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Fusion der norddeutschen Genossenschaftsverbände

Die Fusion der norddeutschen Genossenschaften ist unter Dach und Fach. Vom 1. Januar an werden die ehemaligen Regionalverbände Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern, sowie Hamburg, Niedersachsen und Bremen gemeinsam mit Sachsen-Anhalt, Brandenburg und Berlin unter der Bezeichnung Genossenschaftsverband Norddeutschland auftreten. Damit ist der Verband mit 1600 Genossenschaften, die ihm als Mitglieder angehören, der größte Verband Deutschlands. Nun müssen sich zwar noch alle Institutionen und Mitgliedsverbände nach und nach mit diesem Thema befassen, so wie es formal erforderlich ist und so wie es heute der Verbandsausschusses niedersächsischen Genossenschaftsverbandes in Hannover tut, aber in der Sache ist man sich bereits einig: die norddeutschen Genossenschaften arbeiten künftig unter einem Dach.

von Annette Eversberg |
    Die Zusammenlegung war notwendig, denn der Strukturwandel erfasst nicht nur die Bauern, sondern auch die Genossenschaften und die nachgelagerten Institutionen. Allein im Bereich der Genossenschaftsverbände Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg-Vorpommern ist die Zahl der Einzelgenossenschaften von 1960 bis heute von ca. 1500 auf 600 gesunken. Einen deutlichen Abbau gab es auch im Bereich der Volks- und Raiffeisenbanken, die früher fast in jedem größeren Dorf anzutreffen waren. Ihre Zahl ging im gleichen Zeitraum von rund 500 auf 80 zurück. Dennoch soll auch nach der Fusion der Verbände dieser Bereich eine wichtige Rolle spielen, erläutert Michael Bockelmann, Direktor des bisherigen Norddeutschen Genossenschaftsverbandes in Kiel.

    Wenn ich mir das für den Genossenschaftssektor ansehe, dann bleiben wir in der Fläche, wir versuchen dort, die angestammte Klientel weiter zu bedienen, wir versuchen natürlich auch, die Kräfte zu bündeln, daher Reduzierung der Zahl. Das heißt aber nicht eine Reduzierung der Flächenanteile, weil wir dann einfach Banken zusammenlegen oder Banken beschließen zusammenzugehen. Das sind aber dann auch Banken, die oftmals Wand an Wand sind, wo es keinen Sinn macht, zwei aufrechtzuerhalten, wo eine vollkommen ausreichen würde.

    Die Banken unterliegen der Pflichtprüfung durch die Genossenschaftsverbände, was gerade vom Bundesverfassungsgericht noch einmal bestätigt worden ist. Schließlich sichert sie den einzelnen Mitgliedern und Kunden der Volksbanken ihre Einlagen. Einer solchen Betriebsprüfung müssen sich auch die Agrar- oder Dienstleistungsgenossenschaften unterziehen. Dabei heißt Prüfung nicht nur Kontrolle der Bilanzen, sondern zunehmend die Strukturanalyse und die wirtschaftliche Beratung. Sie kann über den Standort einer Genossenschaft und damit letztlich über den Gewinn des einzelnen Landwirts entscheiden. Ein wichtiger Teil der Verbandsaufgaben ist darüber hinaus die Rechtsberatung. Michael Bockelmann:

    Wenn wir jetzt mit dem Genossenschaftsverband Berlin-Hannover zusammenkommen, dann wird es möglich sein, dass einzelne Rechtsanwälte auf einzelne Fachbereiche sich spezialisieren können, natürlich viel tiefer in die Themen hineingehen können, und damit sehr viel umfassender und kompetenter beraten können, als es jetzt schon der Fall ist.

    Die Fusion der norddeutschen Verbände bedeutet jedoch nicht, dass der regionale Bezug und die Vertretung landwirtschaftlicher Interessen in den einzelnen Bundesländern preisgegeben wird. Im Gegenteil. Die Krise in der Agrarwirtschaft hat auch den Verbänden, die sich in erster Linie als Vertreter der konventionellen Landwirtschaft verstehen, neue Aufgaben gestellt. So wollen sie dafür sorgen, dass die gläserne Produktion bei den Genossenschaften realisiert wird, über die immer noch 50 Prozent aller landwirtschaftlichen Umsätze abgewickelt werden. Gläsern sollen dabei nicht nur Produktion und Verarbeitung sein. Genauestens deklarieren will man auch die Inhaltsstoffe der Futtermittel, die ebenfalls zu großen Teilen in genossenschaftlichen Betrieben produziert werden. Dabei weist das Konzept der norddeutschen Genossenschaftsverbände - so Michael Bockelmann - durchaus Unterschiede auf, z.B. für Mecklenburg-Vorpommern:

    Wir haben zusammen mit dem Tourismusverband und dem Gaststättenverband eine Initiative in die Wege geleitet. Wir möchten gläserne Produktion so wie man sich das wörtlich vorstellt zeigen, d.h. Glaskuppeln in Agrargenossenschaften hineinbauen, die von außen begehbar sind, um dem Touristen zu zeigen, so werden Schweine produziert, so wird gemolken, und dass man wirklich mal mitnehmen kann, was da passiert.

    Die Fusion der 8 Genossenschaftsverbände im Norden bringt keine Entlassungen. Auch die Mitgliedsbeiträge werden, so wird versichert, nicht erhöht. Es geht darum, den Genossenschaftsgedanken weiter zu fördern, der nicht nur seinen festen Platz in der Landwirtschaft hat, sondern auch für andere Bereiche der Wirtschaft wieder attraktiv wird.