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Fußball-Bundesliga
Debatte um 50+1-Regel geht weiter

Die 50+1-Reglung soll verhindern, dass Kapitalanleger die Stimmenmehrheit bei Kapitalgesellschaften übernehmen, in die Fußballvereine ihre Profimannschaften ausgegliedert haben. Also: Die Klubs und ihre Mitglieder sollen das Sagen behalten. Doch ist diese Regel noch zeitgemäß? Und was sind die Alternativen?

Von Klaas Reese | 09.09.2017
    Hannovers Felix Klaus und Schalkes Daniel Caligiuri kämpfen am 27. August 2017 beim Fußball-Bundesliga-Spiel um den Ball.
    Hannovers Felix Klaus und Schalkes Daniel Caligiuri kämpfen um den Ball. (picture alliance / dpa/ Peter Steffen)
    Ziel der 50+1-Regelung ist: die sportlichen Interessen von Vereinen vor wirtschaftlichen Interessen von Investoren zu wahren. Das Problem an der aktuellen Regelung beschreibt Karl-Heinz Rummenigge, Vorstandsvorsitzender der FC Bayern München AG:
    "Es weiß sowieso jeder: wenn einer klagt in der Bundesliga, wird er gewinnen. Dieses 50+1 ist installiert worden, damals, als man die Liga in die Selbstständigkeit geführt hat, ich war da Zeitzeuge, einfach um an Anfang noch diese Werte aus Sicht des DFB aufrecht zu erhalten. Aber man wird diese Werte zumindest in dieser heutigen Zeit schwierig aufrechterhalten."
    Rummenigge geht in seiner Bewertung noch einen Schritt weiter, denn aus seiner Sicht befindet sich der deutsche Fußball auf einem gefährlichen Sonderweg: "Wir sind der Letzte von den sogenannten Big Fives in Europa, der sich - ich sag jetzt mal - diesen Luxus in Anführungszeichen noch leistet, dass wir hier keine Mehrheiten in fremdes Kapital oder in Joint Venture oder in was auch immer geben wollen und das ist die große Frage, wie lange ist das aufrecht zu erhalten. Wir haben einen Wettbewerb, den ich persönlich nicht mehr national, sondern global sehe. Und die große Frage ist: Wie lange können wir uns welchen Luxus leisten?"
    Martin Kind, Geschäftsführer des Fussball-Bundesligisten Hannover 96
    Martin Kind, Geschäftsführer des Fussball-Bundesligisten Hannover 96 (picture alliance / dpa - Philipp von Ditfurth)
    Ausnahmeregel für Kind und Hannover
    Martin Kind, Präsident von Hannover 96, wird bald den niedersächsischen Bundesligisten übernehmen. Er profitiert von einer Ausnahmeregelung des Ligaverbandes, die es einem Investoren nach zwanzigjähriger ununterbrochener und erheblicher Förderung ermöglicht, einen Verein zu übernehmen.
    "Karl-Heinz Rummenigge hatte aus meiner Sicht eine realistische Analyse des europäischen Fußballs und auch der Bundesliga durchgeführt, und er hat einfach eine Entscheidung formuliert, die notwendig ist, sinnvoll ist und zukunftsorientiert. Jetzt liegt es an der Bundesliga, diese Ideen aufzunehmen und umzusetzen."
    Für Andreas Rettig, Geschäftsführer des FC St. Pauli ist diese Argumentation zu kurz gedacht. "Lass uns mal zu Ende deklinieren: Was heißt denn das, wenn morgen 50+1 fällt? Dann werden ja nicht nur die klugen Leute wie Herr Kind auf die Idee kommen, sich einen Verein zu erlauben, sondern auch andere, dann kann man ja nicht mehr differenzieren in der Frage zwischen guten Investoren und schlechten Investoren und ich hab das grundsätzliche Problem, dass ich glaube, dass wir dann natürlich ein Problem bekommen. Wer kommt dann auf den Markt? Dann wird dann möglicherweise ein Anbieter sein, das können Spieleragenturen sein, die sich plötzlich Vereine leisten, es können andere sein, die Geld verdienen wollen - und wir verlieren die gesellschaftliche Bedeutung."
    Angriff auf Auf- und Abstieg?
    Der von Rettig angesprochene Martin Kind plädiert deshalb dafür, die 50+1-Regelung nicht abzuschaffen, ohne eine neue Regelung einzuführen: "Ich bin dafür, 50+1 zu beerdigen und dann ein neues Regelwerk zu entwickeln. Veränderungen sind zu gestalten. Es Gerichten zu überlassen halte ich für sehr kritisch, denn es gibt Urteile, die sind dann vollumfänglich zu beachten. Wir haben dann keine Gestaltungsmöglichkeit mehr."
    Andreas Rettig hingegen wehrt sich generell gegen den Einstieg von Investoren. Denn ein Anstieg des Kapitals in Liga eins würde den Abstand zur zweiten Liga noch vergrößern. Was aus seiner Sicht dazu führen würde, dass sich Investoren zu einer Abschaffung der Abstiegs-Regelung einsetzen, um ihr Kapital zu schützen. Darüber hinaus glaubt Rettig nicht, dass Mitglieder weiterhin hohe Mitgliedsbeiträge bezahlen, oder sich für einen Investorenclub ehrenamtlich engagieren - was auch negative Auswirkungen auf den Breitensport habe.
    All diese Argumente können Martin Kind von seiner Ablehnung der 50+1 Regel nicht abbringen. Er sieht die Befürworter der Regelung in der Pflicht: "Grundsätzlich nur 'Nein' zu sagen zu einer Entwicklung, ist aus meinem Verständnis zu kurz gesprungen. Vielmehr muss man dann auch ein Konzept dagegen stellen. Dieses Konzept kenne ich nicht."
    Zwei Ligen versus freie Wahl der Vereine
    50+1-Befürworter Rettig hätte ein Konzept, dass Martin Kind allerdings nicht gefällt: "Es wird ja einen Grund haben, dass die drei Clubs, die eine Ausnahmeregelung erhalten haben, noch nie abgestiegen sind. Das wird natürlich möglicherweise an besonders gutem Management liegen, aber es kann natürlich auch andere Gründe haben. Von daher will ich damit nur sagen, das ist schon eine Wettbewerbsverzerrung, um es mal klar zu sagen, und deshalb finde ich, sollten die Clubs eben in einer Liga gemeinsam zusammen spielen - und dann können am Ende die Clubs, die Investoren haben, untereinander spielen. Das wäre ideal."
    Das Zustandekommen einer Investorenliga ist eher unwahrscheinlich. Wahrscheinlicher ist eher, dass es so kommt, wie Karl-Heinz Rummenigge es sich vorstellt: "Ich persönlich bin dafür, das muss jeder Club für sich selbst entscheiden, ob er die Tür aufmacht für neues Kapital. Das wird am Ende des Tages dazu führen, dass man eine wettbewerbsfähigere Bundesliga hat, eine wettbewerbsfähigere Teilnahme an der Champions League oder auch der Europa League damit kreiiert."
    Ob eine Öffnung für Kapital und Investoren dauerhaften Erfolg mit sich bringt, diese Prognose kann seriös nicht beantwortet werden. Es zeigt sich aber in der Diskussion, dass die 50+1 Regelung mindestens einer Reform bedarf - wenn diese Reform mit Blick auf die Ausnahmeregelungen in der Bundesliga nicht sogar schon zu spät ist.