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Funkstille im All

Astronomie. - Im Weltraum ist ganz schön was los. Am dunklen Nachthimmel leuchtet wesentlich mehr als bloß Sterne, helle Galaxien und glühende Gaswolken – auch wenn wir nur sie mit bloßem Auge sehen können. Tatsächlich wimmelt es im All vor so genannten Radiowellen. Schon lange wissen die Forscher, dass sie da sind. Doch viele Rätsel bleiben: Wo kommt die Strahlung her, und wie ist sie am Himmel verteilt? Ein amerikanischer Astronom hat den Radiohimmel nun genauer untersucht – und auch Orte gefunden, an denen Funkstelle herrscht.

Von Björn Schwentker |
    Der Weltraum ist erfüllt von Radiowellen. Die meisten stammen aus Quellen wie aktiven schwarzen Löchern oder sogenannten Quasaren, das sind hell leuchtende Kerne von Galaxien. Völlig verstanden sind diese galaktischen Radiosender noch nicht. Doch weiß man immerhin, wo sie liegen. Erstaunlicherweise gibt es aber auch dort Strahlung, wo keine Quasare und schwarzen Löcher sind, sagt Philipp Kronberg vom amerikanischen Los Alamos National Laboratory. Er ist den Radiowellen ohne Absender nun genauer auf den Grund gegangen:

    "Das neue an unsere Methode ist, dass wir nach sehr großen Objekten suchen. So groß wie der Mond, der ein halbes Winkelgrad am Himmel ausmacht, und noch größer, bis zu acht Winkelgraden. Uns interessieren nicht die kleinen Details der Radiostrahlung, die wurden schon sehr gut untersucht, wir schauen nach diffusen großräumigen Mustern."

    Das war eine schwere Aufgabe. Zunächst machte Physiker Kronberg eine Aufnahme mit dem größten Radioteleskop der Welt, der Parabolschüssel des Arecibo Observatoriums auf Puerto Rico. Sie durchmisst 300 Meter und ist hoch sensibel. Doch auf dem Bild konnte der Astronom kaum etwas erkennen – weil zu viel darauf war. Die Radiostrahlung der vielen schwarzen Löcher und Quasare überdeckte die erhofften großräumigen Radiowolken. Um sie von den vielen punktförmigen Sendern unterscheiden zu können, musste der Amerikaner ein zweites, sehr spezielles Teleskop benutzen: Das Dominion Radio Astrophysical Observatory in Kanada. Kronberg:

    "”Es ist ein Interferometer, sieben kleine Parabolantennen in einer Reihe. Damit können wir ein sehr genaues Bild von den punktförmigen Radioquellen machen. Diese Bilddaten ziehen wir dann vom ursprünglichen Bild der großen Arecibo-Schüssel ab. Übrig bleibt danach nur noch die diffuse Strahlung, die wir suchen.""

    Endlich sah der Astronom, was er gesucht hatte: Auf den Bildern prangten deutlich mehrere große Flecken mit starker Radiostrahlung. Sie schienen aus dem Nichts zu kommen, denn Radiosender sind in ihrer Nähe nicht bekannt. Doch Philipp Kronberg hat eine Vermutung.
    "”Vielleicht stammt die Strahlung von schwarzen Löchern im Zentrum entfernter Galaxien. Sie senden mit der Zeit sehr viel Radiostrahlung weit ins All hinaus. In unseren großen Flecken könnte sich die Radioenergie von mehreren Galaxien mit schwarzen Löchern gesammelt haben, die alle in der gleichen intergalaktischen Region liegen.""

    Doch Kronberg entdeckte noch mehr: Eine allgegenwärtige Vordergrundstrahlung lag wie ein Schleier fast auf dem ganzen Bild. Sie entsteht – astronomisch gesehen - ganz in der Nähe, in den Magnetfeldern unser eigenen Galaxie. Für Kosmologen ist sie ein ärgerliches galaktisches Störfeuer. Denn sie würden gerne daran vorbei viel tiefer ins All sehen, bis auf den sogenannten kosmischen Mikrowellenhintergrund, ein Überbleibsel des Urknalls. Doch dieses schwache Radiosignal aus der Tiefe des Alls wird vom vordergründigen Störfeuer der Milchstraße überdeckt. Nun machte Philipp Kronberg eine unerwartete Entdeckung:

    "”Auf etwa 20 Prozent Bildfläche sehen wir dunkle Stellen ganz ohne diffuse Strahlung. Weder galaktisch noch außergalaktisch, das hatten wir nicht erwartet. Diese Stellen sind wie kleine Gucklöcher, durch die wir ins äußere Universum sehen können. Dort können wir dann die kosmischen Mikrowellen viel besser untersuchen, weil keine Vordergrundstrahlung im Weg ist.""

    Das wird vor allem europäische Kosmologen freuen. In einem Jahr starten sie den Satelliten "Planck", der den Mikrowellenhintergrund so genau wie nie zuvor vermessen soll. Für Planck hat Kronberg nun gleich mehrere Fenster im Radiohimmel der Milchstraße gefunden, durch die der Späher ungestört fast bis zurück zum Urknall blicken kann.