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Fürstliche Bereicherung in Hessen

Eine Dreiviertel Million Euro soll Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen einer Kirchenstiftung entzogen haben und das als Stiftungschef. Hinzu kommt, dass das Land Hessen Stiftungsaufsicht hat und eine Satzung genehmigte, die zu dem Umtrieb führte. Nun klagt die Evangelische Kirche gegen die Landesregierung.

Von Anke Petermann | 02.05.2013
    Wie eine kleine Festung sieht die tausend Jahre alte Remigiuskirche am Büdinger Friedhof aus. Die romanische Grabkirche hoch über dem mittelalterlichen Fachwerkörtchen Büdingen zwischen Frankfurt und Fulda gilt als kulturhistorische Kostbarkeit. Doch nach einem Wassereinbruch im Dach reicht es nur für eine Notsicherung, bedauert Manfred Meuser vom Büdinger Kirchenvorstand. Er schaut besorgt auf gelbe Flecken an der weißen Wand, die sich Richtung Decke ziehen.

    Manfred Meuser:
    "Die ganze Wand von oben her war total nass. Es hat richtig reingeregnet, massiv reingeregnet. Und wir hatten gedacht, es wäre nur mit einer kleinen Baumaßnahme zu machen, an der Dachrinne, dass die in Ordnung gebracht wird, aber so musste dann doch die ganze Ecke des Daches aufgemacht und wiederhergestellt werden."

    Doch die 900.000 Euro für die nötige Dachsanierung will Stiftungschef Wolfgang Ernst zu Ysenburg und Büdingen nicht rausrücken. Obwohl die Stiftung Präsenz zu Büdingen vor Jahrhunderten eigens dafür gegründet wurde, die beiden Kirchen und den Friedhof in dem Fachwerkstädtchen zu erhalten. Joachim Brinkhaus, Vorsitzender des Kirchenvorstands:

    "Der Fürst hat mir eben zu verstehen gegeben, dass die Präsenz dafür kein Geld hat, und dass ich mich an die Stadt und die Kirche wenden soll und an die Denkmalpflege."

    Auch für den lange geplanten Umbau der Gemeinderäume in der Marienkirche mitten in Büdingen will der Fürst nichts geben. Die Leitung der Evanagelischen Kirche in Hessen und Nassau, kurz EKHN, wartet lange schon vergeblich darauf, dass die Präsenzstiftung sich um die beiden Kirchen kümmert, erzählt Joachim Schmidt, bis vor kurzem dort Leiter der Öffentlichkeitsarbeit:

    "Etwa seit zehn Jahren ist es so, dass kaum noch Gelder zum Unterhalt der Büdinger Kirchen gezahlt werden. Die Evanagelische Kirche hat umfangreiche Sanierungsmaßnahmen selbst tragen müssen in der Größenordnung von 1,8 Millionen Euro, die in keiner Weise von der Stiftung angemessen unterstützt worden sind. Es hieß immer, es ist kein Geld da, es ist kein Geld da."

    In einem Bericht für den Innenausschuss des Hessischen Landtags bestätigte kürzlich Hessens Innenminister Boris Rhein, CDU, dass die Stiftung nur noch "wenige liquide Mittel" hat. Eine jahrhundertealte Stiftung kurz vor der Pleite? Wie konnte das geschehen? Der Fürst äußert sich öffentlich nicht. Joachim Schmidt von der EKHN aber glaubt zu wissen, wo das Geld geblieben ist: Eine Dreiviertel Million Euro soll Wolfgang Ernst Fürst zu Ysenburg und Büdingen der Stiftung seit 2002 entzogen haben.

    Joachim Schmidt:
    "Er hat nämlich in einigen Fällen in den vergangen Jahren als Privatmann der Stiftung unrentable oder belastete Grundstücke und Immobilien verkauft, hat dafür Einnahmen erzielt."

    Die offensichtlich nicht in die Stiftung zurückflossen, kritisiert Joachim Schmidt. Man hätte es wissen können, meint auch Sabine Langmaack, die Justiziarin der Kirchenleitung. Mehr noch: Als Vermögensverwalter habe die Stiftungsaufsicht Wolfgang-Ernst zu Ysenburg und Büdingen Anfang 2012 gar nicht erst zulassen dürfen. Der Niedergang des fürstlichen Firmenimperiums sei schließlich bekannt gewesen, kritisiert Langmaack weiter. Denn schon 2008 habe zu Ysenburg und Büdingen sich als zahlungsunfähig bekennen müssen. Eigentlich ist die Justiziarin der Evanagelischen Kirche eine Frau der leisen Töne, doch bei dieser Personalie wird sie deutlich.

    Sabine Langmaack:
    "Ein anderer Privatmann hätte in dieser Situation nicht mal mehr eine Schanklizenz bekommen wegen der nicht vorhanden persönlichen Zuverlässigkeit."

    Auch deshalb, so erzählt Joachim Schmidt, verklagt seine Kirche Hessens schwarzgelbe Landesregierung vorm Verwaltungsgericht, nämlich.

    Joachim Schmidt:
    "Weil das Land als Stiftungsaufsicht, in dem Fall das Regierungspräsidium Darmstadt, eine Stiftungssatzung genehmigt hat, die geeignet ist, eine uralte, mit kirchlichem Geld begründete Stiftung zu zerstören, mussten wir vor Gericht ziehen."

    Damit erhebt die Evanagelische Kirche in Hessen und Nassau einen harten Doppelvorwurf: Die Landesregierung schaue nicht nur zu, wie eine uralte kirchliche Stiftung ausgeplündert werde. Sie habe dafür geradezu Tür und Tor geöffnet, indem sie eine rechtswidrige Satzung genehmigte. Hat also das Regierungspräsidium Darmstadt, das für Stiftungen in Südhessen zuständig ist, bei der Gesamtaufsicht versagt? Innenminister Boris Rhein von der CDU wertet die Vorwürfe als Unterstellungen und kontert:
    "Wir haben es hier mit einer funktionierenden Stiftungsaufsicht zu tun. Das RP Darmstadt nimmt diese Stiftungsaufsicht nicht nur ernst, sondern es hat sie hier auch streng vorgenommen."

    Im vergangenen Jahr leitete die Behörde ein Abberufungsverfahren gegen den Fürsten als Stiftungsvorstand ein. Er bekam Gelegenheit, die Vorwürfe zu entkräften. Das Verfahren läuft, Details verrät die zuständige Sprecherin allerdings nicht. Sollte sich bestätigen, dass der Fürst der Stiftung Vermögen entzogen hat, könnte er als Chef abgesetzt werden. Die Opposition im Hessischen Landtag sieht in dem Abberufungsverfahren allerdings nur den Versuch des Regierungspräsidiums, Fehler in der Stiftungsaufsicht zu kaschieren. Und als oberster hessischer "Stiftungs-Wächter" muss sich der Innenminister Boris Rhein, CDU, darauf einrichten, dass ihn Sozialdemokraten, Grüne und Linke im Landtag künftig mit immer neuen Fragen dazu quälen. Mindestens bis zur Landtagswahl im September.