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Fusion in Reichweite

Physik. - Die National Ignition Facility NIF in Kalifornien ist der stärkste Laser der Welt. Seine Blitze sollen Kügelchen aus gefrorenem Wasserstoff so stark zusammenpressen, dass zur Kernfusion kommt. Im Wissenschaftsmagazin "Science" berichten die Forscher nun über einen ersten Teilerfolg.

Von Frank Grotelüschen | 29.01.2010
    "Wenn die Blitzlampen schießen, ist das extrem laut. Die Kondensatoren werden entladen, man hört das im ganzen Gebäude. Man hört es richtig rappeln."

    Siegfried Glenzer ist Deutscher, doch der Physiker arbeitet in Livermore bei San Francisco, einem der großen Militärforschungszentren der USA. Glenzer steht in einer Halle, groß wie ein Fußballstadion – die National Ignition Facility, kurz NIF. Sie soll superstarke Laserblitze auf Kügelchen aus gefrorenem Wasserstoff schießen und sie zur Zündung zu bringen. Eine Art Wasserstoffbombe im Miniformat als Stromquelle der Zukunft. Die Laserblitze entstehen in einem Halbleiterchip. Sie werden in 192 Einzelblitze aufgeteilt und in der Riesenhalle um das Billiardenfache verstärkt. Hier laufen die Strahlen durch Metallröhren, in denen dicke, getönte Glasscheiben stecken – die Lichtverstärker. Glenzer:

    "Es sieht sehr schön aus – hell lila. Der Laser ist so aufgebaut, dass er durch elf von diesen Scheiben viermal durchgeht."

    Kurz bevor die Laserpulse in die Halle kommen, leuchten Hunderte von Blitzlampen auf. Sie pumpen Energie in die Glasscheiben – Energie, die auf die Laserblitze übertragen wird, sobald diese durchs Glas laufen. In einer anderen Halle steht das Ziel der Laserstrahlen: eine gewaltige Metallkugel mit unzähligen Löchern. Hier schießen die Lichtblitze ein. Glenzer:

    "In der Kugel ist hauptsächlich Vakuum. Und in der Mitte der Vakuum-Kugel sitzt das Target, das nur einen Zentimeter groß ist."

    Die 192 Laserstrahlen kommen von allen Seiten. Ein paar Nanosekunden lang konzentriert sich ihre Energie auf das Target, das Ziel: ein Zylinder aus purem Gold, kaum größer als eine Medikamentenkapsel. Darin, sagt Glenzers Kollege Bob Kauffman, steckt das Kügelchen aus gefrorenem Wasserstoff.

    "Das Licht verdampft die Außenschicht des Kügelchens zu einem Plasma. Das Plasma dehnt sich schlagartig aus und lässt das Kügelchen implodieren. Dann herrschen in seinem Inneren ein Druck von 100 Millionen Bar und eine Temperatur von 100 Millionen Grad."

    Unter diesen Extrembedingungen sollen die Wasserstoffkerne zu Helium verschmelzen und Energie freisetzen. Im Fachmagazin "Science" vermelden Siegfried Glenzer und seine Kollegen nun einen ersten Erfolg. Sie haben die für die Fusion erforderliche Temperatur erreicht: 3,3 Millionen Grad. Außerdem konnten sie alle 192 Strahlen symmetrisch auf die Goldkapsel richten, das heißt von allen Seiten gleichmäßig, die Voraussetzung für eine Zündung. Nun wollen die Physiker die Laserenergie steigern und größere Goldkapseln verwenden. Damit peilen sie noch in diesem Jahr an, eine Fusionsreaktion zu zünden. Die Chancen, dass es klappt, liegen bei 50:50, sagt Glenzer. In Livermore liegt man also im Plan – alles andere als selbstverständlich für ein wissenschaftliches Megaprojekt. Doch selbst, wenn das Experiment glückt – der Weg zu einem Fusionskraftwerk wäre noch weit. Denn, so Bob Kauffman:

    "Wir können den Laser nur alle drei Stunden abfeuern. Aber da wir zwischendurch immer wieder umbauen müssen, werden wir im Durchschnitt eher auf zwei Schüsse pro Tag kommen."

    Für ein Kraftwerk dagegen müsste man bis zu zehn Kügelchen zünden, und zwar pro Sekunde. Sonst würde sich die Sache nicht lohnen. Doch der amerikanische Superlaser hat auch eine militärische Mission. Immerhin passiert im kleinen Maßstab dasselbe wie bei einer Wasserstoffbombe, sagt Bob Kauffman.

    "Dadurch wird es möglich, die Waffenphysik besser zu verstehen – und zwar ohne Kernwaffentests durchführen zu müssen."

    Ohne diesen militärischen Aspekt wäre der 3,5 Milliarden Dollar teure Riesenlaser wohl kaum gebaut worden. Offiziell sollen die Experimente nur helfen, das Atomwaffenarsenal der USA zu erhalten. Doch manche Kritiker befürchten, es könne durchaus auch darum gehen, mit den Erkenntnissen von NIF neuartige Kernwaffen zu entwickeln.