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"Für mich persönlich ist das optimal"

Die Vorstellung von der Freiberuflichkeit ist für viele Berufsanfänger verlockend. Wäre da nicht die Angst, auch mal ganz ohne Aufträge dazustehen. Doch diese Angst kann man überwinden, wenn man sich als Freiberufler gut organisiert. Ein wichtiger Schritt kann die Zusammenarbeit mit anderen Kollegen sein. Sue Pickett hat das so gemacht. Die gebürtige Engländerin arbeitet seit vierzehn Jahren als freie Übersetzerin in Köln.

Von Britta Mersch | 17.12.2005
    "Ich habe erst als Lehrerin in einer Privatschule Englisch unterrichtet und habe danach eine Stelle in einem Übersetzungsbüro bekommen, wo ich vier Jahre angestellt war. Und danach habe ich mich dann selbständig gemacht."

    Erst waren es nur ein paar Aufträge nebenbei, mit denen Sue Pickett neben ihrer Arbeit im Übersetzungsbüro Geld verdient hat. Irgendwann hat sie sich dann entschieden, komplett selbständig zu arbeiten, und das mit der Unterstützung von Freunden und Kollegen.

    "Ich hab mich mit verschiedenen Leuten beraten, hatte Leute, die sich mit dem ganzen steuerlichen Kram auskannten, die mir geholfen haben, mit anderen Freiberuflern, hatte auch mit meinem Chef gesprochen, der mir auch zusicherte, dass er mir weiterhin Aufträge geben würde. Hab mich auch in Büchern informiert usw. usf."

    Startkapital brauchte sie als Übersetzerin keines, investiert hat sie nur in Computer und Wörterbücher. Den Schritt in die Selbständigkeit wollte sie aber nicht ganz alleine wagen. Zusammen mit zwei Kolleginnen hat sie eine Bürogemeinschaft gegründet, die sie im ersten Jahr sogar zunächst vom heimischen Schlafzimmer aus betrieben hat. Die Zusammenarbeit im Team sei gerade am Anfang eine große Hilfe gewesen.

    "Wir haben dann Briefe rausgeschickt und uns so beworben. Das hat sehr schnell sehr gut geklappt. Wir konnten uns in den ersten Monaten kaum vor Arbeit retten. Preise, das war natürlich ein anderes Ding, da mussten wir uns erst mal einarbeiten und gucken, wo man am besten arbeitet und wo man am besten bezahlt wurde."

    anche Aufträge haben Sue Pickett und ihre Kolleginnen damals noch für umgerechnet sechzig Cent pro Zeile bearbeitet, heute ist das Doppelte der Standard. Gerade über die Preiskalkulation hätten sich die drei Kolleginnen am Anfang viele Gedanken machen müssen – schließlich waren sie am Markt Neulinge.

    "Wir wussten schon, welche Preise gängig waren und was Dumpingpreise waren und konnten uns schon ganz gut orientieren. Aber am Anfang nimmt man alles an, um ins Geschäft zu kommen. Und wir haben schon unter Preis gearbeitet. Es war mir immer wichtig, dass man einen Austausch hat, dass man sich gegenseitig half, ich wollte das nicht ganz alleine machen. Wir haben wirklich zusammen gearbeitet, haben Aufträge geteilt, gegenseitig Korrektur gelesen, gemeinsam Aufträge reingeholt, Werbung gemacht, die ganze Buchhaltung gemacht und auch die ganze Infrastruktur geteilt."

    Acht Jahre lang hat die Teamarbeit der Übersetzerinnen gedauert. Durch Kinder und Umzüge gestaltete sich die Kooperation dann schwierig. Seit sechs Jahren arbeitet Sue Pickett nun alleine – allerdings hat sie sich ein Netzwerk mit anderen Freiberuflern aufgebaut. Sie hat eine Bürogemeinschaft mit Journalisten und Lektoren gegründet.

    "Man kann sich doch austauschen und sich gegenseitig helfen. Muss nicht immer fachlich sein, dass ist schön, Kontakt zu haben. Weil im Alltag des Computers und des Internets, da kann man eigentlich den ganzen Tag da sitzen und mit keinem reden. Aber das ist mir schon sehr wichtig, dass ich Kontakt zu anderen, richtigen Menschen habe."

    Zusätzlich dazu profitiert sie von Kontakten zu anderen Übersetzern – auch wenn die nicht direkt neben ihr am Schreibtisch sitzen.

    "Man kriegt schon Aufträge durch andere Kollegen und greift auf die zurück, und auf fachliche Hilfe – das ist auch wichtig."

    Das Leben als Freiberuflerin hat aber nicht nur Vorteile, gerade was Freizeit und Familie angeht. Als Mutter von zwei Kindern, die sechs und neun Jahre alt sind, muss Sue Pickett manchmal einen Spagat machen zwischen Beruf und Familie.
    "Ich muss schon öfters Arbeit mit nach Hause nehmen, oder wenn ein Kind krank ist, dann hänge ich trotzdem noch am Telefon und muss Kundenfragen beantworten usw. und dann kurzfristige Anfragen dann doch noch zu Ende machen."

    Trotz dieser Nachteile möchte Sue Pickett ihr Freiberufler-Dasein nicht mehr gegen eine Festanstellung eintauschen.

    "Für mich persönlich ist das optimal. Weil ich Kinder habe, ich kann das einigermaßen flexibel gestalten. Wenn meine Kinder Ferien haben, dann bin ich nicht mehr im Büro. Ich stell mir das schon sehr schwierig vor, wenn man eine feste Anstellung hat."