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Fußball
Die EM als Aktionsbühne gegen Homophobie

Bei den Olympischen Winterspielen in Vancouver 2010 eröffnete erstmals ein so genanntes Pride House für schwule und lesbische Fans und Athleten. Auch bei der Fußball-EM engagieren sich Aktivisten gegen Homophobie - und stoßen auf Widerstände.

Von Ronny Blaschke |
    Eckfahne in Regenbogenfarben bei einem Fußballspiel in Malmö.
    Aktionen gegen Homophobie sind im Fußball eher selten. (imago / Bildbyran)
    Ein Straßencafé im Osten von Paris. Auf dem Tisch vor Jacques Lizé liegt ein Hochglanzmagazin. Auf der Titelseite umarmen sich unbekannte Fußballer, die Schlagzeile: "Respekt". Jacques Lizé lächelt gequält, wenn er an die anderen Toleranzkampagnen des Europäischen Verbandes Uefa denkt. An die Spots mit lächelnden Gesichtern, an die Stadionbanden und an die vorgelesenen Statements der Mannschaftskapitäne.
    "Die Uefa hat eine Schweigeminute für Orlando abgelehnt. Wir hätten gern der Opfer gedacht, die in dem Schwulen- und Lesbenclub ermordet wurden. Doch das ist nur ein besonders trauriges Beispiel. Auch in Frankreich hat Homophobie Tradition. Wir wollen mit Bildungsarbeit gegen die Hassgesänge angehen. Der Fußballverband und das Sportministerium haben uns viele Versprechungen gemacht. Aber nichts ist passiert."
    Homophobie in Frankreich
    Jacques Lizé engagierte sich über viele Jahre in Workshops für "Paris Foot Gay", dem bekanntesten der schwullesbischen Sportvereine. Man kann sie in Frankreich an einer Hand abzählen. Der 58-Jährige schildert widersprüchliche Erfahrungen: Einerseits wollten auch viele Heterosexuelle für den Klub spielen, um – so vermutet Lizé – ihre Weltoffenheit auszudrücken. Andererseits wurde der Verein oft angefeindet. Einmal lehnte eine muslimisch geprägte Mannschaft ein Pflichtspiel sogar ab. Dass Paris Foot Gay zeitweise selbst einen muslimischen Vorsitzenden hatte, war der Mannschaft egal. Im vergangenen Herbst gab die Vereinsführung ernüchtert auf. Einige Mitglieder wie Jacques Lizé beteiligen sich aber weiter an der Aufklärung von Jugendlichen.
    "Es gibt einen wichtigen Unterschied zwischen Frankreich und Deutschland. Wir haben hier keine schwullesbischen Fanklubs im Umfeld der Profivereine, in Deutschland gibt es davon zwanzig. Sogar Bundeskanzlerin Angela Merkel hat sich positiv zum Coming-out von Thomas Hitzlsperger geäußert. Der Deutsche Fußball-Bund hat eine Broschüre herausgegeben. In Frankreich: ausgeschlossen. Auch bei uns sind schwule Profis aktiv. Vielleicht outen sie sich irgendwann, aber lange nach ihrem Karriere-Ende."
    Freundschaftsspiel gegen Schwulenfeindlichkeit
    Die Organisation "Pride House" hat parallel zur EM in Paris ein Freundschaftsspiel gegen Homophobie veranstaltet.
    Die Organisation "Pride House" hat parallel zur EM in Paris ein Freundschaftsspiel gegen Homophobie veranstaltet. (Ronny Blaschke)
    Ein kleines Stadion im Nordosten von Paris. Zwanzig Spielerinnen und Spieler bestreiten ein symbolisches Freundschaftsspiel gegen Homophobie. Es ist eine von mehreren Veranstaltungen des so genannten "Pride House" in den EM-Austragungsorten. Dazu gehören Podiumsgespräche und eine Ausstellung. Ins Stadion sind nur wenige Zuschauer und Journalisten gekommen. Der Vertreter der Uefa ist nach seinem Grußwort schnell wieder weg. Einer der Spieler ist Bertrand Lambert, Präsident des schwullesbischen Vereins "Panamboyz United".
    "Ich denke, es verändert sich langsam. Vor einigen Jahren hätten wir nicht gedacht, dass einige Profis mal unsere Regenbogen-Schnürsenkel tragen würden. Doch einige haben es getan. Für diese Kampagne wurden wir letztes Jahr ausgezeichnet. Es hat aus dem Fußball positive Kommentare gegeben. Doch dann gibt es wieder Rückschläge. Neulich, kurz nach dem Anschlag in Orlando, wollte ein Fan mit einer Regenbogenflagge ins Stade de France. Das wurde als politische Aussage abgelehnt. Es gibt noch immer eine Wand zwischen dem, was wir wollen und der Wirklichkeit."
    Wenig Unterstützung von Politik und Fußballverbänden
    Die Akzeptanz gegenüber Lesben und Schwulen erlebt ein Auf und Ab. In Frankreich hat die ehemalige Tennisspielerin Amélie Mauresmo gesagt, dass sie es sich heute genau überlegen würde, ob sie öffentlich noch einmal über ihre Homosexualität sprechen würde. Der Aktivist Cyril Millet ist einer der Organisatoren des "Pride House".
    "Vor drei Jahren wurde die Ehe in Frankreich auch für gleichgeschlechtliche Paare geöffnet. An einigen Tagen haben in Paris mehr als eine Million Menschen dagegen demonstriert. Der Druck auf Schwule und Lesben ist seitdem gestiegen, die Attacken und Diskriminierungen haben sich verdoppelt."
    Cyril Millet und seine Mitstreiter möchten während der EM auf diese Entwicklung hinweisen. Unterstützung erhalten sie kaum, weder von der Politik noch von den Fußballverbänden. Sieht man von den Hochglanzkampagnen einmal ab.