzt und wir dort unsere Partner überzeugen."

    An Interesse an engerer Zusammenarbeit mit der EU mangele es nicht in Zentralasien, berichtet Flor, trotz enger Verbindungen zu China und vor allem Russland:

    "Die EU ist durchaus glaubwürdig in der Region, weil man bei EU davon ausgeht, dass die EU eben nicht in einer reinen machtpolitischen Zielsetzung auftritt. Insofern sind wir da als Partner durchaus gesucht."

    Für die Europäer müssten Projekte nicht direkt einen Vorteil bringen, beschreibt die EU-Zentralasienbeauftragte den Unterschied zum chinesischen oder russischen Engagement. So koordiniert Italien für die EU die Wasserinitiative für Zentralasien, die eine gemeinsame effiziente und gerechte Nutzung der Wasserressourcen in der Region zum Ziel hat- ein wichtiges Projekt, weil es durch Wasserverknappung oft zu gefährlichem Streit zwischen Anrainern kommt. Deutschland und Frankreich haben die Federführung für den Bereich Rechtsstaatlichkeit – dort gibt es in allen Staaten Zentralasiens Probleme, sagt die EU-Sonderbeauftragte, und die spricht sie bei jedem Treffen an. Patricia Flors Erfahrung ist, dass man dort oft mit konkreten Projekten am meisten erreicht, etwa in Usbekistan. Dort steht es besonders schlecht um Meinungsfreiheit und Menschenrechte :

    "Wo die EU ein Zehn-Millionen-Euro-Projekt begonnen hat, um das Strafrecht auf moderne Standards zu bringen, natürlich auch die Gefängnisse zu verbessern. Hier gibt es immer wieder Bereiche, wo auf der anderen Seite der Wille zur Zusammenarbeit da ist, und das muss man dann nutzen."