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Fussball
Bedrohung aus Brüssel

Die EU-Wettbewerbshüter ermitteln gegen Real Madrid, den FC Barcelona und andere spanische und holländische Fußballklubs. Die Vereine sollen von staatlichen Vergünstigungen profitiert haben, was zu einer Verzerrung des Wettbewerbs gegen die europäische Konkurrenz geführt haben soll. Die Untersuchungen könnten sich auch auf Deutschland ausweiten.

Von Daniel Theweleit |
    Fußball Bundesliga 3. Spieltag: 1. FSV Mainz 05 - FC Bayern München, am Samstag (22.08.2009) im Bruchwegstadion in Mainz. Die Schuhe des Münchener Trainers Louis van Gaal (r) und seines Co-Trainer Andries Jonker sind vor Spielbeginn am Spielfeldrand zu sehen. Mainz gewann die Partie mit 2:1. Foto:
    Unter Beobachtung: der europäische Profifußball. (picture-alliance/ dpa / Fredrik von Erichsen)
    „Endlich“, heißt es in diesen Tagen an vielen deutschen Stammtischen. Die EU-Kommission hat nämlich gerade ernsthaft begonnen, angebliche Wettbewerbsvorteile einiger spanischer Fußballklubs zu untersuchen. Seit Jahren klagen die Funktionäre aus der Bundesliga über Benachteiligungen gegenüber der Konkurrenz aus anderen großen Ligen. Unter anderem sollen Vereine wie Real Madrid oder der FC Barcelona von mehr oder weniger offensichtlichen staatlichen Zuwendungen profitieren. Jubel hat die Entscheidung, solche Missstände aufzuklären, in der Bundesliga aber keineswegs ausgelöst. Ganz im Gegenteil. Die Liga schweigt. Mehrere Klubs mochten auf Anfrage des Deutschlandfunks lieber nichts zu dem Thema sagen. Und das hat vermutlich auch damit zu tun, dass es hierzulande vergleichbare Vorfälle gibt. Auch diese werden möglicherweise demnächst von der EU beanstandet. Robin van der Hout, ein Rechtsanwalt mit Sitz in Brüssel, der auf europäisches Beihilferecht spezialisiert ist, sagt:
    “Das ist absolut ein reelles Risiko, das man jedenfalls nicht ausschließen kann.“
    Die Klubs müssen sich mit drei Hauptvorwürfen auseinandersetzen: Steuervergünstigungen, billige Kredite von öffentlichen Institutionen und regelwidrige Unterstützung beim Stadionbau oder der Stadionanmietung.
    “Alles das ist aus der deutschen Bundesliga ausreichend bekannt“,
    meint der Wettbewerbsexperte van der Hout. Besonders verbreitet sind in Deutschland öffentliche Beihilfen zu den vielen Stadionprojekten, die im Umfeld der Weltmeisterschaft 2006 realisiert wurden. Fast überall halfen die Kommunen bei der Entstehung der schönen Arenen. Immer mit dem Argument, das Image der jeweiligen Stadt werde aufpoliert. Und das Bauwerk sowie der Glanz des profitierenden Klubs kurbelten den Tourismus an.
    “Das sind Argumente, die kennen wir aus anderen Zusammenhängen, beispielsweise bei der Finanzierung von defizitären Regionalflughäfen. Das ist immer das selbe Argument. Die Kommission lässt das kalt, das heißt, in der rechtlichen Auseinandersetzung mit der EU wird das nicht helfen.“
    Denn die Kommission prüft lediglich, ob die Klubs durch die staatlichen Subventionen im Wettbewerb mit den Vereinen aus den anderen 28 EU-Mitgliedsländern profitieren. Und das scheint ziemlich eindeutig der Fall zu sein. Sind die jüngst eröffneten Verfahren also ein Signal, dass nun der gesamte europäische Fußball auf mögliche Verstöße untersucht werden soll?
    “So würde ich das auf jeden Fall verstehen. Die Kommission hat von Anfang an klar gemacht, dass es ihr nicht um die Förderung des Breitensports geht oder Amateurvereine. Die Kommission sagt, Unternehmen wie Madrid und Barcelona, aber natürlich auch die Bundesligaklubs sind Wirtschaftsunternehmen, die agieren auf einem europäischen, vielleicht sogar weltweiten Markt, und wenn dann in einem Staat bestimmte Vorteile gewährt werden durch die öffentliche Hand, dann ist das eine Wettbewerbsverzerrung, die so nicht richtig ist.“
    Die Konsequenz bei einer Verurteilung wäre eine Rückzahlung jener Summe, die der staatlich finanzierte Vorteil wert ist. Plus Zinsen. Dass es jenseits von Einzelfällen im Spitzenfußball so weit kommt, ist aber unwahrscheinlich. Denn zum einen fehlt der EU die Kapazität, den gesamten professionellen Sport in allen Mitgliedsstaaten umfassend zu prüfen. Und zum anderen zeige die Erfahrung, dass dem Sport eine gewisse Sonderrolle eingeräumt wird. Diese Ansicht vertritt jedenfalls Jürgen Mittag, der Leiter des Institutes für europäische Sportentwicklung an der Deutschen Sporthochschule in Köln.
    “Hier rühren wir an einer sehr grundsätzlichen Frage. Nämlich der Frage, wieweit der Sport eine gewisse Eigenart, eine gewisse Spezifizität besitzt und inwieweit der Sport eben klassisch dem Wettbewerbsrecht unterliegt. Und inwieweit Sportler und Sport als Wirtschaftsunternehmen den allgemeinen Marktregeln unterliegen.“
    Eine absolute Wettbewerbsgleichheit wird im Fußball ohnehin immer eine Utopie bleiben. Auf Malta oder in der Slowakei werden bis in alle Ewigkeit völlig andere Bedingungen herrschen als in Frankreich oder England. Erschwert werden die Prüfverfahren außerdem durch komplizierte Verflechtungen. So wurde dem FC Schalke einst über einen Liquiditätsengpass hinweggeholfen, indem ein städtisches Energieunternehmen, Anteile am Stadion erwarb. Andernorts wurden Vereine durch die Anpassung von Stadionmieten oder durch Sponsoringpartnerschaften mit Unternehmen der öffentlichen Hand unterstützt. Vorteilsnahmen sind in viele Fällen schwer nachweisbar, überall gibt es andere Voraussetzungen und Argumente. Diese Komplexität kann die Kommission kaum aufarbeiten. Deshalb scheint es darauf hinauszulaufen, dass sie in den nun eröffneten Prüfungsverfahren versucht, eine Kompromisslinie zu ziehen. So wie es in anderen Fällen auch war, meint der Wissenschaftler Mittag.
    “Wir haben, um das auch noch mal einzuordnen, zu Beginn des 21. Jahrhunderts sogar ein Unterfangen des damaligen Wetbewerbskommissars Mario Monti gehabt, die Arbeitsbedingungen von professionellen Sportlern denjenigen von normalen Arbeitnehmern komplett gleichzustellen. Heißt also, ein Fußballspieler hätte seinen Arbeitsvertrag mit einer dreimonatigen Kündigungsfrist beenden können. Das ist natürlich nicht praktikabel für ein Wettbewerbsystem und da hat sich letztendlich ein Kompromiss herausgestellt. Und genau so etwas werden wir hier wahrscheinlich auch erleben: Dass die Kommission den Finger in die Wunde legt, Fehlentwicklungen brandmarkt, aber letztendlich nicht die Spezifika des sportlichen Wettbewerbes komplett unterminiert, weil sie damit das Spiel zerstört - und das will die Kommission auch nicht."