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Dopingvorwürfe gegen Stuttgart und Freiburg

In der Geschichte des deutschen Fußballs hat es bereits mehrfach Doping-Einzelfälle gegeben. Jetzt gibt es offenbar erstmals Beweise für ein flächendeckendes, systematisches Anabolika-Doping. Betroffen sind zwei Profivereine aus dem Süden. Auch der Bund Deutscher Radfahrer sieht sich mit Vorwürfen konfrontiert.

02.03.2015
    Eine Blutprobe wird am 30.10.2013 bei einem Journalisten-Workshop der Nationalen Anti Doping Agentur (NADA) in Bonn (Nordrhein-Westfalen) in einen speziellen Transportzylinder verpackt.
    Das Thema Doping wurde lange tabuisiert. (dpa / Marius Becker)
    Die Untersuchungskommission zur Aufarbeitung der Doping-Vergangenheit an der Universität Freiburg hat schwere Vorwürfe gegen den VfB Stuttgart und SC Freiburg erhoben. In den späten 1970er und frühen 1980er Jahren habe Anabolika-Doping beim Bundesligisten VfB Stuttgart "in größerem Umfang" eine Rolle gespielt sowie "punktuell nachweisbar" auch beim damaligen Zweitliga-Club SC Freiburg. Damit lasse sich Anabolika-Doping "in systematischer Weise" anhand neuer Aktenbestände "erstmals auch für den Profifußball in Deutschland sicher beweisen".
    Das schreibt Kommissionsmitglied Andreas Singler in einer offenbar nicht mit der Kommission abgestimmten Mitteilung. Die Vorsitzendes des Gremiums, Letizia Paoli, bestätigte in einer eigenen Mitteilung aber die inhaltliche Korrektheit der Doping-Vorwürfe, die sich sowohl gegen den Fußball als auch Radsport richten. Der Bund Deutscher Radfahrer (BDR) steht im Verdacht, organisiertes Doping mit anabolen Steroiden betrieben zu haben.
    Stuttgart äußert sich zurückhaltend
    Die neuen Erkenntnisse zum Doping wurden in einem rund 60-seitigen Sondergutachten zusammengefasst, wie Singler in seiner Mitteilung weiter schrieb. Die Kommission werde demnach in den nächsten Wochen darüber beraten, ob sie diesen Text als Zwischenbericht vielleicht noch vor Abschluss sämtlicher Arbeiten veröffentlichen wolle. Singler habe von sich aus mit der Zustellung der Mitteilung seinen Rücktritt aus der Kommission angeboten, teilte Paoli mit. Das Gremium werde dazu beraten.
    Der VfB Stuttgart äußerte sich zurückhaltend. Da dem Verein "das angesprochene Gutachten der Evaluierungskommission" nicht vorliege, könne die Grundlage der Vorwürfe auch nicht nachvollzogen werden. Zudem liegen die angeblichen Vorfälle Jahrzehnte zurück. Daher seien "damalige Abläufe" schwierig zu rekonstruieren.
    Der VfB betonte, dass der in der Mitteilung erwähnte frühere Freiburger Sportmediziner Armin Klümper "zu keinem Zeitpunkt Vereinsarzt" des Vereins war. "Der VfB Stuttgart ist im Sinne eines sauberen Sports an der lückenlosen Aufklärung des Sachverhaltes interessiert."
    Freiburg distanziert sich
    Nachforschungen der Kommission zufolge ist indes beim SC "eine Anabolika enthaltende Medikamentenlieferung auf Veranlassung" von Klümper überliefert. Die Freiburger distanzierten sich von dem Vorwurf.
    "Der Sport-Club als Bundesliga-Verein erteilt jeglichen Maßnahmen zu Medikamentenmissbrauch und unerlaubter Leistungssteigerung eine klare Absage", schrieb der Verein. Der SC will die Aufklärungsarbeit der Untersuchungskommission "komplett unterstützen und alles dafür tun, damit die Vorgänge der damaligen Zeit aufgeklärt werden können."
    Auch der Bund Deutscher Radfahrer ist ins Visier der Freiburger Evaluierungskommission geraten. In Singlers Mitteilung heißt es, die Auswertung von Akten der Staatsanwaltschaft Freiburg zum 1984 eröffneten und 1989 mit einer Geldstrafe abgeschlossenen Strafverfahren gegen Klümper lasse den Schluss zu, "nicht nur großflächige, wenn nicht flächendeckende Dopingaktivitäten des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR) zu beweisen".
    "Keine Informationen"
    Demnach fand Doping vor allem "mit anabolen Steroiden" im BDR zwischen 1975 und etwa 1980 nicht nur in fast flächendeckender Manier auf Veranlassung von Klümper statt. "Dieses Doping wurde, wie hier erstmals bewiesen werden kann, auch vom BDR aus einem eigenen 'Ärzteplan' finanziert."
    Der Rad-Verband hat nach eigener Aussage "keine Informationen" zu den damaligen Vorgängen.
    Zuletzt hatte im Sommer 2013 eine Doping-Debatte die Bundesliga zum Beginn ihrer 51. Spielzeit beschäftigt. Aufgerüttelt durch eine Doping-Studie der Humboldt Universität und der Universität Münster, die den deutschen Fußball und speziell das WM-Team von 1966 unter Verdacht stellt, wurde das lange tabuisierte Thema intensiv diskutiert. Der Deutsche Fußball-Bund hatte Doping beim damaligen Vize-Weltmeister bestritten.
    (pg/tzi)