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Furcht vor Umwelt-Dumping

Noch vor rund zehn Jahren galt das Landesnaturschutzgesetz in Schleswig-Holstein als besonders modern: Biotopschutz, Artenschutz und Eingriffsregelungen, vieles wurde zur Freude der Umweltverbände im Detail verankert. Doch mit der neuen Landesregierung der Diskussion über die Föderalismusreform gibt es Versuche, das Gesetz aufzuweichen.

Von Annette Eversberg |
    Zu viel Bürokratie und zu viel Staat im Umweltrecht zum Nachteil des Wirtschaftstandorts Schleswig-Holstein. Damit begründet der schleswig-holsteinische Minister für Landwirtschaft und Umwelt, Christian von Boetticher (CDU), den Gesetzentwurf zum Landesnaturschutzgesetz.

    "Wir haben eine Eingriffs-Ausgleichsregelung. Wer in die Natur eingreift, muss es ausgleichen. Aber da ist immer die Frage, wer stellt das fest, wie wird das festgestellt, wie kann ein Ausgleich erfolgen. Das ist im Augenblick sehr kompliziert und bürokratisch. Hier gibt es in anderen Bundesländern Regelungen, die flexibler sind, die auch eine einfachere Handhabung ermöglichen. Und da haben wir uns ein wenig umgeguckt, um das Ganze ein Stück weit der Zeit neuer Gesetzgebungstechnik anzupassen."

    Im Kern soll das Landesgesetz künftig dem Bundesrecht folgen und nicht mehr darüber hinausgehen. Besondere Regelungen für besondere Biotope wie die Knicks, die Wallhecken zwischen den Feldern, sind aus der Sicht des Umweltministers völlig unpraktikabel.

    "Der Knickschutz hat im Moment eine gesetzliche Regelung, die keiner in der Praxis nachvollziehen kann. Das ist die Pflicht, einen Meter Abstand am Knickstamm zu halten. Und heute ist schon klar, dass am Knickfuß näher herangegangen werden muss. Das ist in der Praxis üblich. Und darum muss an der Stelle auch das Gesetz geändert werden, weil ich ansonsten den Knick auch schädige, wenn ich der gesetzlichen Pflicht nachkomme. Das kann nicht gewollt sein. Und wir werden aber auch ändern, dass ein Landwirt, die auch heute wachsen müssen, um im Wettbewerb zu bestehen, einen Knick einfacher versetzen kann."

    Die Kritik kommt von den Grünen, den Umweltverbänden aber auch vom Koalitionspartner SPD. Karl-Martin Hentschel, stellvertretender Fraktionsvorsitzender von Bündnis 90/ Die Grünen im Kieler Landtag, sieht im Wegfall des Knickerlasses ein Beispiel dafür, dass nicht weniger, sondern mehr Regelungsbedarf auf die Landwirte aber auch die Wirtschaft zukommt.

    "Wir als Grüne in der Regierung waren stolz darauf, dass wir die kürzesten Genehmigungsprozesse in der Bundesrepublik hatten, weil wir eine zentralisierte Umweltverwaltung haben, die hochspezialisiert ist, die Fachleute hat, mit denen die Wirtschaft alles auf kurzem und schnellem Wege besprechen kann. Wenn das jetzt dereguliert wird, wenn Vorschriften abgeschafft werden, dann wird das nur schwieriger und nicht besser."

    Konrad Nabel, Vorsitzender des Arbeitskreises Umwelt und Landwirtschaft der SPD-Landtagsfraktion, moniert, dass vom ursprünglichen Ziel, 15 Prozent der Landesfläche als Vorrangflächen für die Natur auszuweisen, im neuen Gesetzentwurf keine Rede mehr ist. Zugeständnisse an den Koalitionspartner CDU wird es für ihn in dieser Frage nicht geben.

    "Wir kämpfen nach wie vor für die 15 Prozent. Auf Bundesebene sind ja nur zehn Prozent übernommen worden von unserem Vorschlag. Das liegt natürlich daran, dass hier in Schleswig-Holstein eine besondere Situation ist. Wir liegen zwischen den Meeren und haben daher andere Ansprüche an die Natur als andere Bundesländer. Und deshalb war die Überlegung von die Berndt Heydemann, der diese 15 Prozent mal ins Spiel gebracht hat, dass wir hier ein höheres Schutzbedürfnis haben als anderswo."

    Der BUND spricht von Umweltdumping und sieht bereits einen Zusammenhang mit der geplanten Kompetenzerweiterung der Länder im Umweltschutz im Rahmen der Föderalismusreform. Denn es würden nicht nur deutlich sichtbar Standards abgebaut, sondern erstmals sei in einem Naturschutzgesetz ausdrücklich von Wirtschaftsförderung die Rede. Umweltminister Christian von Boetticher hält diese Diskussion für verfrüht, weil bis zur endgültigen Umsetzung des Föderalismusreformgesetzes noch einige Jahre ins Land gehen. Er glaubt aber, dass man mit einem neuen Landesnaturschutzgesetz auf jeden Fall gerüstet sein werde, ohne es noch einmal novellieren zu müssen. Hans-Jörg Lüth, Landesgeschäftsführer des BUND Schleswig-Holstein ist davon überzeugt, dass sich auch andere Bundesländer bereits in der Vorbereitungsphase auf die Umweltreform befinden.

    "Wir wissen beispielsweise aus Hessen, dass es Bestrebungen gibt, ähnlich vorzugehen. Und es wird sicherlich auf Bundesebene einen Wettlauf geben um den schlechtesten Umweltstandard, das heißt. so wenig Umweltschutz und Naturschutz wie möglich. Und da ist Schleswig-Holstein leider auf einem Weg, wo sie eine Vorreiterrolle mitspielen."