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Fußball
Hackentrick mit politischem Hintergrund

Der syrische Stürmer Motaz Salhani trifft aus gut 30 Metern per Hacke. Mit seinem Kunstschuss in Jordanien macht er Schwedens Ballkünstler Zlatan Ibrahimovic Konkurrenz.

Von Ulrich Leidholdt | 22.03.2014
    Der schwedische Stürmer Zlatan Ibrahimovic jubelt am 14. November 2012 nach einem spektakulären Fallrückzieher. Ibrahimovics Tor gegen England (4:2) ist vom Fußball-Weltverband FIFA zur Wahl für das schönste Tor des Jahres 2013 nominiert worden.
    Tor des Jahres 2013: Schweden Stürmerstar Zlatan Ibrahimovic nach einem spektakulären Fallrückzieher gegen England am 14. November 2012 (AFP PHOTO/JONATHAN NACKSTRAND)
    Der Reporter des jordanischen Fernsehens flippt aus – und hat allen Grund dazu. Aus der Tiefe des Raumes bedient ein Spieler von al-Wahdat aus der Professional League des Nahost-Landes Moataz Salhani. 40 Meter vor dem gegnerischen Tor nimmt der in vollem Lauf den Ball in seinem Rücken mit der Hacke mit, traumwandlerisch beschreibt die Kugel einen immer höheren Bogen, um sich unhaltbar für den belämmerten Tormann von al-Ramtha ins Netz zu senken: 1:0 – der Sieg. Wahdat bleibt dadurch weiter gleichauf mit Tabellenführer Feisali.
    Doch was bedeutet das schon? Jordaniens Liga, in der zwölf Teams unter Ausschluss der Öffentlichkeit kicken, rückt aus dem Nichts dank YouTube und Facebook in den Focus des Weltfußballs. Besser gesagt durch Salhanis Traumtor. Ein Treffer, der gleichzeitig das nahöstliche Drama spiegelt.
    Denn der 28-Jährige ist Syrer. Bei al-Wahda in Damaskus hat er als Stürmer angefangen. Dann kam der Krieg. Einige Mitspieler schafften es nicht wie er zum Nachbarn Jordanien. Sie starben durch Heckenschützen oder Autobomben. Moataz Salhani ist einer von einer Million syrischer Exilanten in Jordanien. Sie entsprechen 15 Prozent der Einwohner des Wüstenstaats. Sicher, als Fußballer hat er es besser als seine Landsleute in Lagern, auf der Straße oder in einfachsten Unterkünften.
    Und nun ist er berühmt. Durch sein erstes Tor für Wahdat, den Club aus einem Lager für Palästinenser. Die leben aus Israel vertrieben teils schon seit 1948 in Jordanien. Wahdat und Faisali, die beiden Vereine von Palästinensern und alteingesessenen Jordaniern, führen traditionell die Liga an und sind erbitterte Widersacher. Da ist die Rivalität zwischen Dortmund und Schalke nichts dagegen. Wenn die Top-Clubs gegeneinander spielen, herrscht in Amman Ausnahmezustand wie am 1. Mai in Berlin-Kreuzberg.
    Seinen Treffer letzten Mittwoch, ausgerechnet am dritten Jahrestag des Aufstands gegen Assad in Syrien, stellen internationale Medien inzwischen über den unglaublichen Rückzieher des Schweden Zlatan Ibrahimovic gegen England. In Jordanien fordern sie schon den Puskás-Preis der FIFA für Salhani. Bislang bekamen den der Schwede und Portugals Ronaldo. Der Syrer war sich erst durch den inzwischen mehr als zwei Millionen Mal geklickten YouTube-Clip im Klaren über sein Kunststück. Direkt nach dem Spiel hatte er sich lediglich über den Sieg seines Teams gefreut.
    Moataz Salhani hegt ganz andere Träume – er fühlte sich geehrt, könnte er für seine Nationalmannschaft auflaufen, die syrische eben. Wenn Allah und die politischen Umstände das zulassen.