Dienstag, 30. April 2024

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"Für solche Preise würde kein Klempner ins Haus kommen"

Der Unionsverlag ist vom Verband deutschsprachiger Übersetzer für seinen vorbildlichen Umgang mit Übersetzern ausgezeichnet worden. Der Leiter des Verlages, Lucien Leitess, findet es unfair, eine Beteiligung am Verkaufserfolg zu verweigern. Er sei glücklich, wenn ein Buch gut verkauft werde und der Übersetzer daran partizipiere.

Moderation: Doris Schäfer-Noske | 13.09.2005
    Doris Schäfer-Noske: Übersetzer sind verwegene Kämpfer, die den Turm von Babel angreifen, hat Albert Camus einmal gesagt. Die Übersetzer von heute kämpfen aber nicht nur um den besten Weg aus der Sprachverwirrung, sondern oft auch schlicht um Anerkennung und eine angemessene Bezahlung. Immer wieder werden Fälle von Übersetzern publik, die am Erfolg des von ihnen übersetzten Buches beteiligt werden wollen. Und am Schluss wird dann ein anderer mit der Übersetzung der neuen Bücher des Autors beauftragt - einer, von dem man nicht annimmt, dass er auch eine Erfolgsbeteiligung haben will. So geschehen im Fall von Tobias Scheffel, der die Romane von Fred Vargas für den Aufbau-Verlag ins Deutsche übertrug. Der Züricher Unionsverlag erhält nun in diesem Jahr die "Übersetzerbarke", einen Preis, mit dem der Verband deutschsprachiger Übersetzer den Verlag für seinen vorbildlichen Umgang mit Übersetzern ehrt. Frage an Lucien Leitess, den Leiter des Unionsverlags: Was machen Sie denn besser als andere Verlage?

    Lucien Leitess: Wir versuchen, die Übersetzer ernst zu nehmen. Und zwar, so weit es geht, ökonomisch. Das ist ein sehr schwieriges Feld, weil wir auch in einem sehr engen Boot sitzen. Aber vor allem auch versuchen wir, einfach klar zu machen, welche Rolle die Übersetzer spielen - ohne Übersetzer gibt es ja keine Weltliteratur. Sie sind gewissermaßen diese Halbgötter, diese Atlasse, die die ganze Erde auf ihren Schultern tragen, Literatur von einem Kontinent, von einer Sprache in die andere zu transferieren. Und der normale Leser merkt das eigentlich gar nicht. Er liest ein Buch, er denkt, das sei das Buch des Autors, dabei ist es eigentlich der Text des Übersetzers, den er liest. Also wie so eine Glasscheibe: Man schaut ins Freie, und wenn die Übersetzung gut ist, wenn das Glas sauber ist, sieht man ein klares, reines Bild und merkt gar nicht, dass man durchs Glas schaut. Diese Diskussion versuchen wir zu fördern. Indem wir zum Beispiel einfach die Übersetzer nennen auf den Umschlagsseiten. Indem wir neben der Autorenbiografie eine Übersetzerbiografie ins Buch aufnehmen. Und für einzelne Bücher haben wir auch die Übersetzer gebeten, Übersetzungsberichte zu verfassen, einfach um diese Zwischenstation zwischen Autor und Leser dem Publikum ins Bewusstsein zu bringen.

    Schäfer-Noske: Sie haben das ökonomische Thema schon angesprochen. Wie bezahlen Sie denn Ihre Übersetzer?

    Leitess: Wir bezahlen sie marktüblich. Das sind Preise zwischen 16 bis 20 Euro, das kann auch mehr sein. Ich muss ganz offen sagen, dass auch das höchste Honorar, was wir uns überhaupt nur irgendwie leisten können, nicht den Aufwand des Übersetzers deckt. Für solche Preise würde kein Klempner ins Haus kommen. Das ist leider so. Wir geben immer auch Erfolgsbeteiligungen, das sind%e ab zum Beispiel 10.000 beim Hardcover oder 30.000 beim Taschenbuch. Das trifft halt in Gottes Namen leider nur die glücklichen Wenigen. Und das Problem liegt bei den vielen, vielen Büchern, die ganz einfach wenige Leser finden und wo diese Paragrafen gar nie in Kraft treten können.

    Schäfer-Noske: Bleiben wir noch mal bei der Erfolgsbeteiligung: Da gab es ja in letzter Zeit immer wieder Fällen, in denen Übersetzer auf eine solche Erfolgsbeteiligung geklagt haben und daraufhin dann gegen andere ausgetauscht worden sind - und das Ganze ja, obwohl in der Urheberrechtsnovelle vor über drei Jahren die Stellung der Übersetzer gestärkt worden ist. Wie kommt das denn, dass das immer noch geht?

    Leitess: Ich halte es für nicht nur unangemessen, sondern für absolut unfair. Ich kann nur für uns sagen: Wir sind glücklich, wenn solch ein Buch diese Zahlen erreicht und dann auch der Übersetzer entsprechend partizipiert.

    Schäfer-Noske: Gerade eine solche Art der Bestseller-Vergütung, um die es ja zum Beispiel bei Tobias Scheffel geht, hatte die Verlegervereinigung des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels schon vor zwei Jahren angeboten. Warum konnte man denn sich da bisher zwischen den Verlegern und Übersetzern nicht auf verbindliche Regelungen einigen? Wie erklären Sie sich das?

    Leitess: Ich höre zum Teil Forderungen von den Übersetzerverbänden, wo ich einfach sagen muss: Wenn wir denen nachkommen würden - was wir auch objektiv gern täten -, dann könnten wir die Bücher nicht mehr herausgeben. Und ich glaube, es ist da einfach von beiden Seiten eine gewisse Flexibilität gefragt. Und es ist aber vor allem, denke ich, von Verlegerseite, wenn ich da pro domo sprechen kann, ist es einfach notwendig, dass man die Übersetzer als Partner behandelt, wo man einen gegenseitigen Vorteil eine gute, einvernehmliche Lösung finden muss.

    Schäfer-Noske: Der Aufbau-Verlag hat ja im Fall Tobias Scheffel erklärt, eine Erfolgsbeteiligung würde für den Verlag das wirtschaftliche Aus bedeuten. Können Sie eine solche Argumentation nachvollziehen?

    Leitess: Ich kann für uns sagen: Es ist nicht die Erfolgsbeteiligung, die den Verlag ökonomisch in Schwierigkeiten bringen würde, sondern es ist das Ausbleiben des Eintretens des Erfolges. Man muss davon ausgehen, dass ein Roman, der übersetzt wird, dass der vielleicht erst ab 6.000, manchmal 7.000 Exemplaren überhaupt erst seine Unkosten einspielt. Und das ist leider so, dass Vierfünftel oder Siebenachtel aller Übersetzungen, die wir herausbringen, diese Zahlen nicht erreichen. Buchmachen ist wie Roulette - man muss einfach schauen, dass es kein russisches Roulette wird.