Fußball und Medien in Portugal

Stellen Sie sich vor, in Deutschland gäbe es drei ausschließliche Fußball-Tageszeitungen mit Auflagen größer als die der "FAZ". In Portugal sieht der Zeitungsmarkt genau so aus. "A Bola", "Record" und "O Jogo" heißen die täglichen Fußballgazetten. Dazu kommen Wochenblätter und natürlich die Vereinszeitungen der großen Clubs.

Von Marco Bertolaso |
    Nun gut, mag man sagen, Portugal ist halt ein fußballverrücktes Land.

    Stellen Sie sich vor, um Punkt 20 Uhr beginnt die Tagesschau und berichtet erst einmal zehn Minuten über eine Trainerentlassung in der Bundesliga. Undenkbar hierzulande...In Portugal ist das aber Alltag. Die Marktführer, die Privatsender SIC und TVI beginnen die Hauptnachrichtensendungen regelmäßig mit Fußballthemen. Und die unter Quotendruck stehende öffentlich-rechtliche RTP macht es ihnen nach.

    Die Clubs wissen das und legen ihre Pressekonferenzen genau auf den Beginn der "telejornais". Und dann übertragen alle, 20 Minuten und länger, was der Präsident von Benfica Lissabon zu sagen hat, live und ohne jedes redaktionelle Korrektiv. Erst danach kommt das Allernötigste aus Portugal und der Welt.

    Auf dem Markt tummeln sich auch noch Radio- und Fernseh-Sparten-Sender, sowie mehrere Fußball-Internet-Zeitungen, wie "maisfutebol". Pedro Calhau ist dort Redakteur und er meint, die Dominanz des Fußballs in den Medien werde noch zunehmen. Der Grund: Portugal stecke mitten in Rezession und Zukunftsangst. Da biete der Fußball den Menschen Ablenkung, aber auch ein Feld, um Hoffnungen und Frustrationen auszuleben.

    Das stimmt zwar, trifft aber auch auf andere Länder zu. Die besondere Lage in Portugal erklärt Paulo Ferro de Gouveia besser. Der Kolumnist der "Portugal Post" beklagt einen "Exzess" von Fußball und brasilianischen "telenovelas" im Fernsehen - und verweist auf den prekären Bildungsstandard: nicht einmal jeder fünfte Portugiese habe eine weiterführende Schule besucht. Nirgendwo in den bisherigen EU-Ländern gebe es weniger Uni-Absolventen.

    Das ist immer noch ein Erbe der Diktatur, die an Ausbildung für alle nicht interessiert war. Es ist aber auch ein Versagen der demokratischen Politiker nach 1974. Und die Medienaufsicht hat weder die Kraft noch den Willen, einzugreifen. Unter anderem, weil viele Politiker Angst haben, sich mit dem Fußball anzulegen.

    Von Marco Bertolaso. Gesendet in "Sport aktuell”, 7. Juni 2004