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Fußball gucken in der ersten Reihe

Im nächsten Jahr findet die Fußball-Europameisterschaft in der Schweiz und in Österreich statt. Doch wer sich die Fernseh-Übertragungsrechte sichert, ist noch offen. Über den Preis müssen ARD und ZDF nun ausgerechnet beim Sportrechtehändler Sportfive mit Hagen Boßdorf, dem ehemaligen Sportkoordinator des Ersten, verhandeln.

Von Tilmann Gangloff |
    Die gute Nachricht zuerst: ARD und ZDF haben sich die Rechte an der Fußball-WM 2014 gesichert. Es steht zwar noch nicht fest, wo das Turnier stattfinden wird – höchstwahrscheinlich irgendwo in Südamerika -, aber die Plätze in der ersten Reihe sind schon mal reserviert.

    Bei der nächsten Europameisterschaft ist es genau andersrum: Veranstalter sind Österreich und die Schweiz, aber über die Fernsehrechte wird noch eifrig verhandelt. Nun soll ein Mann die Dinge beschleunigen, der sich schon des Öfteren erfolgreich als Brückenbauer betätigt hat: Sportfive, größter Sportrechtehändler Europas, hat sich die Mitarbeit von Hagen Boßdorf gesichert. Damit bringt die Agentur ihren Verhandlungspartner ARD in eine pikante Lage: Der Senderverbund hat seinem früheren Sportkoordinator gerade erst den Stuhl vor die Tür gestellt. Auch wenn man getrost davon ausgehen kann, dass öffentlicher Druck dabei eine größere Rolle gespielt hat als innere Einsicht: Irgendwann hatte Jan-Ullrich-Biograf und Telekom-Spezi Boßdorf selbst nach den großzügigen ARD-Maßstäben den Leitsatz der journalistischen Distanz allzu freizügig interpretiert; vom nie ganz aus der Welt geräumten Verdacht der Stasi-Mitarbeit ganz zu schweigen.

    Aus Sicht von Sportfive hingegen kann man den Schritt nachvollziehen: Boßdorf weiß, wie die ARD funktioniert; und aus seinen guten Kontakten zur freien Wirtschaft hat er nie einen Hehl gemacht. Um seinen neuen Job ist er trotzdem nicht zu beneiden, immerhin klafft zwischen den Forderungen von Sportfive – angeblich 150 Millionen Euro – und dem Angebot von ARD und ZDF – höchstens 100 Millionen – ein Graben von 50 Millionen. Die deutschen Sender sehen nicht ein, warum sie bei der Euro 08 pro Spiel mehr bezahlen sollen als bei der WM 2006. Die Agentur, die das Turnier bereits an dreißig europäische Sender verkauft hat, rechnet jedoch anders: Nicht ganz zu Unrecht weist man darauf hin, dass die Euro im Gegensatz zur WM von Beginn an ausschließlich hochkarätige Spiele zu bieten habe. Die Einschaltquoten des letzten Turniers in Portugal bestätigen diese Sichtweise: Trotz des frühen deutschen Ausscheidens der deutschen Kicker hatten die Begegnungen im Schnitt zwölf Millionen Zuschauer. Außerdem werden sämtliche Spiele frühestens um 18 Uhr und nicht schon am späten Mittag stattfinden.

    Trotzdem haben sowohl WDR-Intendantin Monika Piel wie auch ZDF-Chefredakteur Nikolaus Brender bereits angedeutet, notfalls auf die Übertragungen zu verzichten. Boßdorf wird wissen, was von solchen Aussagen zu halten ist: Wenn die Quote lockt, hat sich gerade das "Erste" in den letzten Jahren nicht lumpen lassen. Die Vorstellung, die Euro 08 finde quasi vor der Haustür statt, aber ARD und ZDF müssten draußen bleiben, dürfte man nicht nur in Köln und Mainz unerträglich finden.

    Dem Publikum könnte es ja eigentlich ganz egal sein, wer die Spiele überträgt, schließlich hat die WM bewiesen, dass sämtliche Sender so ein Turnier ohnehin bloß als Werberahmenprogramm betrachten; aber ARD und ZDF haben einfach die besseren Sportreporter.