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Fussball
Konkurrenz für klassische Medien

Häufig klagen Fußballfunktionäre über eine kritische oder unsachliche Berichterstattung. Durch Soziale Netzwerke und Internetformate mischen sie aber längst selber mit auf dem Medienmarkt. Angetrieben von ihren ganz eigenen Interessen.

Von Daniel Theweleit | 01.12.2013
    Fußballnachrichten gehören immer wieder zum erlesenen Kreis jener Themen, die in allen Gesellschaftsbereichen wahrgenommen werden. Das Phantomtor von Stefan Kießling wurde in vielen großen Medien ähnlich prominent behandelt wie die gleichzeitig laufenden Sondierungsgespräche zwischen SPD und CDU. Das Topspiel von Borussia Dortmund gegen Bayern München fand auf der ganzen Welt Beachtung. Und schon immer versuchen die Klubs die Berichterstattung über ihre Medienabteilungen zu beeinflussen. Aber nie war das so einfach, wie jetzt, wo die Sozialen Medien zu einer gewichtigen Instanz der Öffentlichkeit geworden sind.
    Eigentlich war es nur eine kleine Anekdote am Rande, als Mario Götz in der vorigen Woche nach dem Spiel von Bayern München bei Borussia Dortmund jede öffentliche Aussage verweigerte.
    “Bitte nicht“,
    sagte der Mann des Spieltages im Vorbeigehen, nachdem er das wegweisende 1:0 gegen seinen ehemaligen Klub geschossen hatte. Einen Treffer, über den die ganze Welt diskutierte. Markus Hörwick, der Kommunikationschef der Münchner, warb um Verständnis für Götzes Schweigen.
    "Er möchte es nicht, ja, es ist für ihn eine gewisse Respektsgeschichte.“
    Am nächsten Tag wollte Götze dann aber schon. Er trat im vereineinseigenen FCB-TV auf. Exklusivzugriff auf das Gespräch hatten zahlende Abonnenten.
    "Was bedeuten Dir das Spiel, der Treffer, für Deinen neuen Verein auch nach der langen Verletzung? – "Wichtig war einfach, dass wir das Spiel gewonnen haben. Wir wollten einfach einen größeren Vorsprung haben.“
    Natürlich kann die Welt auf solche Belanglosigkeiten verzichten, aber Götze stand als zentrale Figur des Fußballwochenendes im Fokus des Interesses. Und das hat der FC Bayern am Tag nach dem Spiel geschickt für seine Zwecke ausgenutzt. Denn die Klubs konkurrieren mehr und mehr mit den klassischen Medien um die Gunst der zahlenden Kundschaft. Gegenüber dem Deutschlandfunk wollte die Abteilung "Neue Medien“ des Rekordmeisters sich nicht äußern, aber Steffen Mennerich, der zuständige Bereichsleiter, sagte Anfang des Jahres auf dem Sport-Business Kongress SpoBis:
    “Was wir relativ konsequent umsetzen, dass wir unsere Nachrichten, die Nachrichten vom FC Bayern wie ein wirtschaftliches Gut behandeln. Wenn ich beispielsweise Franck Ribery für ein Interview mit einer Zeitung zur Verfügung stelle, dann hat die Zeitung diese Nachricht, natürlich muss es so etwas auch geben. Aber jedes Interview, jede Nachricht, die wir exklusiv haben, bringt natürlich User auf unsere Seite. Und bringt am Ende wirtschaftlich auch Erfolg für uns.“
    Mittlerweile haben alle Klubs verstanden, welche Potenziale in den neuen Kommunikationskanälen schlummern. Überall werden Experten für neue Medien eingestellt, das klassische Stadionheft als Kluborgan spielt nur noch eine Nebenrolle, sagt Tobias Kaufmann, der Kommunikationschef des 1. FC Köln.
    “Der 1. FC Köln hat natürlich eine Homepage, und wir sind in den Sozialen Netzen auf fast allen populären Kanälen vertreten. Das heißt, wir haben eine Facebook-Seite, wir sind bei Twitter sehr gut unterwegs, wir sind bei Google-Plus, Instagram, Vine.“
    Die Userzahlen schießen immer weiter in die Höhe. Dem Branchenführer FC Bayern folgen 750.000 Leute auf Twitter, die Facebook-Seite zählt fast zehn Millionen "Likes“. Der direkte Kanal zu den Fans ist nicht nur wirtschaftlich lukrativ, weil Werbebotschaften an eine scharf umrissene die Zielgruppe übermittelt werden können. Er ist auch kommunikationsstrategisch hoch interessant. Tobias Kaufmann:
    “Das Internet ermöglicht uns als Klub, Zielgruppen aus erster Hand Informationen zu liefern. Informationen, Botschaften, Statements, Dinge, die uns wichtig sind. Und die man ja nie so eins zu eins über externe Medien rüberbringen kann.“
    So lassen sich Stimmungen und Dynamiken steuern, denen die Klubs früher ziemlich hilflos ausgeliefert waren. Es wird möglich, das Image bestimmter Spieler zu prägen oder in Kritik geratene Trainer in Schutz zu nehmen. Was auf der Strecke bleibt, ist der journalistisch-unabhängige Blick von Außen. Denn nur ein Teil der Veröffentlichungen dient in erster Linie der Information, sagt Thomas Horky, Professor an der Makromedia-Hochschule für Medien und Kommunikation in Hamburg.
    “Wir haben im vergangenen Jahr eine Analyse durchgeführt: Was sind die meist geteilten und meist bewerteten Themen im Bereich Sportberichterstattung auf Social Media? Und der Anteil von PR-Veröffentlichungen ist dort extrem hoch. Extrem meint, höher als in anderen Ressorts wie in Politik oder Kultur.“
    Bayern München stellt beispielsweise konkret Kontakte zwischen Sponsoren und Usern her. Sogar ein eigenes Soziales Netzwerk namens "MyFCB“ hat der Fußballkonzern von der Säbener Straße entwickelt. Längst wird Sponsoren von den Klubs zugesichert, so und so oft in den offiziellen Facebook- und Twitter-Veröffentlichungen genannt zu werden. Und die gesammelten Nutzerdaten lassen sich wunderbar vermarkten. Und dennoch ist das Vertrauen in den Fans in die Klubs groß, wie Tobias Kaufmann meint.
    "Es ist so, dass die meisten Fans des 1. FC Köln dem 1. FC Köln mehr glauben, als denen, die über den 1. FC Köln berichten.“
    Gerade an unruhigen Standorten haben die klassischen Medien an Glaubwürdigkeit verloren, weil sie unter den Verdacht geraten sind, bewusst Einfluss zu nehmen, wenn es beispielsweise darum geht, Stimmungen gegen Trainer oder Funktionäre zu forcieren. Wird diese Art der kritischen, mitunter vielleicht auch überkritischen Berichterstattung, also an Bedeutung verlieren? Horky glaubt das nicht.
    “Entscheidend ist ja zunächst mal die Marke, die dahinter steht. Also ein Fan weiß schon, dass Spiegel Online keine abhängige HSV-Berichterstattung macht. Ich glaube, da unterschätzt man das Publikum, Und von daher kommt es sehr stark darauf an, in Zukunft die journalistischen Marken auch zu pflegen.“
    Klar ist, dass Formate, die Fußballer in erster Linie als Helden verkaufen, mehr und mehr von den Klubs selbst übernommen werden. Für einige Medien stellt das eine große Gefahr dar, aber es entsteht auch ein neuer Bedarf an kritischer Berichterstattung als Korrektiv zu den von Interessen gesteuerten Veröffentlichungen der Klubs.