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Fußball
Der harte Weg zum Profi

Vor knapp 20 Jahren hat der DFB die systematische Talentförderung im Fußball eingeführt - mit Nachwuchsleistungszentren und Bundesstützpunkten. So sollten Talente besser entdeckt werden können. Doch der Weg zum Traumberuf Fußballprofi bleibt hart.

Von Andrea Schültke | 16.02.2019
    Seit dem Jahr 2000 haben alle deutschen Proficlubs zusammengenommen mehr als eine Milliarde Euro in ihre Nachwuchsleistungszentren investiert.
    Der Traum vom Fußball-Profi platzt oft schon früh (picture alliance / dpa - Jens Wolf)
    "Mein Ziel ist, auf jeden Fall Profi zu werden. Ich möchte beim VFL Bochum, wo ich im Moment spiele, den Aufstieg schaffen". Luis Hartwig ist 16 und spielt in der B-Junioren Bundesliga West. Dazu gehört bis zu fünfmal Training in der Woche, Spiele am Wochenende und Schule natürlich. Gymnasium bis zum Abitur. Wenn er wirklich Profi wird, folgt er dem Vorbild seines Vaters. Knut Hartwig hat für den Zweitligisten Wuppertaler SV mehr als 70 Spiele gemacht.
    "Es war auf jeden Fall eine gute Zeit mit vielen tollen Erfahrungen", sagt der 49jährige rückblickend. Aber er beschreibt auch die andere Seite. Profifußball sei das Durchsetzen gegen Widerstände:
    "Widerstände können sein innerhalb einer Mannschaft, die Konkurrenz auszuhalten, Rückschläge auszuhalten, auch mal nicht berücksichtigt werden, in der Mannschaft oder auch in Auswahlmannschaften. Widerstände können zusätzlich natürlich schulische Widerstände sein. Man gilt schnell als arrogant, der kleine Fußballstar. Und da immer gegensteuern zu müssen, das ist anstrengend. Und insofern glaube ich, ist es tatsächlich ein harter Weg."
    links: Knut Hartwig, rechts: Guido Streichsbier
    Knut Hartwig und Guido Streichsbier bei einer Diskussionsrunde im Fußballmuseum in Dortmund. (Deutschlandradio / Andrea Schültke)
    An dessen Ende meistens ein geplatzter Traum steht, die Tatsache, es nicht geschafft zu haben in die erste Bundesliga oder gar die Nationalmannschaft. Guido Streichsbier, Trainer der U 19-Nationalmannschaft macht das am Beispiel des Geburtsjahrgangs 1996 deutlich:
    "Wenn man sieht jetzt mit Leroy Sané, mit Timo Werner oder ein Jahrgang drunter mit Leon Goretzka oder Serge Gnabri sind jetzt einige Jungs in der A-Nationalmannschaft. Aber ich war zum Beispiel mit dem Jahrgang 97 bei der U20 Weltmeisterschaft vor zwei Jahren, da ist eigentlich nur ein Spieler in der Bundesliga und einer noch in Frankreich und die anderen haben es nur in die zweite Liga bisher geschafft".
    Selbst ein Jugendnationalspieler kommt selten in der ersten Liga an. Dabei kann der DFB in Sachen Nachwuchs eigentlich aus dem Vollen schöpfen: Knapp zweieinhalb Millionen Kinder und Jugendliche spielen in Fußballvereinen. Schon bei den Achtjährigen sind die Talentscouts unterwegs und suchen die Kinder aus, die sie auf den Weg schicken wollen.
    Zu große Hoffnungen geweckt
    Das beginnt mit zusätzlichem Training an einem der 366 DFB-Stützpunkte in ganz Deutschland. U-19 Nationaltrainer Guido Streichsbier ist sich bewusst, dass hier schon zu große Hoffnungen geweckt werden könnten:
    "Natürlich diskutieren wir auch, wird das jetzt falsch verstanden, wenn man einen Spieler in einen Stützpunkt reinholt, wird es dann schon gleich als Eliteförderung verstanden. Es ist natürlich auch immer ein schmaler Grat, aber das wird auch an Elternabenden in Informationsgesprächen, wird das den Eltern und den Jungs auch klargemacht, dass es eine Idee ist für eine Weiterbildung. Aber es kann auch missverstanden werden".
    Wenn der Traum nicht schon am Stützpunkt endet, könnte es weitergehen zu einem der Nachwuchs-Leistungszentren der Profivereine. Für Erst- und Zweitligaclubs ist der Aufbau eines Leistungszentrum seit knapp 20 Jahren Pflicht, wenn sie die Lizenz bekommen wollen. Aber auch immer mehr Vereine der Ligen darunter sehen darin ihren Weg der Talentförderung. 55 dieser Leistungszentren gibt es in Deutschland.
    Der Traum "Profi" erfüllt sich meist nicht
    In Kooperation mit Schulen soll der Fußballnachwuchs hier berufliche Ausbildung und Fußball gut miteinander verknüpfen können. Anton Schumacher ist pädagogischer Leiter des Leistungszentrums von Eintracht Frankfurt. Mit einem großen Stab von Mitarbeitern betreut er 200 Zehn- bis 18jährige, die Profi werden wollen: "Wenn sie es geschafft haben, ist es trotz des Drucks der schönste Beruf, den es gibt auf der Welt".
    Gleichzeitig rechnet der ehemalige Jugendtrainer aber vor: In der ersten und zweiten Liga gebe es insgesamt nur 900 Arbeitsplätze für Profis. Die Hälfte davon werde mit Spielern aus dem Ausland besetzt – bleiben 450 Stellen für einen Traum, den vielleicht Millionen Kinder träumen. Für fast alle erfüllt er sich nicht. Daher seien die Verantwortlichen auch in den Leistungszentren in der Pflicht:
    "Den ehrlichen Austausch mit den Jungs zu haben und zu verdeutlichen, wie wichtig dieser berühmte Plan B ist, der in den meisten Fällen zum Plan A wird. Und da sollte man mit den Jungs dran arbeiten und schauen, dass am Schluss nicht Enttäuschung steht, sondern: Was habe ich mitgenommen an Power, an Fleiß, an Struktur, was konnte ich lernen aus meiner Zeit am Leistungszentrum für meinen späteren beruflichen und privaten Werdegang".
    Einen Plan B im Blick
    Für den 16jährigen Luis Hartwig funktioniert der Weg zum Profi – sein Plan A - bisher reibungslos: Vom SV Bommen 05 in Witten und dem Bundesstützpunkt Bochum ging es in die U-14 des VFL und das dortige Nachwuchsleistungszentrum. Dennoch hat der Stürmer auch den Plan B im Blick:
    "Durch meine schulische Laufbahn, indem ich Abitur mache, da hoffe ich, dass ich relativ gut abschließe, damit ich später mein Studium machen kann in dem ich auch was mit Sport machen möchte und ich guck, was das mit dem Fußball bringt, wie weit ich’s schaffe".
    In der aktuellen B-Junioren Bundesliga-Saison hat Luis Hartwig 13 Tore geschossen, Platz drei der Torschützenliste. Morgen hat er ein Heimspiel. Der Tabellenvierte Bochum empfängt den Zweiten, den 1. FC Köln.