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Fürstenherrlichkeit in Mantua

Mitte des 18. Jahrhunderts bedachte der angesehene und kunstsinnige Kardinal Silvio Valenti Gonzaga eine Reihe Maler mit Aufträgen und ließ sie seine Gemäldesammlung malen. In Mantua versucht man diese legendäre Sammlung zu rekonstruieren.

Von Thomas Migge |
    Zu Besuch bei Kardinal Gonzaga: Ein riesiges Gemälde, fast zwei Meter hoch und über zweieinhalb Meter breit. Giovanni Paolo Pannini malte es 1749. Das Bild zeigt eine Gemäldegalerie, deren Wände über und über mit Kunstwerken verhängt sind. Überspannt wird dieses Kunsteldodado von Stuckdecken mit Engeln und anderen Figuren. In der Bildmitte ist ein ganz in intensives Rot gekleideter Kirchenfürst zu erkennen, der sich von einigen anderen Herren ein Bild zeigen lässt. Der rote Mann der Kirche ist Silvio Valenti Gonzaga und Pannini war sein Lieblingsmaler. Der Kardinal beauftragte den Künstler ein Gemälde anzufertigen, das seine römische Bildersammlung zum Thema hat. Das weltberühmte Bild wird jetzt in Mantua präsentiert. Es ist zum Gegenstand eines internationalen Puzzles geworden, erklärt die Kunsthistorikerin und Ausstellungskuratorin Raffaella Morselli:

    "Unser roter Faden war der, dass wir versuchen wollten die Sammlung des Kardinals Gonzaga wieder zu vereinen. Dafür studierten wir das Gemälde Panninis und nutzten auch die in den letzten Jahren wiederentdeckten und Originaldokumente zu dieser Sammlung. Kardinal Gonzaga war einer der bekanntesten Liebhaber seiner Zeit in puncto Malerei, Bildhauerei und Architektur."

    Der Spross einer hoch angesehenen Fürstenfamilien Italiens machte Karriere in der katholischen Kirche und wurde schliesslich Kardinalstaatssekretär im Vatikan - und damit zum zweitmächtigsten Mann nach seinem Dienstherrn, Papst Benedikt XIV. Der Kardinal liess sich in Rom eine Villa errichten, die seine immense Gemäldesammlung aufnehmen sollte - über 800 Kunstwerke. Eine berühmte Sammlung, die für Reisende aus ganz Europa während ihrer Grand Tour durch Italien ein Muss war. Doch die Kollektion hatte nur ein kurzes Leben.
    1756 starb der Kardinal und sein Neffe, gar nicht kunstliebend und immer knapp bei Kasse, verkaufte die Werke in alle Herren Länder. Zwei Jahre Forschungsarbeit wurden benötigt, um die Kollektion zu rekonstruieren. Aus den USA und Europa wurden 100 Gemälde nach Mantua geholt - in den Palazzo Te, wo sie so aufgehängt wurden wie der Kardinal es liebte: dicht neben- und übereinander und in ihrer Quantität und Qualität den Betrachter fast erschlagend.
    Raffaella Morselli:

    "Zentrum der Ausstellung ist Panninis großes Gemälde, das in den USA, in Hartford, in Connecticut aufbewahrt wird.
    Pannini zeigt die Galerie des Kardinals. Auf seinem Bild sind 240 Gemälde der Sammlung dargestellt. Uns ist es gelungen 100 von diesen nach Mantua zu holen. Mit dieser Ausstellung wollen wir auch die Figur des Kardinals vorstellen, der einer der berühmtesten Intellektuellen seiner Zeit war."

    Und ein den Künsten gegenüber scheinbar recht freizügiger Mann: war er es doch der in Rom eine päpstliche Akademie der Nacktmalerei einrichtete.
    Silvio Valenti Gonzaga ist auch das erste europäische Gesetz zu verdanken - es ist als Originaldokument in der Ausstellung zu sehen - das die Ausfuhr von Kunstwerken aus einem Staat, aus dem Kirchenstaat, bei Strafe untersagte. Er schuf jene Strukturen, aus denen später das italienische Kulturministerium hervorhing. Gonzaga war aber auch ein Mann des Luxus und der Feste, Mit seinem schier unerschöpflichen Vermögen liess er in ganz Europa Kunst kaufen. Unter den in Mantua zu sehenden Gemälden - die allesamt für die Kunstschau restauriert und gesäubert worden sind - finden sich großen Namen: da ist ein Porträt Papst Julius II. von Rafael, eine lesende Madonna von Correggio, eine Schmerzensmadonna von Hans Memling, Bilder von Lorenzo Lotto, von Van Wittel und viele von Pannini, dem, wie er es selbst formulierte, ³Lieblingspinsel² des Kirchenfürsten. Im Unterschied zu den meisten anderen Sammlern seiner Zeit hatte der Kardinal, so Raffaella Morselli, eine präzise Vorstellung von seiner Kollektion:

    "Fast alle anderen Sammlungen sind eine Art Sammelsurium. Kardinal Gonzaga hingegen schuf eine Kollektion, die streng nach Malschulen unterteilte. Eine Gruppe von Experten, die er durch ganz Europa schickte, sollte ganz gezielt bestimmte Werke aufkaufen. Unter museumswissenschaftlichen Gesichtspunkten müssen wir von einer aufgeklärten Sammlung sprechen, wie wir das heute aus unseren Museen gewöhnt sind."

    Silvio Valenti Gonzaga sammelte soviel Kunst, dass er sie nicht komplett in seiner römischen Residenz, der heutigen Villa Paolina, unterbringen konnte.
    Das scheint ihn nicht gestört zu haben: er verfügte über immense Depots und andere Paläste und Villen - auch in Mantua. Dort brachte er seine Schätze unter - und erfreute sich an ihrem Anblick wenn er auf einer seiner häufigen Reisen dorthin kam.