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Furcht vor der Bio-Bombe

Medizin. - Ihren Namen erhielten die Hanta-Viren durch einen Fluss in Korea, an dem US-Soldaten an einer mysteriösen Nierenentzündung erkrankten. 1993 erlangte der Erreger erneut traurigen Ruhm, als in einem US-Indianer-Reservat eine Reihe von Menschen an einer schweren Lungenentzündung starben. Auch hier stießen Wissenschaftler auf eine bis dahin unbekannte Variante der durch Mäuse übertragenen Viren. Am vergangenen Wochenende erörterten Experten auf der Europäischen Konferenz für Viruserkrankungen Neuigkeiten zu den gefährlichen Viren.

    Vor rund zehn Jahren überraschte eine Reihe an zum Teil tödlich verlaufenen Infektionen mit so genannten Hanta-Viren US-amerikanische Mediziner. Die Grundlage für den Kontakt der damals betroffenen Navajo-Indianer war eine ausgesprochene Mäuseplage. Die Tiere sind Wirte des Hanta-Virus, das in häuslicher Umgebung über Urin und Kot der Nager auf den Menschen gelangen kann. Die Viren sind dabei durchaus keine Exoten, die nur in fernen Ländern vorkommen, und auch eine Infektion mit ihnen ist keine Seltenheit. Statistisch hatten bis zu drei von 100 Personen in Deutschland in ihrem Leben bereits Kontakt mit dem Erreger. Nicht immer muss es dabei zu schweren Verläufen kommen, mitunter erscheint lediglich etwas Fieber ähnlich einer Grippe. Zu Komplikationen kommt es allerdings dann, wenn die Nieren in Mitleidenschaft gezogen werden. Dann muss schnell gehandelt und kurzzeitig sogar eine Blutwaschung durchgeführt werden, um die Entgiftungsorgane zu entlasten. Allerdings gelten andere Stämme, wie jener in den USA gesichtete, als besonders aggressiv. Ihre Letalität kann bis zu 50 Prozent betragen.

    Eine direkte Therapie gegen den Erreger existiert derzeit nicht. Lediglich unterstützende Maßnahmen wie etwa eine künstliche Beatmung im Falle einer Lungenentzündung können dem Körper helfen, eine schwere Hanta-Infektion zu überstehen. Dass heute angebotene Medikamente wirklich gegen das Virus wirken, konnte bislang nicht bewiesen werden. Dieser Mangel an Waffen gegen Hanta-Viren einerseits, sowie die Eigenschaft der Erreger andererseits, auch trockene Lagerung zu überstehen, ohne die hohe Infektiösität zu verlieren, ließ bei Experten das Horrorszenario einer Biowaffe aus Hanta-Viren entstehen. Eine Strategie gegen diese nicht zu unterschätzende Gefahr wäre die Entwicklung von Impfstoffen. Zwar existieren sogar alte Vakzine aus Korea und China, allerdings wurden sie aus Zellkulturen erzeugt und dürfen nach internationalen Standards nicht verwendet werden. Auch bestünden bereits gute Impfkonzepte, auf deren Basis neue Immunsubstanzen entwickelt werden könnten. Allerdings finde sich derzeit kein Pharmaunternehmen, dass bereit wäre, in solche Vorhaben zu investieren. Experten schätzen die nötigen Mittel auf rund eine halbe Milliarde Euro. Angesichts der geringen Zahl auftretender Erkrankungen bietet sich der Industrie hier offenbar kein lukratives Betätigungsfeld.

    [Quelle: Michael Winkelheide]