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Fußball
Hopp verklagt Schmähsänger

"Dietmar Hopp, Du Sohn einer Hure!". Der Protagonist in diesem Schmähgesang hat Anzeige gegen Fans erstattet, die ihn aus der Stadionkurve mutmaßlich beleidigten. Der Fall sorgt bundesweit für Aufsehen, weil er den Kulturkampf im Stadion weiter aufheizt.

Von Thorsten Poppe | 18.08.2018
    Fantribüne beim Bundesligaspiel 1. FC Köln gegen 1899 Hoffenheim am 21.4.2017.
    Fans des 1. FC Köln zeigten beim Spiel gegen 1899 Hoffenheim Schmähplakate. (imago / Revierfoto)
    "Dietmar Hopp, Du Sohn einer Hure!"
    Vor Spielbeginn des Bundesligaspiels TSG Hoffenheim gegen den 1. FC Köln Anfang März dieses Jahres schallen die gerade gehörten Rufe aus dem Block der FC-Fans. Seit die TSG Hoffenheim aus den unteren Amateurligen bis hoch in die Bundesliga durchmarschierte, auch dank der Millioneninvestitionen von SAP-Gründer Dietmar Hopp, schallen dem Mäzen diese Schmähgesänge entgegen. Nun hat er sich dazu entschlossen, Anzeige wegen Beleidigung nach §185 Strafgesetzbuch gegen die Kölner Fans zu stellen, wie die Staatsanwaltschaft Heidelberg dem Deutschlandfunk schriftlich bestätigt:
    Ermittlungen gegen 21 Personen
    "Nach unseren Informationen trifft es zu, dass das Polizeipräsidium Mannheim wegen des von Ihnen angesprochenen Sachverhalts gegen 21 Personen ermittelt. Voraussetzung für die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens ist allgemein, dass zureichende tatsächliche Anhaltspunkte für verfolgbare Straftaten bestehen. Wie uns die Polizei mitgeteilt hat, dauern ihre Ermittlungen noch an."
    Ob letztendlich Anklage erhoben wird, steht demnach noch nicht fest. Wie unsere Recherchen ergaben, sind die FC-Fans aber nicht alleine davon betroffen: Bei insgesamt sechs Bundesligaspielen in der letzten Saison wurden aufgrund von Beleidigungen gegen Dietmar Hopp Ermittlungen eingeleitet. Hierbei konnten laut der Polizei Mannheim mehrere Tatverdächtige ermittelt werden.
    Eine rechtskräftige Verurteilung gibt es zudem aus Vorfällen im April 2017, als Hoffenheim beim 1. FC Köln gastierte. Damals ist Dietmar Hopp auf Plakaten verunglimpft worden, ein FC-Anhänger ist daraufhin mit einer Geldstrafe von 800 Euro belegt worden. Allerdings hatte er sich gegen diese Strafanzeige auch juristisch nicht zur Wehr gesetzt.
    "Spirale der Aufrüstung"
    Laut Informationen des Deutschlandfunks werden die 21 von den jetzigen Anzeigen Betroffenen darauf anders reagieren. Tobias Westkamp ist Mitglied in der Arbeitsgruppe Fananwälte, und berät seit Jahren die Kölner Anhängerschaft juristisch. In dem konkreten Fall hat er bis dato kein Mandat inne, sieht jedoch auf beiden Seiten eine Spirale der Aufrüstung:
    "In der Tat, Herr Hopp hat, was ja zunächst mal sein gutes Recht ist, eine äußerst geringe Frustationstoleranz, ist äußerst intolerant gegenüber dem vermeintlichen Gebaren der Anhänger des 1. FC Köln. Und zwar in jedem Aufeinandertreffen in der Vergangenheit, was ein Stück weit auch dazu geführt hat, dass natürlich auch die Fußballfans von Spiel zu Spiel noch einmal eine Schippe draufgelegt haben. Zur Deeskalation trägt das Verhalten von Herrn Hopp mit Sicherheit nicht bei!"
    Die Strafverfolgungsbehörden bewerten ausschließlich das mutmaßliche Delikt, und nicht die damit verbundenen Hintergründe des Schmähgesangs. Denn für die Fans regiert, diktiert, und bestimmt ein Mäzen die Geschicke eines Klubs alleine. Demokratische Prozesse, die einen Verein für sie ausmachen, sind damit ausgesetzt. Wer das Geld bringt, hat eben das Sagen. Die Fans sehen darin einen Vergleich zum horizontalen Gewerbe.
    Wir wollen darüber auch mit Dietmar Hopp ins Gespräch kommen. Die TSG Hoffenheim verweist uns an seinen Anwalt Christoph Schickhardt, der sich bei uns zurückmeldet, sich dazu aber nicht öffentlich äußern möchte. Sein Mandant Dietmar Hopp sprach allerdings schon vor zehn Jahren im Sport1-Doppelpass davon, dass er sich nicht mehr alles gefallen lassen wolle. Auch damals ging es um Beleidigung durch einen Fan:
    "Die zweite Seite ist die, dass ich ihn wegen Beleidigung anzeigen kann. Wir haben über eine Woche gewartet, und eigentlich erwartet, dass der junge Mann sich entschuldigt. Die Gelegenheit hat er immer noch - wenn er das tut, werden wir die Anzeige zurückziehen. Und eines kann ich hier versprechen: Wir werden dickhäutig genug sein, um uns das anzuhören. Aber Gewaltandrohung ist einfach keine einfache Geschichte, vor allem für denjenigen, den es gilt."
    "Hure" als Analogie
    Auch wenn die Verwendung des Begriffs "Hure" für die Fans eine Analogie darstellt, empfindet Dietmar Hopp die Schmährufe der Fans definitiv als Beleidigung, und bringt sie aus seiner Sicht zu Recht zur Anzeige. Vor ihm hat das noch niemand gemacht. Egal, in welcher Art und Weise er beleidigt wurde. Der DFB verweist darauf, dass sportgerichtliche Verfahren davon nicht tangiert seien, da beides unabhängig voneinander laufe. Deshalb wolle sich der Verband dazu auch nicht weiter äußern.
    Anders ProFans: Die Interessenvertretung der Anhänger setzt sich für den Erhalt der Fankultur ein. Für sie bildet der Rahmen des gesetzlich Zulässigen den Freiraum jedweder Kritik. Auch unter Beachtung der Kunstfreiheit. Unabhängig davon stellt ihr Sprecher Sig Zelt fest:
    "Herr Hopp hat mit seiner finanziellen Intervention in wahrhaft schamlosem Ausmaß die Käuflichkeit sportlichen Erfolgs demonstriert. Das wird der breiten Masse von Fans, denen die ideellen Werte des Sports etwas bedeuten, auch weiterhin ein gehöriger Dorn im Auge sein. Herr Hopp mag sich in Sinsheim feiern lassen. Er wird aber auch künftig damit leben müssen, dass nicht nur 21 Kölner Ultras, sondern vielmehr Hunderttausende Sportfreunde in seiner Person Unfairness, Unsportlichkeit und Demokratiefeindlichkeit verkörpert sehen werden."
    Diesen Kulturkampf im Stadion wird letztendlich keine der Seiten für sich entscheiden können. Der deutsche Profi-Fußball steht hier ebenfalls am Scheideweg.