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Fürs traute Heim

"Wir sind doppelt und dreifach optimistisch."

Von Beatrix Novy |
    Es ist noch kein Aufschwung, nur ein kleines Umsatzplus, das die Möbelbranche und den Geschäftsführer ihres Verbands, Dirk-Uwe Klaas, wieder hoffen lässt.

    "Es findet 2006 die WM bei uns statt, dafür werden die Leute nicht nur neue Fernseher brauchen, sondern auch die passenden neuen Möbel...."

    Eine abenteuerlich anmutende Begründung. Sieht man von dem als Fußballtor verkleideten Kinderbett ab, findet sie ihre sichtbare Manifestation am ehesten in der Masse der Polstermöbel, in den übergroßen, überlangen, manchmal schlangenartig geformten Sofas, die für das Heimkino mit Riesen-Flachbildschirm nicht schlecht geeignet wären. Fußball als Element der quasi-familiären Geselligkeit, den die im Dienst der Möbelindustrie tätigen Zeitgeistforscher schon vor längerem zum "Homing" erklärt haben.

    Dieser aus der Not ökonomischer Krisen und Weltängste geborenen Verhaltensform eignet nicht der privatistische Rückzugscharakter des so genannten Cocooning, eine Trendmetapher der 90er; nein, homing ist kommunikativ, was sich in Tischen von bisweilen sagenhafter Länge äußert. Gedacht nicht für die Großfamilie, die es kaum noch gibt - und wenn, dann eher in design-fernen Verhältnissen lebend -, sondern für ihren modernen Ersatz, die Freundesgeselligkeit. Auf 3,60 Meter Länge lässt sich ein Tisch aus dunklem massiven Nussbaum ganz unauffällig ausziehen - eine technische Leistung, die mit der raffinierten dreieckigen Stützenform zu tun hat; gleichzeitig wirkt das 100 kg schwere Stück in seiner edlen Geradlinigkeit geradezu verwirrend leicht: Diesen Effekt kann man als Innovation bezeichnen. Und den Tisch als Beweisstück für eine diesjährige Messe-Verlautbarung: "Der dunkle Nussbaum wird seine Stellung ausbauen".

    Solche kleinteiligen Diagnosen sind noch die sichersten derzeit, da die großen Trends der Vorjahre von keinem größeren abgelöst werden. Es ist, als seien alle Schlachten geschlagen und das Friedensabkommen unterzeichnet. Nach Jahren, in denen die Schneller-Wohnen-Bewegung zulegte, musste die Branche schließlich gegen die Geiz-ist-geil-Mentalität der Käufer ankämpfen; jetzt stehen die Mitnahme-Möbel, friedlich integriert, in einer eigenen Halle. Was freilich einen ökonomischen Trend markiert, den man auch anderswo kennt

    "Die Schere öffnet sich zwischen hochpreisigen und billigen Möbeln."

    Dunkle Hölzer, glattgebürstet, kombiniert mit Chrom-oder Edelstahl, klare Formen, sichtbar gute Verarbeitung – was den Blick dominiert, stimmt erstaunlich oft mit dem Ruf nach Qualität überein. Ostasiatische Beweglichkeit ohne Scharniere und Nägel bringt, mit altem know-how und auf neuestem technologischen Niveau, erstaunliche Klapptische zustande. Das Flechthandwerk kommt wieder zu Ehren, in einer Installation der Fachhochschule Coburg, aber auch in den Rattan-Entwürfen von Luigi Colani. Eine Halle ist nur für das Spiel junger Designer reserviert, die Zeitschrift "Schöner Wohnen" deklariert schon mal die ersten 100 Klassiker des neuen Jahrtausends.

    Die Erziehung der Menschheit zur guten Form mag auf Werkbundebene gescheitert sein, dafür bemüht sich die Möbelmesse mehr und mehr um die Hervorbringung neuer Standards. Zu diesem Bemühen gehört seit längerem die zweckfreie Installation "Das ideale Haus". Dieses Jahr lud die Messe den früheren Chefdesigner der Firma Braun, Dieter Rams, dazu ein, der nach dem Motto "Weniger ist mehr" eine kleine Kollektion allerbester Design-Möbel zusammenstellte; das Ergebnis zeigt, dass Ideale – auch im Möbelbereich - besser nicht vollkommen in Wirklichkeit umgesetzt werden sollten. Aber Gefahren dieser Art steht ohnehin das "everything goes", oder, um es mit dem diesjährigen Trendbegriff zu sagen, die "Selbstkompetenz" der Möbelkäufer tröstlich entgegen. Und der ausgeflippte Riesenkronleuchter im rot-goldenen Ambiente eines deutschen Herstellers erinnert doch noch daran, dass unser aller Wohnbedürfnisse immer zwischen den Polen schwanken, zwischen Kitsch und Design, zwischen Nomadentum und Sesshaftigkeit. Das wenigstens bleibt sich gleich.