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"Für neue Bands ist das Festival sehr aufregend"

Jedes Jahr finden in Europa zahlreiche Musikfestivals statt, die mit großen Stars und ausgefallenem Programm aufwarten. Welche Künstler zu diesen Festivals eingeladen werden, das entscheidet sich früher. Zum Beispiel auf dem Eurosonic Noorderslag Showcase Festival im niederländischen Groningen, das in diesem Jahr seine 27. Auflage feierte.

Von Dennis Kastrup | 14.01.2013
    Fast alle Bands, die hier spielen, sind Anfänger. Manche haben noch gar kein Album, wie die schottische Band Churches:

    "Ich habe schon viel von dem Eurosonic Festival gehört. Es hat in Großbritannien einen sehr guten Ruf. Es ist das erste Festival des Jahres, die Zeit nach Weihnachten und wenn alle wieder zur Arbeit gehen. Das schauen sich alle ganz genau an. Deshalb bekommt das Eurosonic sehr viel Aufmerksamkeit. Für eine neue Band ist das sehr aufregend."

    Wie aufregend es sein kann, erlebt man bei den Konzerten. Die Musiker wirken oft verschüchtert, unsicher und nervös. Für einige ist es das erste Konzert überhaupt. Andere spielen das erste Mal außerhalb ihres Heimatlandes. Man beschnuppert sich. Diese ganz besondere Atmosphäre lockt auch Gäste aus dem Ausland an, wie zum Beispiel einen Besucher aus Dresden, der deshalb so weit angereist ist:

    "Eigentlich nur wegen der Musik und weil ich erwartet habe, dass Newcomerbands da sind, die komplett unversaut sind und noch nicht so viel mit Kommerz zu tun haben und wegen der Musik eigentlich auftreten und wegen des Spaßes."

    Die Konzerte finden an 33 Orten statt: kleine Klubs, Theater, Museen oder auch in einer Kunsthochschule. Alles ist fußläufig zu erreichen. Ein großer Vorteil, meint der künstlerische Leiter Peter Smidt:

    "Die Stadt ist für eine Veranstaltung wie diese gemacht. Man trifft sich auf der Straße. So ein Festival kann man nicht in einer großen Stadt machen. Da fühlt man sich verloren, wenn die Wege zwischen den Veranstaltungsorten so lang sind."

    An jeder Ecke der Stadt ist Musik zu hören. Die Straßen sind voll mit Menschen.

    Viele, die auf dem Eurosonic spielen, haben das Potenzial, groß rauszukommen. Mit dabei sind Bands wie die Award Gewinner "Ewert and The Two Dragons" aus Estland, die von der "BBC" gehypten "AlunaGeorge" oder auch Newcomerin "Leslie Clio" aus Deutschland. Darin unterscheidet sich das Festival von klassischen Festivals: Es übernimmt eine Filterfunktion.

    Peter Smidt:
    "Jeden Tag werden Tausende von Platten veröffentlicht. Man kann sich nicht alle anhören. Ein Festival macht eigentlich das, was auch gute Radiosendungen machen: Sie spielen einem mehr oder weniger das vor, was man mag. So ist es bei unserem Festival. Für Musikliebhaber und Leute aus dem Musikgeschäft gibt es einfach zu viel da draußen. Wir nehmen die Leute an die Hand und sagen ihnen, welche Künstler es wert sind, dass man sie sich mal genauer anhört."

    Das Konzept ähnelt dem des amerikanischen South By Southwest Festivals in Austin, Texas. Eigentlich sei es das gleiche Prinzip, sagt Peter Smidt, nur eben in diesem Fall auf dem europäischen Markt:

    "Wir haben allgemein das Gefühl, dass es viele Bands aus den Staaten und Großbritannien gibt. Wir denken aber, dass es wichtig ist, die Qualität und Verschiedenheit in Europa zu zeigen. Eins unserer Ziele ist es, die Verbreitung vom europäischen Repertoire in Europa zu verbessern. Es sollte normaler als jetzt sein, dass deutsche Bands in Frankreich, Portugal und Holland auftreten und auch andersherum."

    Das Eurosonic in Groningen hat sich in den vergangenen Jahren zu einem der bedeutendsten europäischen Festivals gemausert. Es ist kontinuierlich gewachsen. Die Macher müssen aufpassen, dass ihnen ihr Festival nicht um die Ohren fliegt. Denn wegen Überfüllung kann man längst nicht alles sehen, was man will. Und doch: Hier im holländischen Groningen wird der ursprüngliche europäische Gedanke drei Tage lang musikalische Realität:

    "Ich erinnere mich daran, dass die Leute am Anfang gedacht haben: 'Bands aus Deutschland? Bands aus Frankreich? Warum macht ihr das?" Es fühlte sich für sie komisch an, ist es aber nicht. Jetzt wird das immer öfter als normal angesehen. Das ist doch eine gute Entwicklung.