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Funkstille in Sachsen

Freie Radios sollen eine Gegenöffentlichkeit zu den etablierten Medien darstellen. Auch Laien dürfen sich dort öffentlich äußern. In Sachsen herrscht derzeit Funkstille bei den freien Radios. Grund: Der Privatsender, mit dem sie sich die Frequenz teilen, hatte sie wegen eines Finanzstreits von der UKW-Frequenz nehmen lassen.

Von Felix Hügel |
    Bis vor einer Woche tönte es noch so aus einigen Leipziger Radios:

    "Einen schönen guten Abend, ihr hört Radio Blau. Unser Programm empfangt ihr auf den Frequenzen 99,2, 94,4 oder 89,2 ."

    Seit vergangenem Samstag klingt es auf UKW dagegen so: Funkstille. Die drei freien Wellen in Leipzig, Dresden und Chemnitz teilen sich bislang die Frequenz mit dem privaten Kultursender Apollo Radio - und hätten seit Januar die Sende- und Leitungskosten selbst bezahlen müssen, was sie aber nicht taten.

    Apollo Radio beantragte daraufhin beim Sendenetzbetreiber Media Broadcast, das Signal der freien Radios nicht mehr zu senden. Mit Erfolg, die drei Programme gingen vom Netz. Andreas March ist Vorstandsvorsitzender des Radiovereins Leipzig, dem Träger von Radio Blau. Er hält dieses Vorgehen von Apollo für übertrieben.

    "Apollo Radio vertritt eine andere Rechtsposition als wir die vertreten. Aber das wird normalerweise in einem Rechtsstaat vor einem Gericht ausgetragen. Es gibt bislang kein gerichtliches Mahnverfahren, es gibt bislang nicht die Zeichen dafür, dass ein Prozess eröffnet werden würde. Sondern die Reaktion war eben, uns vom Sender zu nehmen. Und das, denken wir, ist ein Mittel, dass so rechtlich nicht zulässig ist."

    Schon seit Monaten wird in Sachsen über die Finanzierung der freien Radios diskutiert. Bis Ende vergangenen Jahres hatte Apollo Radio deren Sendekosten bezahlt. Ohne die finanzielle Unterstützung der freien Radios hätte Apollo vor sechs Jahren wahrscheinlich keine Lizenz bekommen. Apollo ist ein Gemeinschaftsprojekt der sächsischen Privatradios wie PSR, R.SA, Hitradio RTL oder Energy Sachsen. Es sei ein offenes Geheimnis, dass dieser Sender überhaupt nur dafür da sei, eine Frequenz zu verstopfen, damit sich keine weiteren Privatsender in Sachsen niederließen, sagt zum Beispiel der grüne Medienpolitiker Karl-Heinz Gerstenberg.

    Seit Januar müssen die freien Radios ihre Sendekosten nun selbst tragen. Wie, das war eine ganze Weile unklar. Denn anders als zum Beispiel in Baden-Württemberg werden die sächsischen Bürgerradios nur teilweise von der Landesmedienanstalt bezahlt. Vor einigen Wochen hatten dann die Stadträte in Dresden und Leipzig beschlossen, ihre freien Radios in diesem Jahr finanziell zu unterstützen. Prinzipiell könne man also die Sendekosten bezahlen, sagt Andreas March von Radio Blau. Aber man habe weder einen Vertrag mit Apollo Radio noch mit dem Sendenetzbetreiber Media Broadcast. Und außerdem zweifle man die gestellten Rechnungen an. Das kann Apollo-Sprecher Nico Nickel nicht verstehen.

    "Einerseits kam immer mal das Argument, das wäre ihnen nicht detailliert genug, wo wir uns die Frage stellen, okay, welche Details fehlen, dazu gab's bisher keinerlei Rückinfo. Oder eben, das andere Argument, wahlweise wird das dann immer mal verwendet, es gebe keine rechtliche Grundlage, weil wir keinen Vertrag miteinander haben. Ja gut, dann können wir erst recht sagen, wenn es keinen Vertrag miteinander gibt, dann haben wir erst recht keinerlei Veranlassung für ihr Sendesignal zu zahlen Wir beharren da an dieser Stelle auf unserem Zurückbehaltungsrecht. Wir bezahlen für eine Leistung, die ein Dienstleister erbringt für eine Drittpartei, die aber nicht bereit ist sozusagen ihren Kostenanteil zu übernehmen."

    Und daher bezahlt Apollo Radio momentan für die Stille in der Zeit, in der eigentlich die freien Radios senden müssten. Die haben bereits bei Sendenetzbetreiber Media Broadcast eigene Verträge beantragt, um nicht mehr von Apollo abhängig zu sein. Doch bekommen haben sie die bisher noch nicht. Prinzipiell arbeite man zwar mit allen Anbietern zusammen, so die Media Broadcast, man müsse diese Zusammenarbeit vorher jedoch nach wirtschaftlichen Kriterien prüfen.

    Die freien Radios haben ein Recht auf eigene Verträge, sagt dagegen die sächsische Landesmedienanstalt SLM. In den Finanzierungsstreit mit Apollo Radio will SLM-Geschäftsführer Martin Deitenbeck aber nicht eingreifen, das sei ein Konflikt zwischen privaten Parteien. Auch die Forderung einiger Oppositionspolitiker, die freien Radios stärker zu unterstützen, weist er zurück.

    "Wir haben das wiederholt geprüft und kommen zu dem Ergebnis, dass wir aus dem Anteil der Rundfunkgebühr, und das ist nun mal unser Löwenanteil der Finanzierung, nicht fördern dürfen, solange uns diese gesetzliche Ermächtigungsgrundlage fehlt. Der Rundfunkstaatsvertrag lässt die Förderung zu, und zwar aufgrund besonderer landesgesetzlicher Ermächtigung. Und die fehlt in Sachsen und deswegen ist für uns die Rechtslage die, dass wir aus der Rundfunkgebühr selber nicht fördern dürfen, sondern nur aus unseren sonstigen Verwaltungseinnahmen. Und das Geld setzen wir auch ein, und solange die gesetzliche Änderung nicht kommt, muss es auch dabei bleiben."

    SPD, Linke und die Grünen haben einen Gesetzentwurf in den Dresdner Landtag eingebracht, der die Finanzierung der freien Radios in Zukunft sichern soll. Anfang Mai wird er im Landtag besprochen. Doch es ist unwahrscheinlich, dass er eine Mehrheit finden wird. Denn die beiden sächsischen Regierungsparteien CDU und FDP sprechen sich nicht für eine stärkere Finanzierung der freien Radios durch das Land aus.